Von Sprengstoffgürteln und Ruhm
Der Junge steht im Hauptbahnhof, um seinen Bauch ist ein Gürtel gespannt, an den er Sprengstoff befestigt hat. Durch Käbel ist die Bombe mit einem Knopf in seiner Hand verbunden. Er muss nur darauf achten, nicht zu früh zu drücken. Für den Notfall hat er die Pistole seines Vaters dabei. Er stellt sich aufrecht hin, so wie er es zuletzt im Fernsehen gesehen hatte. Der Mann war von einer Überwachungskamera erfasst worden, kurz bevor er sich in die ewigen Jagdgründe katapultiert hatte. Jetzt liefen die Bilder von dem Mann in den Medien rauf und runter und bei dem
Jungen und seinen Freunden war er schon längst zu einer Ikone geworden. So berühmt wollte der Junge auch werden. Man konnte so einfach mit einer Aktion bekannt werden, die nur eine Zehntelsekunde andauerte! Deshalb stellte er sich genauso selbstbewusst und nonchalant genau in das Blickfeld der Überwachungskamera. Er hatte sogar errechnet, wie weit er in etwa von der Kamera entfernt stehen musste, damit sie ihn erfasste, aber er sie bei der Explosion nicht zerstörte. Er war sich sicher, wenn er nur genügend Leute mitriss, wurde er zu einem Weltstar! In den letzten Tagen waren im Fernsehen immer wieder Aufnahmen von Attentaten
und Massenmorden gezeigt worden. Der Junge hatte sie sich alle angeschaut und nach und nach seinen Plan entwickelt. Nach ein paar Ausschnitten begann er die Fehler der Täter zu erkennen und die richtig guten Taktiken herauszulesen. Mit der Zeit entstand in seinem Kopf die Idee und wurde dann immer konkreter. Sein Plan war ausgeklügelt und perfekt, es konnte nichts schief gehen. Auf seinem Schreibtisch hatte er penetrant aufdringlich einen Brief gelegt, auf welchem „Liebe Eltern“ stand. In dem Schreiben hatte er alle seine Idole gelistet und mit vagen Worten erklärt, warum er den Angriff verüben wollte. Er wusste, dass seine Eltern erst spät abends
in sein Zimmer gehen würden um ihm eine gute Nacht zu wünschen; es konnte ihm nichts und niemand in die Quere kommen. Seine Freunde hatte er gestern gebeten, bei der Polizei und vor allem den Medien vorstellig zu werden, um der Welt zu erzählen, welch gutmütiger und wundervoller Mensch er doch gewesen sei. Der Junge wollte nichts dem Zufall überlassen, sein Ziel berühmt zu werden war zum Greifen nahe!
Noch immer stand er selbstsicher und mit einem leicht arroganten Lächeln auf dem Bahnsteig. Plötzlich erinnerte er sich an all die religiösen Extremisten, die immer irgendetwas schreien um ihren Gott zu loben. Diese Rufe hatten immer
eine sehr große Wirkung auf die Menschen in der Umgebung, die Leute hatten meistens Angst und liefen weg, es war jedoch immer zu spät für sie. Der Junge entschloss sich kurzerhand auch etwas von wegen „Gott ist supidupi“ zu rufen, obwohl er an gar keinen Gott glaubte. Und da er außer Deutsch keine andere Sprache beherrschte, musste das auch reichen. Der Junge freute sich bereits auf den Ruhm und auf die Artikel über ihn in den Zeitungen der ganzen Welt. Er würde Groß werden! Einer der bekanntesten Attentäter der Welt! Er konnte es kaum noch erwarten! Zum Glück hatten die Berichte in den Medien ihn auf diese geniale Idee gebracht!
Dann, endlich, sah er den Zug einfahren! 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 …