Titel
Weihnachtszeit, Freudenzeit.
Es war alles geplant. Schon Monate im voraus. Obwohl er kein Geheimnis daraus gemacht hatte, kam es für die anderen ganz überraschend. Zumindest für seine Familie. Freunde hatte er keine gehabt. Bis auf einen. Aber der wohnte schon lange nicht mehr in seiner Nähe. Vor Jahren musste er mit seiner Familie wegziehen. Der Abschied war ihm nicht leicht gefallen. Schließlich waren sie die allerbesten Freunde gewesen. Von seiner Familie hatte er kein Verständnis erhalten. Von denen bekam er nur zu hören: „Du wirst neue Freunde finden.“
Wie mitfühlend doch seine Familie war.
Er verstand nicht, warum der Vater, seines besten Freundes, einen Job, so weit außerhalb, annehmen musste. Von seinen Eltern Eltern bekam er keine Antwort auf seine Frage. Sie meinten nur, das es nun mal so ist. Das man da nichts ändern kann. Ende der Debatte. Er fühlte sich allein auf dieser Welt.
Kein Tag verging, an dem er nicht an seinen besten Freund dachte. Er fehlte ihm so sehr. Mit ihm konnte er über alles reden. Dieser Junge war der der Einzige, dem er vertrauen konnte. Jener hatte ihm zugehört und Aufmerksamkeit geschenkt, was er von seiner Familie nicht behaupten konnte. Bis auf seine
Großmutter vielleicht. Sie war anders, als der Rest seiner Familie. Bei ihr fühlte er sich wohl. Geliebt. Erwünscht. Doch eines Tages...
Das war ein rabenschwarzer Tag gewesen. Genau an Heiligabend, als sie gerade dazu übergingen Geschenke auszupacken, bemerkten sie, das die alte Frau kein kurzes Nickerchen hielt, sondern für immer eingeschlafen war. Von dem Augenblick an, als er erfuhr, das seine geliebte Oma nicht mehr war, bis zum Bewusstsein, das sie gestorben war, vergingen Wochen. Etwa zu Frühlingsanfang war es komplett durch ihn durchgesickert. Seine Großmutter hatte das Zeitliche gesegnet und würde
ihn nie wieder an ihre Brust drücken und ihm Liebe schenken. Er war vollkommen allein auf dieser Welt.
Nah dem Weggang seines besten Freundes, hatte er zwar neue Freunde gefunden, aber die waren anders gewesen. Sie interessierten sich nicht für seine Probleme. Einmal hatte er ihnen gesagt, das er sich umbringen wolle. Niemanden hatte es interessiert. Keiner hatte darauf reagiert. Sie zogen an ihren Zigaretten und fühlten sich cool. Dabei sahen sie saudämlich damit aus.
Ein paar Tage hing er noch mit ihnen herum. Danach kapselte er sich immer mehr von ihnen ab. Niemand schien es
zu bemerken oder zu stören. Wahrscheinlich war er eh nur ein lästiges Anhängsel gewesen, dachte er sich.
Ein einziger Lehrer bemerkte seine Veränderung und kam auf ihn zu. Sie redeten lange. Sein Lehrer zeigte Verständnis und Mitgefühl. All das, was er von seiner Familie erwartet hatte. Es hatte ihm gutgetan, sich alles von der Seele reden zu können. Doch geholfen hatte es nichts. Zu tief war alles verankert gewesen. Die Trauer und der Schmerz weilten schon zu lange in ihm.
Genau ein Jahr, nach dem Tod seiner Großmutter, saß er im Wohnzimmer und zählte die Minuten. Gleich werden sie die
Geschenke öffnen, dachte er sich und verkniff sich ein Lächeln. Zwar wurde er, wie üblich, nicht wirklich beachtet, aber er wollte kein Risiko eingehen. Er hatte alles ganz genau ausgerechnet. Wenn sein Plan funktionierte, dann...
Es war Zeit, die Geschenke auszupacken. Alle standen auf und setzten sich unter den Baum. Bis auf einen. Lächelnd saß er im Sessel, mit Blick auf die Geschenke und hatte aufgehört zu atmen. Als jeder sein Geschenk ausgepackt hatte, blieb noch ein Päckchen über. Das war der Augenblick, als sie merkten...