Einleitung
Eine alte Schlacht wurde wieder entflammt. Der Erbe des Imperiums ist verschollen. Und das Ende scheint gekommen. Während die Anhänger des Herrn der Ordnung das Kaiserreich in die Knie zwingen wird Galren Lahaye von Visionen geplagt, die ihn an den Rand des Wahnsinns treiben. Gejagt von den Kultisten des roten Heiligen, muss er erkennen, dass der der erste Unsterbliche ganz eigene Pläne mit ihm hat. Genauso, wie für den Sohn des Kaisers…
Und während Galren noch nach einer Lösung sucht, scheint der Kampf bereits
so gut wie verloren , denn als der Kaiser die Männer Cantons für eine letzte Schlacht Sammelt, kehrt ein weiterer alter Feind zurück. Und grade dieser könnte sich als letzte Rettung erweisen. Doch um welchen Preis? Der Kampf um das Schicksal Cantons wird zu einem um das Schicksal allen Lebens…
Währenddessen nimmt auch der Aufruhr unter den Zwergen immer mehr zu. Jetzt wo sie ihr neues Land verloren haben, ohne es je zu sehen, zerbricht der wenige Zusammenhalt zwischen den Häusern immer mehr und der neue König Hadrir Silberstein steht vor der Herausforderung, seine Leute für die kommende Schlacht zu einen… oder
alles zu verlieren.
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Kapitel 3 Das Lager
Im flackernden Schein des Feuers saß eine bunte Truppe zusammen. Männer des Kaisers und Flüchtige Bürger saßen neben Magiern aus Maras und den überlebenden Paladinen Helikes. Die Männer in ihren purpurroten Mäntel hätten einmal beide Seiten mit Schrecken erfüllt, nun jedoch saßen sie alle schwermütig und schweigend um die Flammen herum. Es war so still, sie hätte auch alleine dasitzen können, dachte Relina betrübt. Irgendwo klimperte Metall im Wind und einige Kleider flatterten an den zwischen den Zelten aufgespannten Leinen. Ansonsten
jedoch tat sich nichts.
Die Nächte waren bereits merklich Kälter geworden. Der Herbst näherte sich seinem Ende und der erste Schnee wäre wohl nicht mehr weit. Doch noch hielt sie das nicht davon ab, sie draußen vor den Zelten zu versammeln. An den lodernden feuern, die sie entfachten war es nach wie vor Warm genug und unter den schweren Stoffplanen war es zu eng und zu stickig um sich länger freiwillig dort aufzuhalten. Und niemand wollte in diesem Zeiten unbedingt mit seinen Gedanken alleine sein, dachte Relina, während sie dabei zusah, wie erneut jemand einen Stapel Holzscheite in die Flammen war und diese Knisternd Feuer
fingen. Immerhin daran mangelte es ihnen bestimmt nicht. Die Wälder waren nicht fern und trotz des näher rückenden Winters waren größere Regenschauer bisher ausgeblieben. Somit brauchten sie das Holz nur vom Boden aufzuklauben oder einige der dünneren Bäume zu Fällen. Auch in den Wäldern war das Ende des Sommers bereits deutlich zu spüren. Die einzigen Bäume, die noch grün trugen, waren die vereinzelten Fichten und Tannen, alle anderen Blätter schimmerten bereits in allen Schattierungen von Rot, Gold und braun.
Immerhin würde der Winter vielleicht Frieden bringen, dachte Relina. Es war
riskant, bei Kälte und Schnee Truppen zu bewegen. Andererseits hatte der rote Heilige bereits auf Maras bewiesen, wie wenig ihm das Leben seiner Anhänger bedeutete.
Es war wohl wirklich nur eine schwache Hoffnung. Und doch was war ihnen außer der Hoffnung schon noch geblieben? Und selbst diese Schwand täglich mehr. Relina hörte es aus den Gesprächen heraus, aus den geflüsterten Gerüchten.
Die überlebendenden Paladine und Krieger Helikes standen mutlos um die großen Zelte und Feuer herum, die man um die ganze fliegende Stadt herum errichtet hatte. Die schweren Planen aus
braunem Stoff boten zumindest vor der Witterung Schutz, aber schön war es nicht, dachte Relina. Oder bequem. Und wenn erst der Schnee kam würde auch die Kälte endgültig zum Problem werden. Mit dem stetigen Zustrom gab es schon jetzt kaum genug Platz für alle, so dass sie bereits begonnen hatten, das innere der einzelnen Zelte mit Vorhängen und Teppichen abzutrennen um wenigstens etwas Privatsphäre zu schaffen. Nur damit sie dann doch alle draußen Zuflucht suchten.
Der große Schatten der fliegenden Stadt über ihnen bewegte sich nur kaum merklich. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatte man die Stadt auf
ihrer ewigen Wanderschaft so weit gebremst, das sie beinahe still zu stehen schien. Wenn es noch ein Zeichen dafür gebraucht hätte, dass etwas nicht stimmte, war es das wohl.
Von den weiter entfernten Feuern wehte Essensduft herüber. Immerhin hatten sie noch genug Vorräte um wohl bis zum Frühjahr durchzuhalten, wenn es nötig wurde. Die Schakalin versuchte dankbar dafür zu sein, es gelang ihr jedoch nicht wirklich. Die fliegende Stadt verfügte über gewaltige Vorräte und Speicher, schon alleine um die Garde im Fall einer Belagerung versorgen zu können. Und es war seit jeher kein Problem gewesen, die Stadt auf ihrem ewigen Weg aus dem
Umland zu versorgen. Zumindest das hatte sich nun geändert. Es war eine Sache, wenn die fliegenden Inseln jeden Tag ein gutes Stück weg gut machten und sich die Last damit auf dutzende wen nicht hunderte von Bauern verteilte. Nun jedoch wo sie stillstand war sie praktisch abgeschnitten. Sie würden vielleicht nicht verhungern, doch das Schwert mochte immer noch auf sie warten.
Und es waren nicht nur ihre eigenen Leute, die sich hierher geflüchtet hatten. Auch aus Erindal und den gesamten östlichen Provinzen kamen Leute um bei ihrem Kaiser Schutz zu suchen. Und selbst aus Helike waren einige hundert
eingetroffen… und brachten furchtbare Geschichten mit sich. Die Befreiung, die sich so viele erhofft hatten war nicht gekommen. Stattdessen hatte der rote Heilige die Stadt den dort zurück bleibenden Predigern und Geweihten überantwortet. Und wo die Prediger wohl zumindest noch eine Herrschaft nach dem Bild ihres Gottes errichtet hätten, hatten die Geweihten kaum etwas dafür übrig. Es hatte keinen Monat gedauert, bis selbst die Prediger sich ihnen beugten oder starben, von der Schreckensherrschaft, die sie für die normale Bevölkerung entfesselten ganz zu Schweigen. Selbst viele von jenen, die sich zuvor gegen ihre Archonten
gestellt hatten, wendeten nun der Stadt dem Rücken, während immer klarer wurde, das die Pläne des roten Heiligen nicht vorsahen, schnell die erhoffte Ordnung zu schaffen. Sie waren enttäuscht worden oder flohen schlicht vor der Brutalität ihrer neuen Herrn…
Und sie waren genau so verzweifelt wie sie alle.
Vor einigen Wochen noch hätte es Relina kaum gekümmert, was aus Helike wurde. Und schon ganz sicher nicht, was aus seinen Soldaten wurde. Die Paladine hatten sie und ihre Leute Jahrelang gejagt und getötet. Doch nun… Auf Maras hatten sie unter Wys ihr Leben für sie riskiert ohne zu zögern. Hatten Seite
an Seite mit ihnen gekämpft um jene zu retten, die sie Jahre zuvor noch verdammen wollten. Wie sehr sich die Dinge doch ändern konnten. Vielleicht musste auch sie lernen über ihren Schatten zu springen. Was auch immer geschehen mochte, sie teilten jetzt das gleiche Schicksal…
Immerhin trugen die Paladine dazu bei, die Ordnung im Lager aufrecht zu erhalten. Mit so vielen Menschen und Gejarn auf engstem Raum waren Schwierigkeiten kaum zu vermeiden, von Verbrechen ganz zu schweigen. Doch unter den starren Blicken der Männer aus dem Süden in ihren schweren Vollpanzern und den Lanzen
und Schwertern blieb es erstaunlich ruhig.
Nun noch zumindest. Relina wollte sich gar nicht vorstellen, was geschah, wenn der rote Heilige und seine Kultisten sie hier angriffen. Die fliegende Stadt selbst war uneinnehmbar. Oder zumindest so gut wie. Doch wäre es schlicht unmöglich auch nur ein Viertel der Leute dort unterzubringen und das Lager selbst war mehr als nur angreifbar. Es gab praktisch keine Möglichkeit sich zu verteidigen.
Syle, Kellvians Hochgeneral hatte nur erklärt, das der rote Heilige schon dumm sein müsste, die fliegende Stadt direkt anzugreifen, Lager hin oder her. ,,
Selbst die Kultisten sind dafür bei weitem nicht stark genug, das könnt ihr mir glauben. Seit mehr als zweihundert Jahren hat kein Feind mehr die fliegende Stadt betreten können und nie, seit die kaiserliche Garde sie beschützt. „
Ihr blieb wohl nur zu hoffen, dass der Bär Recht behalten würde. Und mehr konnte sie auch ihren Leuten nicht sagen, wenn sie sie Fragend ansehen. Ob sie ihren Posten im Rat aufgegeben hatte oder nicht für die meisten war sie nach wie vor die Herrin von Maras. Und sie erwarteten Antworten von ihr. Und doch was sollte sie ihnen sagen? Leider sah die Wahrheit tatsächlich düster aus und es hatte keinen Sinn darüber zu Lügen.
Doch sie hatten schlimmeres durchgemacht, daran konnte sie sie zumindest erinnern. Während ihrer Verfolgung durch die Archonten und auch in den Jahren danach, in denen sie sich aus dem Nichts eine neue Heimat geschaffen hatten. Und auf Kellvian konnten sie sich wohl nach wie vor verlassen.
Relina lächelte unbewusst bei dem Gedanken, während sie erneut Holz nachlegte. Funken stoben auf und tanzten einen Moment durch die Nacht, bevor ein Windhauch sie in den engen Gassen und den gespannten Seilen zwischen den Zelten verwehte.
Kellvian hatte sich weit von dem jungen,
naiven Mann entfernt, den sie einst kennen gelernt hatte. Und den sie, wenn sie ehrlich war vielleicht auch manipuliert hatte. Nein nicht nur vielleicht. Sie hatte in ihrem Leben so einige Leute ausnutzen müssen. Angefangen von den Whaid. Es war Kellvian gewesen, der Maras die Anerkennung durch das Kaierreich zusicherte. Das hatte alles überhaupt erst möglich gemacht. Und jetzt zwanzig Jahre später stand sie wieder vor dem Nichts. Maras lag in Trümmern. Wys war tot und Zyle… Wer wusste schon ob er noch am Leben war. Vielleicht war das am Ende die Vergeltung für alles?
Bevor sie noch länger darüber
nachsinnen konnte, setzte sich eine Gestalt neben sie. Naria wirkte kaum wenige erschöpft als sie. Aber immerhin war es Gesellschaft, dachte Relina. Nein, in diesen Zeiten wollte wirklich niemand mit seinen Gedanken zu lange alleine sein. Besorgt musterte sie ihre Tochter. Die junge Gejarn trug einen grauen Mantel, der ihr etwas zu groß war und ihre Gestalt damit zierlicher wirken ließ, als sie eigentlich war. Graues Fell und braune Haare lugten unter der Kapuze hervor, während sie mit einem Stab in den Flammen stocherte.
Wys hatte Relina nie viel bedeutet,. Am Ende hatte sie ihm vielleicht nicht mehr den Tod gewünscht, doch Trauer hatte
sie für ihn nicht verspürt. Aber Naria… Irgendwie hatte sie sich mit ihrem Onkel angefreundet, in den Wochen, die sie vor dem Fall der Stadt in Helike verbracht hatte. Und es war nicht nur der Tod des Archonten, der ihr zu schaffen machte, nicht?
,,Egal wie schlecht es steht, manchmal muss man einfach hoffen.“ , meinte sie um zumindest etwas zu sagen. Ihr war klar, wie hohl diese Phrase klang. Sie glaubte sie ja selber nicht. Doch war sie genauso Ratlos, wie sie sonst beginnen sollte.
,, Das ist es nicht.“ Naria stieß ein glühendes Holzscheit mit dem Stock an, das nach unten Rutschte und einen
kleinen Funkenschauer freisetzte. Nein, dachte Relina. Das war es wirklich nicht.
Nach außen gab Naria sich noch immer so stoisch und gelassen wie stets. Und vielleicht konnte sie andere damit täuschen, aber nicht sie. Nicht ihre Mutter.
,, Kannst du mir von ihr erzählen ?“ Sie wusste nur zu gut, wie schwer es Naria fiel Schwäche zu zeigen. Oder sie sich auch nur einzugestehen. Aber sie konnten nicht so weitermachen.
,,Wem ?“ Naria sah kaum von den Flammen auf, doch zumindest huschte der Anflug eines Lächelns über ihre Lippen. Wie lange war es her, dass sie sich einmal in Ruhe hatten unterhalten
können? Monate, dachte Relina . Zuerst hatte sie sich in Canton Galren und den anderen angeschlossen und war Wochenlang auf See verschollen und als sie zurückgekehrt war, kam auch schon Wys um sie um Hilfe zu bitten. Vom allen, was seit dem geschehen war ganz zu schweigen.
,, Ihr Name war Sine ? Du hast sie geliebt, nicht?“
Einen Moment verschwand der stoische Ausdruck von Narias Gesicht. Was darunter zum Vorschein kam, schien so viel von Relina selbst widerzuspiegeln und noch mehr. Sie konnte ihr den Schmerz ansehen, die Trauer, alles was sie sonst so sorgfältig vor allen
verbarg…. Noch bevor sie jedoch dazu zukam, zu antworten wurde es am Feuer plötzlich unruhig. Hatten eben noch alle regungslos und still am Feuer gesessen, so drehten sich jetzt alle Köpfe in Richtung einer der größeren Gassen, die zwischen den Zelten hindurch führte. Am anderen Ende konnte man normalerweise einen Blick auf die Hügel und Wälder um das Lager herum erhaschen. Nun jedoch stand dort eine einzelne Gestalt, die langsam ins Licht trat.
Ihr Herz schien einen Moment aussetzen zu wollen, als sie ihn sah. Er war abgemagert, kaum mehr Haut und Knochen, seine Kleidung abgetragen und
mit Blut und Dreck verschmiert. Und doch gab es für sie keinen Moment einen Hauch des Zweifels. Zyle dachte sie und stand ebenfalls auf.
Die Paladine, die bereits die Schwerter gezogen hatten, ließen die Waffen wieder sinken, als sie ebenfalls erkannten, wer zu ihnen zurück gefunden hatte.
,, Ich wusste einfach, das du nicht tot bist.“ Relina flüsterte die Worte nur, zu mehr war sie nicht in der Lage. Zyle lebte…
Und doch war es nicht der Name, den sie aus den Kehlen der überleb denen Kämpfer und Paladine Helikes hörte. Und dieser ließ ihr das Blut in den
Adern gefrieren, weil es so absolut unmöglich schien.
,, Wys !“ Die Soldaten erhoben sich einer nach dem anderen, brachen in ihre eigene Form von Jubel aus. Stahl klirrte, als ein Dutzend Schwerter gen Himmel gerissen wurden, Schilde auf Stahl trafen. Ein donnerndes Getöse, das ihren Ruf begleitete, der Bald im ganzen Lager zu hören war. ,, Der Archont lebt ! Der Archont lebt!“