Kurzgeschichte
Mädchengang

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"Sie kamen, schlugen, traten, schrien und zogen überrascht ab"
Veröffentlicht am 02. Juni 2016, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Sie kamen, schlugen, traten, schrien und zogen überrascht ab

Mädchengang

Titel

Wie irre und krank ich wirklich bin, habe ich vor einigen Wochen feststellen dürfen, als eine kleine Schar Mädchen auf mich zukam. In einem Buch versunken, saß ich auf einer Bank. Das Wetter war voll nach meinem Geschmack. Etwas über 293,16 Kelvin. Also nicht zu warm und nicht zu kalt. Meinen Job hatte ich am Tag zuvor verloren. Begründung: Zu langsam. Es stimmte schon, das ich ziemlich langsam gewesen war. Aber zu meiner Verteidigung, es war mein erster Tag gewesen. Ich musste mich erstmal in die Materie reinfitzen. Meine neuen

Kollegen machten das schon seit Jahren. Deswegen waren sie automatisch schneller, als ich. Man kann doch von mir nicht erwarten, das ich innerhalb von wenigen Minuten genauso schnell bin, wie jemand, der jahrelange Übung darin hat. Im Job davor war es ebenso. Der Typ, der mich angeleitet hatte, sagte zu mir, das er zehn Jahre Übung darin hat. Von mir hatte er verlangt, das ich das in weniger als zwei Stunden hinkriegen muss, weil dann die Stoßzeit kam. Natürlich habe ich es nicht gepackt und durfte somit gehen. Nachdem mich zwei Firmen nie wieder sehen wollten und mich aus dem selben Grund entlassen hatten, war meine Zeit

als Zeitarbeiter schon wieder um. Mich hatte es nicht interessiert. Ich hatte etwas neues gesehen und gelernt und war irgendwie froh, es nicht länger machen zu müssen. Zu viel sinnloser Stress. Was war denn, nach dem wir das Sol erreicht hatten? Wir haben geputzt und dann fast eine Stunde auf den Feierabend gewartet. Vorher gehen, war nicht drin. Gammeln kann ich auch zu Hause. Da laufe ich wenigstens nicht Gefahr, irgendwann umzukippen, weil der Stress zu hoch ist. (Hätte ich die Raucherpausen durchgemacht, wie ich es wollte, anstatt mich überreden zu lassen, mit vor die Tür zu kommen, wären wir noch eher fertig geworden

und hätten noch länger gammeln müssen.) Nach meiner Neuanmeldung beim Arbeitsamt beschloss ich, nicht gleich wieder nach Hause zu fahren, sondern das herrliche Wetter zu genießen. Wer weiß schon, wann das wieder vorkommt. Meist ist doch irgendwas. Entweder zieht es eklig, oder es ist irgendwas anderes. Während ich so dasaß und in meinem Buch las, vergaß was gewesen war, kamen ein paar Mädchen. Hübsch sahen sie irgendwie aus. Aber hinter der schönen Fassade waren sie tiefschwarz. Ehe ich es mich versah, fiel ich rücklings von der Bank und hatte einen

Fuß im Rücken. Die Mädels gingen mich einfach an, obwohl ich sie weder kannte, noch denen was getan hatte. Und da ich als Mann gelte, durfte ich mich nicht wehren. Hätte ich mich gewehrt, wäre irgendwer gekommen und hätte sich darüber aufgeregt, weil ich Frauen schlage und hätte wahrscheinlich auch noch zugeschlagen. Deshalb blieb ich einfach am Boden liegen und ließ mich treten. Seltsamerweise verspürte ich keine Schmerzen. Das freute mich. Mein Rucksack polsterte mich ja ein wenig. Aber nur am Rücken, der eh schon seit Jahren einen irreparablen Schaden hatte. Als ich so am Boden lag und mich treten

ließ, hoffte ich, das sie es richtig taten. Oder anders ausgedrückt; ich hoffte, das dies mein letzter Tag auf Erden war. Denn ich hatte alles verloren, was ich lieb gewonnen hatte. Und mit der Kündigung hatte ich auch meine Hoffnung verloren. Ich sah nirgends ein Lichtblick. Keinen Grund weiter am Leben zu bleiben. Für was und für wen? Wie unschwer zu erkennen, hörten sie vorzeitig auf. Zerrten an meinem Rucksack, der nur ein paar wichtige Dokumente enthielt und zogen mir das Portemonnaie aus meiner Gesäßtasche. Erziehung hatten sie keine. Das merkte ich daran, das sie meine ganzen Papiere einfach durch die Gegend schmissen.

Hinterher beschwerten sie sich bei mir, da ich nur ein paar Cent einstecken hatte. Sah ich so aus, als hätte ich Geld? Dann sagte ich etwas, wo ich mich immer noch frage, wie ich darauf kam: „Darf ich dich trotzdem zum Essen einladen? Vielleicht leiht mir ja jemand was.“ Doch anstatt einer Antwort, bekam ich nur einen Tritt. Und nur, weil ich von einer Schar Mädchen öffentlich zusammengetreten und ausgeraubt wurde, heißt es nicht, das weit und breit keine andere Menschenseele war. Denn als ich langsam aufstand, sah ich einige Gesichter. Einer half mir meine Papiere,

wie Personalausweis, zusammenzusuchen. Der Rest hatte genug gesehen und ging wieder seiner eigenen Wege. Mit Schmerzen im Herzen und Gebein, setzte ich mich wieder auf die Bank und las weiter. Mein Buch sah zwar ziemlich mitgenommen aus, wie ich, aber es war noch lesbar.

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