Wenn ein Tag schon geil beginnt, kann er nur noch noch geiler werden. Oder etwa nicht? Wie begann mein Tag? Stressig. Und warum? Weil mein scheiß Handy mitten in der Nacht ein Neustart machen musste. Daher ging der Wecker nicht an. Denn mein Handy ist gleichzeitig mein Wecker. Das heißt, es war mein Wecker gewesen. In der Zwischenzeit habe ich mir einen richtigen Wecker besorgt. Einen zum aufziehen. Zwar ist es nicht mehr das neueste Modell, dafür ist er robust und verlässlich. Der funktioniert ganz ohne Batterien und
Akkumulatoren. Nur muss ich immer daran denken ihn aufzuziehen, damit er seine Funktion als Wecker auch erfüllt. Ich hatte es ziemlich eilig gehabt auf Arbeit zu kommen. Schaffte es nicht einmal Kaffee zu trinken, geschweige denn, meine Zähne zu putzen. Für all das blieb mir keine Zeit. Und eigentlich auch zum Anziehen nicht. Mein Vorteil war, das ich nicht auf die Bahn angewiesen war, da ich Rad fuhr. Etwas schneller strampeln und ich konnte etwas Zeit aufholen. Dennoch kam ich ein paar Minuten zu spät, weswegen ich am Ende des Tages meine Kündigung abholen durfte. Zumindest nannten sie dies als Kündigungsgrund. Ich habe mir
nie die Mühe gemacht, mir die Kündigung durchzulesen. In dem Verein hatte ich mich eh unwohl gefühlt und war daher eigentlich ziemlich froh, da nicht mehr hin zu müssen. Aber mir fehlte das Geld. Denn ich hatte nicht schlecht verdient. Ich versuchte, mir alles schön zu reden. Was hatte ich schon verloren? Kollegen, die sich gegenseitig ausspielten, ein unangenehmes Arbeitsklima und ein beachtliches Gehalt. In den knapp zwei Monaten, die ich dort gearbeitet hatte, verdiente ich mehr, als in den vier Monaten, bei de Firma, wo ich zuvor gewesen war. Das stimmte mich ärgerlich. Und um all dem die Krone
aufzusetzen, versperrte mir eine Vorlaute Rotzgöre den Weg zu meiner Haustür. Voll cool hielt sie eine Knarre in der Hand und zielte damit auf mich. „Drück schon ab.“, maulte ich, „Falls Geld willst, so was besitze ich nicht. Mein Rad rücke ich freiwillig nicht raus. Auch wenn es schon einige Kilometer runter hat. Es ist das Letzte, was mir geblieben ist. Gerade eben habe ich meinen Job verloren. Vor gar nicht all zu langer Zeit, stellte mir meine Frau ihren neuen Lover vor. Meine Kinder wollen nichts mehr mit mir zu tun haben, oder dürfen nicht. Wer weiß. Ist mir auch scheißegal. Entweder drückst jetzt ab oder schiebst ab. Entscheide
dich. Unbeirrt blieb sie stehen. Rührte sich keinen Millimeter. Verzog keine Mine. „Also gut. Hier hast man Ersatzschlüssel.“, sagte ich und schmiss meinen Zweitschlüssel vor ihre Füße, „Erdgeschoss Mitte. Den wollte ich eigentlich einer guten Freundin geben. Aber seit dem sie mit ihrem Neuen zusammen ist, meldet sie sich kaum noch bei mir und ich erreiche sie nur ganz selten. - Liegt das an mir, oder warum habe ich so viel Pech mit euch Frauen?“ Ich stürmte an ihr vorbei, stieß sie halb zur Seite und öffnete die Haustür. Kurz bevor die Tür zufiel, drehte ich mich
noch einmal um und sagte mit sanfter Stimme: „Tut mir leid. Ich hab einfach nur noch scheiß Tage. Magst mit reinkommen? Meine Bude sieht zwar aus, wie Sau, aber deinem Anblick nach zu urteilen, hast du schon in mieseren Behausungen übernachtet.“ Langsam löste sich ihre Starre. Sie hob meinen Schlüssel auf und folgte mir. Wenn ich nicht so elende scheiße drauf gewesen wäre, hätte ich garantiert anders reagiert. Aber so war mir alles egal gewesen. Zu verlieren hatte ich nichts mehr. Meine kleine Familie gab es nicht mehr. Mit meiner Familie wollte ich, aus persönlichen Gründen, nichts
mehr zu tun haben. Wie ich eingangs erwähnte, hatte ich zu dem Zeitpunkt gerade meinen Job verloren, den ich zwar nicht mochte, aber des Geldes wegen doch ganz gern gemacht hatte. Und was das Thema Freunde betrifft, so möchte ich nicht darüber reden. Es ist, wie mit den Frauen. Ich bin eben ein Pechvogel. Mit der Knarre vor mir stehend, war sie eine Frau zum Fürchten gewesen. Wenn ich alles noch gehabt hätte, oder zumindest einen Teil davon, dann hätte ich angst vor ihr gehabt und ihr alles gegeben, was sie wollte. Hauptsache, sie schoss nicht auf mich. Als sie in meiner Wohnung stand, die
unbedingt aufgeräumt werden musste, war sie ganz anders. Zurückhaltend. Schüchtern. Ängstlich? Ich kann es nicht anders beschreiben, als das es zwei verschiedene Personen waren. Nur war mir die Person, die in meiner Wohnung war viel lieber, als die, die mich mit ihrer Knarre bedroht hat. „Lass mich raten; du wurdest vergewaltigt, stimmt's?“ „Woher weißt du...?“ „Instinkt. Im Laufe meines Lebens habe ich so viel Vergewaltigungsopfer kennengelernt. Irgendwann erkennt man es automatisch. Willst darüber reden?“ Tja, und dann fing sie wirklich an, mir alles zu berichten. Jedes kleinste Detail
verriet sie mir. Meine Mitleidsdrüse lief auf hochtouren. Was das Mädel alles durchmachen musste, war einfach nicht zu fassen. Ich konnte nur schwer die Tränen unterdrücken. Am liebsten hätte ich sie in die Arme genommen und ganz fest an mich gedrückt. Aber das ließ ich bleiben. Das Mädel hatte so viel scheiß durchgemacht. So viel scheiß und Missbrauch erlebt. Sie zu drücken, wäre ein verdammter Fehler gewesen. Wie gesagt, war sie nicht das erste Missbrauchsopfer, das ich kannte. Und jede war anders. Während sie mir ihre Lebensgeschichte erzählte, fragte ich mich zum wiederholten male, warum Gott, der uns
Menschen angeblich so sehr liebte und der so gütig ist, so was zuließ. Wie viele Kinder wurden schon missbraucht!? Unzählige. Zu viele. Und die meisten Täter kommen ungeschoren davon. Trotz allem was sie durchgemacht und erlebt hatte, konnte ich sie dazu bringen, sich bei mir zu duschen und meine Klamotten anzuziehen. Währenddessen machte ich uns etwas zu Essen. Der Appetit war mir zwar vergangen, aber sie war mir einfach zu dürr. Nicht dünn, sondern dürr. Leider konnte ich sie nicht dazu überreden, die Nacht bei mir zu bleiben. Sie wollte unbedingt wieder gehen.
Irgendwo verständlich. Sie hielt mir eine Knarre vors Gesicht und ich lade sie zu mir ein. Das erlebt man auch nicht alle Tage. Wer so was macht, muss psychisch nicht ganz dicht sein. Und irgendwo muss ich ihr da auch recht geben. Kein normaler Mensch würde so wie ich reagieren und handeln.
Als sie an der Türe stand, bereit zum Gehen, streckte sie mir meinen Zweitschlüssel entgegen. Doch anstatt ihn ihr zu nehmen, sagte ich:
„Behalt ihn. Tu mir nur einen Gefallen und schlepp hier niemanden mit an.“
Was für eine Nacht. Nicht die Erste, in der ich nicht schlafen konnte, obwohl ich müde war. Schuld hatte wieder einmal meine Nase gehabt. Sie war vollkommen zu. Aller paar Minuten musste ich was trinken, weil mein Mund sich ausgetrocknet anfühlte. Irgendwann, in den frühen Morgenstunden, konnte ich endlich wieder durch meine Nase atmen. Grund zum aufstehen hatte ich keinen. Also blieb ich liegen und schlief noch eine Weile. Besonders gut schlafen konnte ich nicht. Die Sonne schien zu grell.
Deswegen befand ich mich nur im Halbschlaf und bekam mit, wie jemand in meine Wohnung schlich. Sekunden später stand die Person vor mir und hielt mir eine Pistole an die Schläfe. Mir war klar, wer das war und das ich keine Angst zu haben brauchte. Das Mädchen würde nicht abdrücken. Da war ich mir irgendwie sicher gewesen. Keine Ahnung warum. Es war einfach so. „Machst Kaffee?“, fragte ich müde. Ich hörte, wie sie die Knarre entsicherte. Langsam drehte ich mich um und öffnete meine Augen. Sah ihr Gesicht vor mir. Nur verdeckt, durch den Lauf ihrer Pistole. Sie schaute finster drein. Vielleicht war sie ja doch
fähig, abzudrücken, dachte ich. Dennoch blieb ich cool, obwohl mir leicht mulmig wurde. „Bleibst zum Frühstück?“ Unsicher senkte sie das Schießeisen. Ich lächelte sie an. Am liebsten hätte ich ihr jetzt einfach einen Kuss gegeben. Einfach so, um sie zu schocken. Aber die Gefahr war zu groß, das sie doch noch abdrückte, mich irgendwo traf und zusah, wie ich mich vor Schmerz fand. „Was hältst davon, wenn ich dir jetzt Geld gebe und dich zum Bäcker schicke? Ich mache derweil Kaffee. Oder willst lieber was anderes?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, griff ich nach meiner Hose und kramte ein paar
Münzen raus. Zögernd nahm sie das Geld entgegen. „Vollidiot.“, murrte sie. Dann drehte sie sich um und ging. Ich quälte mich aus meinem Bett und watschelte aufs Klo. Die nächtliche Trinkerei forderte ihren Tribut. Meine Blase war voll bis oben hin. Deshalb lief ich ganz vorsichtig, damit kein Tropfen in die Hose ging. In solchen Momente schätzte ich das Alleinsein. Das Bad war stets frei. Jederzeit konnte ich mich auf die Schüssel setzen. Kein Ausharren vor der Tür. Alles hatte eben seine Vorteile. Auf das Mädchen war Verlass. Anstatt mit dem Geld einfach abzuhauen, kam sie
mit frischen Brötchen wieder. Hunger hatte ich noch keinen gehabt, weil ich gerade erst aufgestanden war. Dennoch genehmigte ich mir ein Brötchen, damit sie nicht alleine essen musste. Und so gierig, wie sie aß, musste sie ganz schön Kohldampf schieben. „Könntest du mir einen Gefallen tun? Lass die Knarre stecken, wenn du mich besuchen kommst.“ „Okay.“ Ich hatte tausend Fragen an sie. Aber ich stellte keine. Sicherlich würde ich sie noch häufiger zu Gesicht bekommen und da konnte ich sie immer noch aushorchen. Zuerst mal musste ich eh erstmal ihr Vertrauen
gewinnen. Wie es das letzte mal dazu kam, das sie über sich geplaudert hatte, weiß ich nicht. Häufig erzählen mir Fremde ihre Lebensgeschichte. Menschen sehen mich und kommen ins Plaudern. Erzählen mir von ihrem Leid und ich sehe die Welt mit immer weniger bunten Farben, weil ich immer nur vom Elend in Kenntnis gesetzt werde. „Ich weiß ja nicht, was du heute noch so vorhast. Ich werde wieder mal versuchen aufzuräumen. Wie du siehst, kann man hier keinen reinlassen. Meine Möbelzusammenstellung ergibt kein Bild. Keine Ahnung, wie oft ich schon umgestellt habe. Aber immer sieht es
Kacke aus. Und neue Möbel kann ich mir nicht leisten. Davon abgesehen, sind die hier noch gar nicht so alt. Vielleicht drei oder vier Jahre. Alles nach und nach geholt, wie ich gerade Geld hatte...“
„Ich muss gehen.“, unterbrach sie mich. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und sagte:
„Danke fürs Frühstück.“
Dann war sie auch schon wieder weg. Und ich schaffte es nur, den Müll raus zu bringen. Den Rest des Tages verbrachte ich mit Radfahren. Das lag mir mehr.
Es ist blöd, wenn man nur für ein paar Tage arbeiten gehen darf und sich dann wieder arbeitssuchend melden muss, weil irgendwem die Nase nicht passte und dafür sorgte, das man gehen darf. Wenn die Chefin des Personalservices dann auch noch so eine ist, die sich nicht die andere Seite anhören will, sondern gleich die Kündigung in die Hand drückt, dann ist man gleich doppelt frustriert. Außerdem hat man noch die Rennereien. Das ist ja das Schlimme daran. Nicht, das man gefeuert wurde, sondern das Wandeln zwischen den ganzen Behörden und
ehemaligem Arbeitgeber. Überall bekommt man Papiere in die Hand. Einmal zum Abgeben und einmal für sich zum Sammeln. - Die reinste Zettelwirtschaft. Eigentlich hatte mir der ob sehr gut gefallen. Einfache Arbeit, bei der die Zeit relativ flott verging. Mit den meisten Kollegen kam ich prima aus. Nur eine Person war etwas seltsam. Vom ersten Augenblick an konnte ich diesen Menschen nicht ab. Dies beruhte auf Gegenseitigkeit. Doch während ich ihm aus dem Weg ging und ignorierte, setzte er alles dran, um mich ganz loszuwerden. Das hatte er auch erfolgreich
geschafft. Rein zufällig traf ich das Mädchen wieder. Sie stand auf der Straße und hatte gerade auf jemanden geschossen. Feige, wie ich nun mal bin, wendete ich mein Rad und fuhr eine großen Bogen. Anscheinend hatte ich mich wohl geirrt gehabt. Sie hatte es tatsächlich draufgehabt, jemanden zu erschießen. - Wie man sich doch irren kann. Irgendwie hatte ich es geahnt. Kaum war ich zu Hause angekommen, stolperte sie durch die Tür. Blut klebte an ihren Händen und sie zitterte am ganzen Leib. Eine Mischung aus Angst und Mitleid strömte durch meinen
Körper. „Er wollte mich anfassen.“, keuchte sie. Wortlos legte ich ihr Klamotten und Handtücher ins Bad. Dann stellte ich mich in die Küche und machte uns eine Kleinigkeit zu Essen. Von unserem ersten Aufeinandertreffen her wusste ich, das sie mehrfach missbraucht wurde. Deswegen fragte ich mich, ob sie überreagiert hatte oder der Typ ihr wirklich zu Nahe gekommen war. Möglich war Beides. Während des Essens schwiegen wir. Das heißt, sie schlang runter, als hätte sie seit Wochen nichts mehr gegessen und ich schaute ihr dabei zu. Sah die Szene, wie sie vor dem Typen stand, die
Waffe auf ihn gerichtet. Er lag am Boden und hielt sich sein Gemächt, so weit ich gesehen hatte. Wäre ich vorbeigefahren, anstatt feige abzuhauen, hätte ich alles gesehen. Erkannt, was wirklich losgewesen war. So konnte ich nur Vermutungen anstellen. Natürlich hätte ich sie auch fragen können. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, als wäre sie nicht sehr gesprächig. „Was dagegen, wenn ich hier penne?“, fragte sich mich. „Kannst nicht erstmal hinterschlucken, bevor sprichst? Ist doch eklig.“, erwiderte ich angewidert, Meinetwegen kannst mit unter meine Decke krauchen. Du solltest aber wissen, das ich mir BSB
zum Einschlafen reinziehe. Und nein, ich bin nicht schwul. Ich finde einfach, das sie gut singen können und ihre Songs gehen ins Ohr. Außerdem sind sie ehrlich. Problem damit?“ Sie schaute mich durchdringend an. Dann antwortete sie kurz und knapp: „Okay.“ Und dann verbrachten wir die Nacht miteinander. Ich hielt mich absichtlich fern von ihr. Schlief am Rande meines Bette, was aber nichts Neues für mich gewesen war, da meine Damalige sich immer sowas von fett gemacht hatte, das ich nur wenige Zentimeter Platz hatte. Auf ihrer Seite war dafür sehr viel Luft gewesen. Außer, sie schlief auf
dem Rücken. Dann hatte sie ihre Beine gespreizt und ihre Arme lagen auch nicht am Körper. Ich hatte einfach nur angst gehabt, das ich ihr aus versehen zu Nahe kam und sie mir wehtun wird. Deshalb konnte ich ewig nicht einschlafen. Immer wieder vergewisserte ich mich, das ich genügend Abstand zu ihr hatte, um nicht ihr Knie zwischen meinen Beinen zu haben. Als ich am folgenden Morgen aufwachte, war sie nicht mehr dagewesen. Aber sie hatte mir eine Tasse Kaffee ans Bett gestellt. Zwar war er schon kalt gewesen, als ich aufgewacht war, aber das war mir egal.
Der Gedanke zählt.
Es ist schon verrückt. Da steht so ein Mädchen vor mir und bedroht mich mit einer Pistole und anstatt vor angst zu schlottern, gehe ich sie an. Um all dem noch die Krone aufzusetzen, schmeiße ich ihr auch noch meinen Zweitschlüssel vor die Füße. Als mir das bewusst wurde, griff ich mir selbst an den Kopf. Aber in der Zwischenzeit glaube ich, das es Schicksal war. Eine höhere Macht wolle das wir uns begegnen und uns anfreunden. Klingt weit dahergeholt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, als wäre es so. Freunde waren wir noch keine gewesen.
Dafür sahen wir uns zu selten und hatten zu wenig Kontakt miteinander. Wenn wir uns sahen, dann sprachen wir kaum ein Wort. Ich wartete stets darauf, das sie mir von ihrem Tag erzählt oder von irgendwas anderem, aber meist kam nichts bis gar nichts von ihr. Dabei interessierte ich mich sehr dafür, was sie so trieb. Zumindest ging ich davon aus, das ich es wissen wollte. Seit ihrem letzten Besuch war ich stolzer Besitzer einer Pistole. Schon oft hatte ich das Teil in der Hand gehalten und mir in den Mund gesteckt. Was mich davon abhielt abzudrücken, war einfach nur die Angst, das ich mich so
unglücklich treffe, das ich hinterher stark behindert bin. Ich sah so schon keinen Sinn in meinem Leben. Was wäre, wenn ich den restlichen Teil meines Daseins in irgendeinem Behindertenheim verbringen musste. Unfähig, mich selbst zu versorgen, irgendetwas selber machen zu können. Genau das hinderte mich stets daran, mich selbst umzubringen. Zu viel konnte schief gehen. Welchen Sinn hätte mein Leben, wenn ich nichts mehr alleine machen könnte, außer das ein anderer Mensch eine Arbeitsstelle hätte, und zwar die, mich zu pflegen,bis ich die ufe an die Decke knalle? Sus hatte was. Sie war durchgeknallt,
hatte aber ein gutes Herz. Ich spürte das. Jedes mal, wenn sie bei mir war, spürte ich, das sie tief in ihrem Inneren ein guter Mensch war. Das einzige Problem war nur, das irgendwelche Vollidioten dafür gesorgt hatten, das sie psychisch gestört ist. Wer weiß was aus ihr geworden wäre, wenn sie nicht vergewaltigt und missbraucht worden wäre. Ich hatte nicht das Gefühl das sie dumm war. Sie wusste zum Beispiel, was sie an mir hatte. Das sie jederzeit zu mir kommen konnte. Bei mir duschen, essen und übernachten durfte. Und das alles für umsonst. Es war schon sehr spät gewesen, als sie zu mir kam. Ich war gerade damit
beschäftigt gewesen, mir zu überlegen, was ich mir zu essen mache. Der Hunger hatte sich ganz plötzlich eingestellt. Den ganzen Tag über hatte ich weder Appetit noch Hunger gehabt. Das kam erst, kurz bevor sie zur Tür rein kam. Als ob ich geahnt hätte, das sie kommen würde. Auf die Schnelle machte ich uns ein paar Nudeln mit Fertigsoße. Eigentlich nicht mein Fall, aber was besseres fiel mir in dem Moment nicht ein. Und nur für solche Momente habe ich Fertigprodukte im Haus. Ihr schien es zu schmecken, so, wie sie reinhaute. „Wie war dein Tag?“, fragte ich sie, als wir mit essen fertig
waren. „Wie immer.“, antwortete sie knapp, „Und deiner?“ „Genauso.“ Das war unser Tischgespräch gewesen. Kurz, knapp und nichts Aussagend. Wie bei einem alten Ehepaar, das sich nichts mehr zu sagen hat. Als sie wieder ging, hinterließ sie eine schwere Leere. Irgendwie hatte ich gehofft, das sie wieder bei mir schlafen würde. Um es noch schlimmer zu machen, legte ich alte Schlager auf. Dabei wäre es eigentlich besser gewesen, ich hätte lustige Lieder eingelegt, um meine Stimmung aufzuhellen. Aber so sind die
meisten Menschen. Wenn sie deprimiert sind, hören sie keine Musik, die ihre Laune heben könnte, stattdessen legen sie Lieder auf, die sie noch mehr nach unten ziehen. Ich nehme mich da nicht aus.
Wir sahen uns nur sporadisch. Je nachdem wie sie gerade Lust und Zeit dazu hatte. Irgendwie hatte ich mich an sie gewöhnt. Auch wenn wir nicht viel miteinander sprachen, genoss ich ihre Besuche. Sie war ein kleiner Lichtblick in meiner trostlosen Welt und meine einzige Freundin. Seit dem meine ehemals beste Freundin in ihre alte Heimat zurückgezogen war – zurück zu ihrer Familie und ihren Freunden – habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich hatte ihr ab und zu eine Kurzmitteilung geschrieben, aber es kam nichts mehr zurück. Entweder lag es an
ihrem Kerl, mit dem sie so glücklich und der meinetwegen eifersüchtig war, oder sie hatte mich schlichtweg vergessen, nachdem sie wieder mit ihren alten Freunden zusammen war. Vor dem Umzug hatte sie ja niemanden gehabt, außer dem Typen, mit dem sie da zusammen gewesen war und dessen besten Freund. Irgendwo hatte ich noch einen Kumpel. Aber der hatte meist keine Zeit. Deswegen sahen wir uns nur äußerst selten. Ab und zu schrieben wir uns via Smartphone. Aber ansonsten hatten wir nicht wirklich Kontakt gehabt. Was aber auch seine Vorteile hatte, da ich mich immer zum Saufen verleiten ließ. Es
blieb ja nie bei ein, zwei Bier. So ein Kasten war für uns zwei fast nichts. Und wir fingen ja nicht erst abends damit an, sondern schon vormittags. Wenn Sus bei mir war, trank ich keinen Schluck. Keine Ahnung, woran das lag. Es war einfach so. An einem sonnigen Tag, der ideal gewesen war, um eine ausgedehnte Tour mit dem Fahrrad zu machen, verschanzte ich mich komplett in meiner Wohnung. Das heißt, ich hatte mein Handy ausgehabt und die Klingel ausgestellt. Den ganzen Tag lag ich nackt im Bett und schaute mir ein Youtubevideo nach dem anderen an. Meine Fenster hatte ich mit dunklen
Bettlaken behangen, weil die Sonne zu grell ins Zimmer und auf meinem Bildschirm schien. Ich hatte einfach zu nichts Lust gehabt. Weder zum Aufstehen, noch zum Rausgehen. Trotz dessen verging de Zeit ziemlich flott. Ehe ich es mich versah, war es schon später Nachmittag gewesen. Ich war am Überlegen, ob ich was zum Abendessen holen gehe, entschied mich aber dagegen. Dafür hätte ich mich anziehen müssen und darauf hatte ich keine Lust gehabt. Also machte ich mir nur ein paar Schnitten. Und wie ich da so nackt dastand und mein Abendessen machte, kam Sus zur Tür rein. Ich hatte das gar nicht mitgekriegt. Ganz plötzlich stand
sie vor mir und ich lief schamrot an. „Machst du hier weiter und ich gehe mir was drüberziehen?“, fragte ich sie. „Kann ich machen.“, antwortete sie und im selben Augenblick war ich in meinem kleinen Schlafzimmer verschwunden, um keine zwei Minuten angezogen vor ihr zu stehen. „Sorry, aber ich hatte einfach nicht mit dir gerechnet.“ „Okay.“ Ihre Antworten waren wieder einmal sehr aussagekräftig gewesen, stellte ich fest, wies sie aber nicht darauf hin. Nach dem Abendessen fragte sie mich, ob sie bei mir übernachten dürfte. Natürlich bejahte ich. Gemeinsam
irgendwelche Videos schauen machte doch viel mehr Spaß und es hinderte mich daran, zu sehr an die Vergangenheit zu denken und ihr hinterher zu trauern. Oft hatte ich mich dabei erwischt, wie ich es tat und schellte mich selbst, weil ich wusste, das es mich daran hinderte im Hier und Jetzt zu leben und etwas aus mir und meinem Leben zu machen. Sus brachte mch auf andere Gedanken und das war auch gut so.
Sus lag in meinem Arm. Wieso, weshalb, das weiß ich nicht. Wir hatten uns ganz normal ins Bett gelegt, wenige Augenblicke später nahm sie meinen Arm, legte ihren Kopf auf meine Brust und meinen Arm auf sich. Ich lag stocksteif da und wusste nicht wohin mit meiner Hand. „Erzähl mir was von dir.“, forderte sie mich auf. „Was soll ich dir noch erzählen? Ich hab dir doch schon alles über mich gesagt.“, erwiderte ich. „Wieso habt ihr euch getrennt, du und
deine...“ „Woher soll ich das wissen? Eines Tages stellte sie mich vor vollendeten Tatsachen. Sagte, das es Schluss sei. Warum, weshalb, weswegen wollte sie mir nicht sagen. Sie hatte die Kinder genommen und war einfach gegangen. Seit dem habe ich sie nie wieder gesehen und keinen Kontakt mehr zu meinen Kindern gehabt. Ich hatte kein Bock auf Streit, wollte nicht, das die Kinder sich hin und hergerissen fühlten, deswegen verzichtete ich auf mein Umgangsrecht. Mir wurde vorgeworfen, das ich ein beschissener Vater ich bin und kein Interesse an meinen Kindern hätte. Ich
ließ sie in den Glauben. Denn was weiß ein Esel vom Sonntag, wenn er alle Tage Heu frisst? Sollen sie doch alle glaube, das ich null Interesse an meinen Kindern habe. Das geht mir am Arsch vorbei. Für die Wahrheit interessiert sich doch eh keiner. Ich darf noch nicht einmal wissen, wieso sich die Schlampe von mir getrennt hat. Aber zahlen darf ich. Wenn ich mich nicht irre, müsste ich noch ein paar Bier da haben. Die werde ich mir jetzt einflößen. Du kannst ja schon mal ohne mich einschlafen. Oder mir was über dich erzählen. Zum Beispiel, was so treibst, wenn nicht grad bei mir bist.“ „Es tut mir leid. Ich wollte nicht offene
Wunden stochern.“, sagte sie mitleidig. „Fuck, man. Ist doch nicht deine Schuld. Schließlich hast du dich nicht in unsere Beziehung eingemischt. Wo warst du gewesen, als alles begann? - Weit weg. Ich dachte, - hatte fest geglaubt, das ich alles überwunden habe. Wie es aussieht, habe ich mich da wohl geirrt. - Da vergehen so viele Jahre und immer noch tuts weh.“ Ich nuckelte an der Flasche und fragte mich, wann es endlich vorbei sein würde. Wann konnte ich darüber reden, ohne das es weh tat? „Es tut weh, wenn man verlassen wird. Aber noch schlimmer ist es, wenn man
nicht weiß, warum man verlassen wird. Ständig fragt man sich, was man falsch gemacht hat. Ich war kein guter Vater. Wie auch? Was hatte ich denn von meinem Vater gelernt: Sich über alles aufregen, meckern und Ohrfeigen verteilen. Genau das wollte ich nicht, habe es aber teilweise getan. Mit der Zeit wurde ich ruhiger. Dafür regte sich dann die Mutti um so mehr auf und haute schnell zu. Mein Alter erzählt immer, das er ein guter Vater war. Dabei war er nur ein Arschloch. Er war froh, wenn wir Kinder nicht in seiner Nähe waren. Beschwerte sich regelmäßig, wie viel Brote er in der Woche verbrauchte.
Dabei aßen wir Kinder vermehrt bei unseren Freunden, oder bei unseren Großeltern. Was wäre wohl gewesen, wenn wir nur zu Hause gegessen hätten? Weißt du, wie oft er mir ins Gesicht gesagt hatte, das ich nicht sein Sohn sei? Und nur, weil ich in Sport eine Null war und weil er alles so scheiße erklärt hatte, das ich nie kapierte, was er von mir wollte. Dann behaupten, das er ein guter Vater gewesen sei. Ich weiß, das ich als Vater versagt habe und bereue es.“ „Du hattest es auch nicht leicht gehabt.“, bemerkte sie. „So weit ich weiß, wurde ich nie missbraucht, so, wie du. Ich habe aber
auch sehr viel verdrängt. Leider kommt vieles wieder ans Tageslicht, wenn ich einen saufe. Und saufen tue ich öfters. Etwas, das ich ihm nicht nachmachen wollte, wie so vieles andere auch. - Was dagegen, wenn wir das Thema komplett wechseln?“
„Hättest du was dagegen, wenn ich ein paar Freundinnen mitbringen würde?“
Elende Drecksau, dachte ich, nur weil sie eine Behinderung hatte, glaubte sie, das sie sich alles erlauben durfte. Stellte sie sich einfach in den Weg und ließ niemanden durch. Warum war ich überhaupt in den kleinen Laden gegangen? Ach ja, wegen einer Packung Käse und einem Päckchen Wurst. Aus irgendeinem Grund wollte ich Großpackungen haben und war deshalb in jenen Laden gegangen. Da war vieles ein bisschen günstiger, als im Supermarkt. Dafür war auch mehr Inhalt pro Packung und es war nicht immer alles Sortenrein. Zum Beispiel die
Salami; die Packung enthielt verschieden große Scheiben. Die konnten mit Truthahn sein, aus Pute, Schwein, oder Rind beziehungsweise gemischt. Wer sich wirklich damit auskannte, konnte wahrscheinlich erkennen, welche Scheibe aus welchem Tier gemacht wurde. Mir war es Wurst, da ich eh keinen Unterschied herausschmecke. Jetzt weiß ich wieder, warum ich die Großpackungen haben wollte; wegen Sus. Sie hatte ja angefragt, ob sie ihre Freundinnen mitbringen darf. Ich hatte sie darum gebeten, mir Bedenkzeit zu geben. So recht wohl war mir bei dem Gedanken nämlich nicht gewesen.
Andererseits hätte ich vielleicht wieder einen Sinn in meinem Leben, überlegte ich. Außerdem hatte ich keinen richtigen Freunde mehr gehabt. Als ich noch Teenager war, hatte ich regelmäßigen Umgang mit Kleinkriminellen. Das lag irgendwie in der Familie, da meine ältere Schwester und deren beste Freundin sich ziemlich ausschließlich mit solchen Menschen abgegeben hatten. Daher weiß ich auch, wie es wirklich im Gefängnis war. Ihre Freunde hatten ja des öfteren darüber berichtet. Und so, wie es rüberkam, wundert es mich nicht, das neun von zehn wieder rückfällig werden. Ich wägte das Pro und das Kontra ab.
Sus wollte ja ihre Freundinnen nicht nur einfach mal mitbringen. Zwar hatte sie es so ausgedrückt, aber ich war mir sicher gewesen, das sie nicht nur auf einen kurzen Besuch zu mir kommen sollten. Was hatte ich zu verlieren, fragte ich mich. So lange ich auch darüber nachdachte, mir fiel nichts ein. Also fragte ich mich, ob ich etwas gewinnen könnte. Spontan kam mir in den Sinn, das es ein Schritt wäre, ein guter Mensch zu werden. In meiner Laufbahn als Mensch, habe ich schon einigen Blödsinn angestellt, den ich abgrundtief bereue. Und das wollte ich irgendwie wieder gut machen. Wer weiß schon,
was danach kommt. Vielleicht gibt es ja doch so was wie eine Hölle. Wahrscheinlicher ist aber, und daran glaube ich ganz fest, das wir alle wiedergeboren werden. Im nächsten Leben hätte ich schon gern mehr Glück, als in diesem. Als ich frustriert zu Hause ankam, erwartete mich ein kleiner Schock. Vier Mädels waren in meiner Küche versammelt. Eine davon war Sus. „Deine Freundinnen?“, stellte ich mehr fest, als ich das fragte. Nett sahen sie ja aus. Besonders die Eine. Ihr Blick verpasste mir Gänsehaut. Sus stellte sie mir als Kieferbruch vor. Jene Dame sprach nicht viel. Vor ihr
musste man sich aber in acht nehmen, ansonsten endete es übel. Wenn sie vor einem stand und „Kieferbuch“ sagte, war es zu spät, um sich noch in Sicherheit zu bringen, denn dann hatte man schon ihre Faust im Gesicht und einen Kieferbruch. So kam sie auch zu ihrem Spitznamen. Killerbabe war irgendwie süß. Vor einiger Zeit hatte sie ein Messer in den Leib ihres Stiefvaters gerammt. Seit dem wurde sie Killerbabe genannt. Nachdem sie erfahren hatte, was ihr Stiefvater ihrer besten Freundin angetan hatte, war es mit ihr durchgegangen. Schweinchen war die letzte im Bunde. Sie sah ziemlich jung aus, war aber etwa
so alt, wie Killerbabe und deren beste Freundin, seit dem Kindergarten. Früher hatte sie öfter lachen können. Das klang stets so, wie, wenn ein Schwein grunzt. Aber nach dem Killerbabes Stiefvater sie missbraucht hatte, war ihr das Lachen vergangen.
Mir war nicht gerade Wohl gewesen, bei dem Gedanken, solche Menschen unter meinem Dach zu haben. Aber ich hatte vertrauen zu Sus. Glaubte, das sie dafür sorgte, das mir die anderen nichts taten.
„Ich vermute mal, das ihr für unbestimmte Zeit bei mir wohnen wollt.“
Nach einem gemeinsamen Abendessen eröffnete ich ihnen, das ich damit einverstanden wäre, das sie für ein paar Tage bei mir bleiben dürften; aber nur unter der Bedingung, das sie mir mit im Haushalt helfen und sich an meine Regeln halten. Sie erklärten sich für einverstanden. Nun konnte ich nur noch beten, das ich mich richtig entschieden hatte. In jener Nacht bekam ich kein Auge zu. Jeden Augenblick rechnete ich mit dem Schlimmsten. Sus lag neben mir und schnarchte leise. Ihre Hand lag schwer auf meinem Brustkorb. Immer wieder
fragte ich mich, ob es nicht doch ein Fehler war, die Mädchen bei mir aufzunehmen. Schließlich kannte ich sie nicht. Außerdem hatte die Eine den Zwang anderen den Kiefer zu brechen und die andere hatte schon mal jemanden erstochen. Dann dachte ich aber wiederum, das ich den Mädels vielleicht helfen könnte. So weit ich mitbekommen hatte, hatten sie nur sich. Vielleicht konnte ich ihnen ja wirklich helfen, was aus sich zu machen. Sie daran hindern, das sie eines Tages im Gefängnis landen. Vor ein paar Jahren habe ich jemanden geholfen, das sie ihren Schulabschluss schafft. Paare blieben meinetwegen zusammen,
nachdem ich ihnen ein paar Tipps gegeben hatte. Der Einfachste war, miteinander zu reden und gegenseitig zuzuhören. Einfach, aber hilfreich. Manch Kerl war kochte vor Eifersucht, weil ihre Damen zu mir kamen und mit mir sprachen, was mich nicht wunderte, weil ich gut im Zuhören war. Wenn man ein Lebtag immer nur zugequatscht wird und nicht zu Worte kommt, verlernt man das Sprechen, kann aber um so besser zuhören. Irgendwann übermannte mich dann doch der Schlaf. Ich träumte irgendwelchen Blödsinn zusammen, der mich schnell wieder aufwachen ließ. Danach hatte ich keinen Bock mehr, weiter zu schlafen
und stand leise auf, schaute nach den anderen drei Mädels und war überrascht, wie friedlich sie schliefen. Leider konnte ich ihnen keinen anderen Schlafplatz, als den Fußboden anbieten. Ich hatte nichts weiter, außer einen Haufen Mist, der mir im Weg lag und von dem ich nicht wusste, wieso ich ihn hatte und warum er noch da war. Oft hatte ich mir vorgenommen Klarschiff zu machen und mich von allem unnötigen Ballast zu trennen. Es lag alles auf dem Fußboden und machte aus meinem Wohnzimmer eine Müllhalde. Mich störte es ungemein, aber ich fand keinen Anfang. Wusste nicht, was ich noch gebrauchen und was ich auf jeden
Fall wegschmeißen konnte. Zwischendurch hatte ich es ab und an geschafft, mich von einigem Unrat zu trennen. Man hatte aber, außer in der Mülltonne, nichts davon gesehen. Ich machte mir Kaffee und legte mich dann wieder ins Bett, schaltete meinen Laptop ein und spielte ein wenig. Wartete darauf, das die Mädels aufwachten. Hoffte, das sie die Lösung für mein Wohnzimmerproblem waren. Es war ja auch in ihrem Sinne. Ihnen war es bestimmt lieber, in einer sauberen Umgebung zu leben und zu schlafen, als zwischen herumliegenden, wertlosen Zeug. Außerdem war es ja Bedingung
gewesen.
Der Gedanke, das sie mir mit meiner Stuben helfen und ich bald eine richtige Stube hatte, erhellte meine Stimmung. Vorfreude stieg in mir auf. Meine Bedenken, das es vielleicht ein Fehler war, die Mädels bei mir aufzunehmen, waren verschwunden. Kurz gesagt; ich hatte ein natürliches Hoch.
„Danke, das du uns bei dir wohnen lässt.“, flüsterte Sus. „Enttäuscht mich nicht, ansonsten bringe ich mich vor euch um. Das ist keine leere Drohung. Ich habe es endgültig satt verarscht und ausgenutzt zu werden. Zu oft hatte ich vertraut und wurde dafür bestraft. Wenn ich merke, das ihr nicht besser seid, mache ich Schluss. Was hält mich denn noch am Leben? Alles, wofür es sich gelohnt hatte zu leben, habe ich verloren. Für immer und ewig. Jetzt seid ihr da und ich weiß, das ihr Hilfe benötigt. Das außer mir keiner bereit ist euch zu
helfen. Wenn ihr das Vertrauen, das ich zu euch habe, zerstört, habt ihr mich auf euer Gewissen. Noch mehr Enttäuschungen und Niederlagen verkrafte ich einfach nicht.“ Sus antworte nicht darauf. Ihr Kopf lag auf meinem Brustkorb und ich spürte, wie sie tief atmete und in Gedanken war. Ich hatte meinen arm um sie gelegt und roch an ihrem Haar. Ganz bestimmt sah es so aus, als wären wir ein Paar. Aber das waren wir nicht. Wir waren nur Freunde. Mehr nicht. In der Nacht plagten mich Alpträume. Irgendwann hatte ich so die Schnauze voll, das ich leise aufstand, in die Küche ging und mir ein Bier aufmachte.
War das die Strafe dafür, das ich vier Mädchen ein Obdach und Verpflegung gab, fragte ich mich. Es graute schon ganz leicht, als ich mein erstes Bier ausgetrunken hatte. Wie es oft der Fall gewesen war, bekam ich danach Appetit. Deswegen öffnete ich mir eine zweite Flasche. Die floss schon etwas schneller. Nach dem ich diese Flasche geleert hatte, dachte ich nicht weiter nach, sondern machte gleich die dritte Flasche auf. Die Wirkung machte sich auch schon langsam breit. Kein Wunder, schließlich hatte ich nichts im Magen und ich ließ die Biere doch relativ flott fließen. Ich hätte noch weitergemacht, aber ich
hatte nichts mehr dagehabt und da es noch ziemlich früh am Morgen war, legte ich mich zurück ins Bett. Ganz vorsichtig kuschelte ich mich an Sus und genoss ihre Wärme. Freute mich, das sie mich nicht von sich stieß. Aber schon nach kurzer Zeit war ich wieder hellwach. Da die Mädels noch tief und fest schliefen, dachte ich, ich mache ihnen eine Freude und stiefele zum Bäcker, während der Kaffee durch die Maschine läuft. Ein paar frische Brötchen und dazu frisch gebrühter Kaffee ist doch ein guter Start in den Tag, oder etwa nicht? Kurz nachdem ich vom Bäcker zurück
war, standen sie am Bad an. Drei hübsche, nackte Beinpaare, von denen ich die Finger lassen musste, da ich sonst Gefahr lief, sie zwischen meinem Beinpaar zu spüren. Außerdem fehlten noch ein bis zwei Jahre bis zur Volljährigkeit. Man sah es ihnen zwar nicht an, aber es war so. Es war ein seltsames Gefühl, als wir gemeinsam an einem Tisch saßen und frühstückten. Einerseits fühlte ich mich zu jeder einzelnen hingezogen, andererseits kam ich mir wie das Familienoberhaupt vor. Als Vater, der vier. Ich hasste das Gefühlschaos. Mussten sie auch so attraktiv sein? Ich hätte es nicht zulassen sollen, das sie
sich bei mir duschen. Dadurch war der ganze Dreck abgebröckelt und ihre Haare hatten neuen Glanz bekommen. „Mädels! Da keiner wissen darf, wo ihr seid, werde ich auf meinen Namen zu einer Verteilerfirma gehen. Heißt, das ihr Zeitungen austragt und ich das Geld bekommen werde, welches ich dann unter uns fünf verteilen werde. Es sind zwar nur 100€, die wir dann mehr haben werden, weil ich ja nicht mehr dazu verdienen darf, aber immerhin. Ich möchte euch auch darum bitten, das ihr Ausschau nach Pfandflaschen haltet, während ihr die Zeitungen austragt. Ich kümmere mich währenddessen darum, das ich eine Festeinstellung bekomme.
Die Chancen sind gering, aber ich werde alles versuchen. Schließlich habe ich eine Familie zu versorgen.“ Mein Schlusssatz ließ sie schmunzeln. Es gab keine Widerrede, weil ich sagte, das ich mich anmelde und sie die Arbeit machen werden. Das freute mich. Das mit den Zeitungen austragen, war eine Spontanidee gewesen. Zwischen Brötchen und Kaffee hatte ich plötzlich den Gedanken gehabt. Zuerst hatte ich ihre nackten Beine vor mir. Daraufhin fiel mir ein, das Frauen mehr Unterwäsche brauchten, als Männer. Shirts und Shorts konnte ich ihnen bieten, aber keine Oberteile. Und bei der Gewichtsverteilung, die sie vorzuweisen
hatten, war es besser, wenn da noch ein Stück Stoff benutzen würden.
Superlehrling Lass dich überraschen |