Die Vorleserin
Es gab einmal ein Mädchen. Dem fielen abends um 5 Uhr immer wieder Geschichten ein. Es waren wundervolle Geschichten. Erzählungen voller Farbe, voller Schönheit, Tiefe und Weisheit. Sie wusste nicht, woher sie kamen. Aber plötzlich waren sie da. Sie war selbst erstaunt, doch setzte sich jedes Mal hin und schrieb sie nieder. Dafür kniete sie sich seitwärts auf einen edlen Königssessel, der mit floralen Ornamenten wunderschön übersät war. Das Kissen auf dem sie saß war wunderbar weich und sie fühlte sich wie in einer anderen Welt. Während sie
schrieb, wurde sie selbst das, was sie schrieb. Die Leute beobachteten sie, während sie so auf ihrem Sessel saß und sahen sich ihre Geschichten an, indem sie sie beobachteten und ihr lauschten. Mal wurde sie sehr ernst und hatte einen tiefen, feierlichen Gesichtsausdruck; mal schallte der Saal, in dem sie saß, vor ihrem Lachen, das stundenlang andauern konnte. Doch die Leute waren so gebannt von dem was sich vor ihren Augen abspielte, dass sie selbst in die Welt dieses wunderbaren Mädchen mitgenommen wurden. Eines Tages fanden sich alle in einer anderen Umgebung wieder – sie hatten doch gerade noch in diesem Saal gesessen und
dem Mädchen gelauscht und es beobachtet. Nun aber saßen sie in einer ganz neuen Welt, um sie herum Steppe und Tiere, die sie noch nie gesehen hatten.