Sie hatte eine ordentliche „Akte“ voll. Raub, Diebstahl, schwere Körperverletzung, versuchter Mord. Dabei war sie gerade mal sechzehn. Vor drei Jahren fing alles an. Ihre Eltern fingen an, sich immer öfter wegen Kleinigkeiten zu streiten. Anfangs ging es noch gesittet zu. Dann kamen Handgreiflichkeiten hinzu. Sie waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, das sie ihre Tochter immer mehr vernachlässigten. Jene litt sehr darunter. Hatte Wut im Bauch und ließ sie an anderen aus, die gar nichts dafür konnten. Wahllos schlug sie Jungs, wie
Mädchen. Schlug zu und trat zu. Ihre Finger wurden lang und länger. Es war ein stiller Schrei nach Aufmerksamkeit, den ihre Eltern nicht hörten. Sie vernachlässigte die Schule. Glänzte durch Abwesenheit. Anstatt in die Schule zu gehen, ging sie lieber klauen. Dabei achtete sie nicht darauf, was sie sich krallte. Früher oder später würde sie es eh wieder wegschmeißen. Sie verkroch sich in ihre eigene Welt und fand bald Anschluss an eine dubiose Gruppe, die nichts anderes als Diebstahl und Gewalt im Kopf hatte. Ihre Eltern bekamen von all dem nichts mit. Sie hatten angefangen zu saufen. Und anscheinend vergessen, das sie eine
gemeinsame Tochter hatten. Sabine schlug sie regelrecht durchs Leben. Mit vierzehn hatte sie ihren ersten Vollrausch, der nur der Anfang sein sollte. Denn obwohl es ihr am folgenden Tag so elend ging, ließ sie sich von den anderen dazu bringen, weiter zu saufen. Noch mit vierzehn hatte sie zum ersten Mal Sex. Nicht ganz freiwillig. Einer aus der Gruppe nutzte ihren Vollsuff aus und nagelte sie. Er war einundzwanzig und seit über sechs Jahren auf der Straße. Niemand kannte ihn nüchtern. Schon mit zarten zwölf Jahren hatte er angefangen zu saufen. Seine Eltern hatten es vorgemacht. Ihr Leben bestand
aus saufen und vögeln. Und er führte ihren Lebensstil fort, seit seinem dreizehnten Lebensjahr. Ihm war das Alter egal. Er steckte seinen Schwanz überall rein. Selbst kleine Kinder mussten schon dran glauben und Rentner. Wer nicht freiwillig wollte, wurde gezwungen. Seine Fäuste überzeugten bisher jeden. Sabine hatte sich gewundert, als sie aufgewacht war. Denn sie war sich sicher gewesen, eine Hose angehabt zu haben, bevor sie ins Koma gefallen war. Aber als sie aufgewacht war, hatte sie unten herum rein gar nichts an. Dann sah sie ihn und sein feistes Grinsen. „Hast du mich gefickt, du
Arsch?“ Sein Grinsen wurde breiter. Vor blanker Wut brach sie ihm seine Nase und trat ihn mehrfach in die Weichteile. Er war so sehr überrascht gewesen, das er nicht in der Lage war, sich gegen sie zu wehren. Außerdem stand sie halbnackt über ihn, was ihn ebenso ablenkte und gleichzeitig antörnte. Plötzlich und unerwartet, holte sie ein Messer hervor und stach auf ihn ein. Die anderen hatten Mühe, sie davon abzuhalten ihn umzubringen. Verdutzt und ängstlich lag er am Boden. Sabine atmete tief und langsam ein und wieder aus. Als sie sich halbwegs beruhigt hatte, lockerten die anderen
ihren Griff und ließen sie dann ganz los. Dies war ein fataler Fehler gewesen. Denn kaum hatten die anderen sich von ihr entfernt, stürzte sie sich auf ihn und stach mehrfach in seinen Penis. Das er die Attacke überlebte, war ein Wunder. Seit dem Vorfall hatte er großen Respekt vor ihr und machte stets einen großen Bogen um sie. Auch die anderen fürchteten sich vor ihr. Sabine war fortan die Anführerin gewesen. Wenn die anderen nicht gewesen wären, hätte sie ihn eiskalt umgebracht. So blieb es bei einem versuchten Mord, den niemand zur anzeige gebracht hatte. Irgendwo hatte sie auch Glück. Denn schließlich wurde sie nie bei einer ihrer
Straftaten erwischt. Von ihren Opfern machte niemand eine Anzeige. Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn jemand den Mut aufgebracht hätte, sie anzuzeigen. Einige Opfer weniger wären es bestimmt gewesen. Vielleicht hätte jemand zu Sabine durchdringen und sie von dem Leben abbringen können. Wer weiß. Sabine interessierte sich nicht fürs andere Geschlecht. Jeder, der ihr in irgendeiner Art und Weise zu Nahe kam, bekam ihre Fäuste zu spüren. Wer diese Sprache nicht verstand, den bedrohte sie mit ihrem Messer. Seit dem Tag, als sie erfahren hatte, das sie missbraucht wurde, hegte sie einen regelrechten Hass
gegen das männliche Geschlecht. Schmiss alle Kerle in einen Topf, obwohl sie innerlich wusste, das er eine Ausnahme war. Die Ausgeburt der Hölle. Seit jenem Vorfall passte sie extrem auf. Schlief nicht mehr durch. Die Angst, das sie wieder missbraucht wurde, steckte tief in ihr drin. Immer wieder öffnete sie nachts ihre Augen und vergewisserte sich, das ihr keiner zu Nahe kam. An ihre Eltern und ihr zu Hause dachte sie schon lange nicht mehr. Die Straße war ihr zu Hause. Das Leben auf der Straße war zwar hart, aber sie wusste sich durchzubeißen. Regelmäßig wechselte sie das Viertel. Es war eine
reine Sicherheitsmaßnahme. Schließlich wollte sie nicht gefunden werden. Daher zogen sie auch stets in überfüllte Gegenden, wo sie in der Masse nicht auffielen. Sabine hatte einst eine schöne Figur gehabt. Aber in den letzten zwei Jahren hatte sie extrem abgenommen. Sie aß kaum etwas. Dafür trank sie zu viel. Mit fünfzehn war sie schon starke Alkoholikerin. Aber trotz ihrer Magerkeit, hatte sie ordentlich Dampf in ihren Fäusten. Mit einem Hieb konnte sie einem die Nase brechen. Mit sechzehn begann sie harte Drogen zu nehmen. Ihr Hirn war schon so weich, von dem vielen Alkohol, das sie
nicht mehr klar denken konnte. Nun nahm sie auch noch Drogen. Das dicke Ende war nur einen Mäuseschiss entfernt, und kam in Form eines Lasters. Gerade eben hatte sie sich einen fetten Schuss gegeben, da kam er angebraust. Der Fahrer drückte auf die Bremse, als er Sabine über die Straße stolpern sah. Aber es war zu spät. Der Laster begrub sie unter sich. Eine riesige Blutlache breitete sich aus. Sabine war Geschichte. Tage später erfuhren ihre Eltern von diesem Unfall. Die Tränen ließen nicht auf sich warten. Auch nicht die Fragen nach dem Warum und Wieso. Ebenso kamen die gegenseitigen Vorwürfe. Das
Einsehen kam erst viel später. Und mit dem Einsehen auch die Versöhnung. Doch das brachte Sabine auch nicht mehr zurück.
Einst war Sabine ein fleißiges und intelligentes Mädchen gewesen. Nun ist sie ein Himmelswesen. Ein Engel.