Kurzgeschichte
Sie essen wieder (Alltagsszene)

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"Sie essen wieder (Alltagsszene)"
Veröffentlicht am 13. Juni 2016, 8 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Tatiana Navrotskaya - Fotolia.com
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Über den Autor:

pensionierte Lehrende - passionierte Lernende nur Gast bin ich komme [bleibe?] gehe nur eine von vielen doch keinesfalls die schnelle Nummer auch kein [Kopf]Los ohne Zahl und du zeige mir deinen Weg [dein Sehen Be.mühen dein Lachen Zürnen] dass ich erkenne, wie [dein] Leben sei. (c) tulpenrot
Sie essen wieder (Alltagsszene)

Sie essen wieder (Alltagsszene)

Sie essen wieder (Alltagsszene)

Er aß so sehr gerne Bratkartoffeln mit Spiegelei oder Strammer Max, wenn er unterwegs war. Deftig und herzhaft musste es sein. Salzig und fett. Das war noch vor der Zeit von Pizza und Currywurst. Und wenn er nach Hause kam, brutzelte seine Frau für ihn im Backofen Toast Hawaii. Bis man vermutete, dass die Käsekruste krebserregend sei. Dann wich sie aus auf Pute mit Currysoße und einer kandierten Kirsche, deren Geschmack mit Bittermandelöl verstärkt war. Das Essen sollte einen Hauch von Genießertum und ausländischem Flair bekommen. Man zeigte gerne, dass man sich

etwas leisten konnte nach den schlechten Jahren. Seine Tochter wurde schwach bei Weißbrot mit viel Butter und Schokoladenstreusel. Das kannte sie von ihren Ferien in Holland. Bis man ihr sagte, das sei zu viel an Zucker und Fett. Davon würde man dick. Der Vater jedoch war in seinen Kinderjahren mit weißem, heißem Mondaminbrei und einem Löffel Orangensaft darüber versorgt worden oder mit heißer Schokoladensuppe. Die hatte er im Schlafanzug und Bademantel gelöffelt, schon im Bett sitzend nach dem samstäglichen Baden. Sehr warm war ihm dabei geworden. Er war nie dick als Kind. Erst

später. Trotz Sport. Jede Woche ging er in die Sauna. Einmal kam er nicht wieder. Die Bratkartoffeln und die Pute und den Toast aß dann ein Anderer. Der Andere aß eben auch gerne Bratkartoffeln und Pute und Toast. Er mochte auch sauren Hering und manchmal Klöpse mit Kapernsoße. Die Mutter war froh, dass sie etwas zu essen hatten. Die Tochter hatte sich nie an den Neuen gewöhnt. Sie aß wenig. Wenn sie auf dem Heimweg von der Schule warf, warf sie immer mal wieder ihre alten schimmeligen Brotreste, die sie in der Schultasche tagelang rumgeschleppt hatte, in hohem Bogen in die

Kriegsruinen. Eines Tages wurden die Steinbrocken weggeräumt und man baute an diesem Platz die neue Synagoge. Jedes Mal, wenn sie wieder einmal vorbeikam, dachte sie an die Vielzahl der Brote, die sie dort verenden ließ. Später trug sie hochhackige Schuhe und lackierte die Fingernägel knallrot. Passend zum Lippenstift. Dann zog sie los und kam auch nicht wieder. Nur die Mutter ist geblieben, wo sie immer war. Sie kochte nie so besonders gerne. Der Neue brachte oft viel Kohl mit. Den gab es billig. Oder Rüben. Die karamellisierten so angenehm im Topf mit Zucker. Dazu Stampfkartoffeln und heiße

Fleischwurst. Am Samstag hörte er am Radio die Fußballübertragung. Da durfte ihn niemand stören. Es war eigentlich niemand da, der ihn stören konnte. Außer der Mutter. Die Mutter war jedoch leise, ging schweigsam in den Keller und überprüfte die Gummiringe an den Einweckgläsern, ob sie noch dicht hielten. Und sie schaute nach, ob noch genügend Kohlen zum Heizen da waren. Und wenn sie wieder hoch kam, brachte sie ihm ein Bier mit und setzte sich in die Küche und stopfte die Löcher in den Socken, den Unterhemden und Unterhosen oder zog neue Gummibänder ein. Sie hatte keine Zeit und kein Interesse für

Fußball. Er lehnte sich danach gegen Abend aus dem Fenster und rauchte seine Pfeife. Vielleicht beobachtete er, wer vorbei ging. Man konnte es nicht wissen. Vielleicht kannte er die Leute, aber er grüßte nie. Was hatte er auch davon?

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tulpenrot
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nur Gast
bin ich
komme
[bleibe?]
gehe
nur eine von vielen
doch
keinesfalls die schnelle Nummer
auch kein [Kopf]Los ohne Zahl

und du
zeige mir deinen Weg
[dein Sehen
Be.mühen
dein Lachen
Zürnen]
dass ich erkenne, wie [dein] Leben sei.
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sugarlady Ich bekomme Hunger von dieser Geschichte :-))
Liebe Grüße
Andrea.
P.S. Coins kommen morgen.
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Wunderbare Alltagsgeschichte von den mageren und den fetten Jahren, vom Kommen und Gehen .... und von innerer Vereinsamung ...

"Der Mensch ist, was er isst"

LG fleur
Vor langer Zeit - Antworten
tulpenrot Das ist ein toller Kommentar! Danke dir sehr herzlich.
Angelika
Vor langer Zeit - Antworten
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