Romane & Erzählungen
Elsa - Im Bann der Lilith 11

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"Elsa - Im Bann der Lilith 11"
Veröffentlicht am 05. April 2017, 50 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Elsa - Im Bann der Lilith 11

Elsa - Im Bann der Lilith 11

*

Am anderen Morgen wache ich wie gerädert auf. Ich schwitze nur noch ein bisschen. Es geht mir im großen und ganzen relativ gut. Die Entzugserscheinungen sind wie immer. Ich bräuchte was, komme aber auch über einen längeren Zeitraum ohne aus. Mir fallen die Augen wieder zu. Als es laut wird im Zimmer, bekomme ich diese nur schwer auf. Die Müdigkeit hat mich eingeholt. Menschen in weiß in einem Lichterglanz stehen da vor mir. Ist doch etwas passiert? Bin ich jetzt im Himmel? Wieder schreie ich ganz laut nach

Merle. "Ist ja gut", vernehme ich eine tiefe männliche Stimme nah neben mir. Ich beginne wieder zu schwitzen, aber dieses Mal aus Angst - vor dem, was jetzt gerade auf mich einbricht. Jetzt berührt mich auch noch eine warme, große Männerhand. "Hallo, können sie mich hören?" Ich nicke nur, aber meine Augen lassen sich einfach nicht öffnen. Dann nehme ich ein Gemurmel wahr und kurz darauf ein metallenes Geräusch. Ich möchte wissen, wasd dort gerade passiert. Aber meine

Augen. Sie bleiben geschlossen. Wollen sie nicht sehen, was gerade um sie herum geschieht? Nach einer Weile bekomme ich meine Augen mit viel Kraft auf und alles um mich herum sieht wie vorher aus. Nein doch nicht. Mein Bett ist jetzt ein schönes Bett. Ich fühle mich frei. Kein Gitter mehr vor meinen Augen, welches mir die Sicht raubt. Ich setze mich auf und schaue mich um. Mein Leben ist wieder hell und freundlich und vor allem frei. Ich rücke zum Rand des Bettes und lasse meine Beine aus dem Bett baumeln und genieße meine neu gewonnene Freiheit. Ein Lächeln breitet sich auf

meinem Gesicht aus, was meiner Nachbarin nicht zu behagen scheint. Mürrisch schaut sie mich an. Ihre Mundwinkel sind urplötzlich nach unten geschnellt, wobei das Lächeln auf meinem Gesicht genau so schnell erstirbt. Es dauert nicht lange, dann öffnet sich die Tür zu unserem Zimmer und eine Schwester, die dem Frauenzimmer neben mir im Bett zu ähneln scheint, tritt mitten in mein Sichtfeld. Automatisch lasse ich mich wieder auf mein Bett fallen. Kein Lächeln. Kein liebes Wort. "Brauchen sie etwas zu trinken?", poltert

mich mein Gegenüber an. "Für die gibts immer ein gutes Weinchen", poltert meine Bettnachbarin zurück. Ich antworte mit einem Lächeln auf dem Gesicht: "Ich hätte gern ein Wasser. Bitte!" Dann dreht sich die mürrische Schwester um und kehrt nach einer Weile mit einer Flasche Wasser und einem Glas zurück. Auch jetzt verzieht sie keine Miene. Diese Frau hat mir doch gleich mal drei Kreuze in der Krankenakte verpasst, oder mit großen Lettern das Wort

"Alkoholiker" in roter Farbe hineingeschrieben. Dann bekommt sie nur eine Wasserbestellung, dass hat sie sicherlich in ihren Grundfesten erschüttert. Bei ihrem Fortgang, dreht sie sich noch einmal zu mir um - ihre Augen funkeln hasserfüllt. "In einer halben Stunde sollen sie sich im Arztzimmer blicken lassen!" Dieser Satz ist ein einziges schnauben, das sie zwischen ihren schmalen, geschlossenen Lippen

hindurchdrückt. Was habe ich diesen Menschen nur getan? Ist es wegen meines Komasaufens? Keiner kennt meine Gründe, doch alle verurteilen sie sowie auch mich. Meine Gefühle habe ich heruntergefahren und schleiche mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf in Richtung des Arztzimmers. Zaghaft klopfe ich an die Tür. Eine tiefe rauchige Stimme dringt

an mein Ohr. Und mit dem erklingenden „Herein“, betrete ich zeitgleich den Raum. Als ich den Raum betrete, sehe ich hinter einem Schreibtisch, einen graumelierten Herrn in Weiß sitzen. Der verständliche Blick, richtet mich innerlich wieder auf. Mit einer Handbewegung auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch, weist er mich an mich zu setzen. Kraftlos sinke ich auf den Stuhl. Fragend schaue ich ihn an. „Frau Urban, wissen sie warum ich mit ihnen reden möchte?“ Verwirrt schüttle ich mit dem Kopf. „Es geht um ihre Zukunft und um die ihrer

Tochter.“ Schon kullern mir wieder dicke Tränen über meine Wangen. „Merle“, murmele ich mit gesenktem Blick vor mich hin. „Keine Angst, ihrer Tochter geht es gut. Sie ist in guten Händen.“ „Wo ist sie?“ „Das darf ich ihnen nicht sagen.“ „Wo?“ Energisch durchdringt meine Frage den Raum. „Bei Pflegeeltern.“ Mein trauriger Blick begegnet dem seinen. „Trinken sie öfter?“ „Nur wenn ich mich alleine fühle.“ „Und wie allein haben sie sich gefühlt,

als sie sich so sinnlos betrunken haben?“ „Sehr allein! Zumindest als ich erfahren habe, dass der Tote vom illegalen Autorennen, meine große Liebe war.“ Sein fassungsloser Blick begegnet dem meinen. Er kann kaum weitersprechen. Aber allmählich findet er seine Fassung wieder und beginnt zu reden. „Haben sie sich oft allein gefühlt in letzter Zeit?“ „Seit Jahren. Mein Mann war als Architekt oft in Auslandseinsätzen.“ „Und dort ist er auch ums Leben gekommen?“ „Wie kommen sie denn darauf? Mein Mann ist in Südafrika.“ Mit diesem Satz ist wieder Stille im

Raum. „Ich dachte...“ „Wir sind inzwischen geschieden. Er hatte eine neue große Liebe. Ich habe nachgezogen.“ „Wie haben sie die neue große Liebe ihres Mannes verkraftet?“ „Mit Alkohol“ „Wie fühlen sie sich jetzt?“ „Allein“ „Haben sie das Bedürfnis Alkohol zu trinken?“ „Ein wenig schon“, flüstere ich vor mich hin. „Aber?“ „Die Frau in meinem Zimmer, die ist so gemein zu mir. Der will ich zeigen, dass

es auch ohne Wein geht.“ „Das fällt ihnen aber schwer?“ Mein Blick geht nach unten. Meine Augen wandern nervös hin und her. Dann nicke ich ganz zaghaft und schaue verschämt zu ihm auf. „Sie brauchen sich doch nicht dafür zu schämen. Ich will ihnen doch nur helfen.“ Meine Lippen werden schmal und schmaler, so fest presse ich sie aufeinander. „Sie sind genesen und wir müssen sie entlassen.“ Ich nicke ihm zu. Inzwischen habe ich meine Hände fest unter meine Oberschenkel geklemmt. Aber die Furcht

will nicht von mir weichen. „Endlich kann ich zu meiner Merle.“ „Nein! Mein Vorschlag an sie. Ich entlasse sie in eine Entziehungskur. Das ist gut – für sie und ihre Tochter.“ „So schlimm ist das doch nicht.“ „Wieviel trinken sie?“ „Ein bis zwei Flaschen pro Tag“, nuschele ich ihm entgegen. „Entziehungskur?“ Er scheint darauf zu beharren. Ich - eine Säuferin? Ich will nicht mehr darüber reden und erhebe mich wortlos von meinem Platz. Der nette Herr Doktor hält mich nicht auf, als ich mit hängenden Schultern sein Zimmer verlasse.

In meinem Zimmer angekommen setze ich mich auf den Rand meines Bettes, lass die Beine baumeln, grübele und würdige meiner Nachbarin keines Blickes, obwohl ich fühle, dass der ihre, mich total eingefangen hat. Es ist mir unangenehm, aber ich sage nichts. Denn ihre zynischen Worte verletzen mich und stören beim nachdenken. Schließlich geht es ja um meinen kleinen Schatz. Das einzige was mir geblieben ist. In Sekundenschnelle zieht mein Leben an mir vorbei, aber eine Säuferin kann ich nicht entdecken. Nicht

ich! Plötzlich höre ich hinter mir die fiese Stimme meiner Bettnachbarin: "Die hats heute im Koppe! Die schüttelt den nur noch hin und her." Dann spüre ich zwei Hände auf meinen Schultern und fühle mich plötzlich so ungemein geborgen. Die ruhige Stimme meiner Lieblingskrankenschwester hüllt einen Schutzmantel über mich. Es errreichen mich Töne, die ich nicht hören will. Laut dröhnt es in meinem Kopf: "Haben sie sich das mit der Entziehungskur überlegt?" "Hörn se ma uff, sonst fliegt ihr der

Kopp noch ab. Jetzt weiß ich wenigsten worum es geht." Das habe ich nun am wenigsten gebraucht. Nun weiß das Ungeheuer da neben mir auch noch bescheit. Aber irgendwie fühle ich mich auch erleichtert und lasse meinen Tränen einen freien Lauf. Merle fest in meinen Gedanken. Wie wird es ihr wohl gehen - dort bei diesen fremden Menschen. Langsam formt sich vor meinen Augen ein großes Bild. Merle wie ich sie das letzte Mal gesehen habe. Ihr Lächeln umrandet von ihrem wallenden lockigem

Haar. Ist dieses Bild noch realistisch? Kann sie noch so lächeln? Ist sie glücklich? Geht es ihr gut? All diese Überlegungen treiben mich in ein tiefes schwarzes Loch. Müde lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre mit meinen verheulten Augen die Decke an. Meine Gedanken wirbeln durcheinander,

aber mir wird klar, ich muss zur Entziehungskur. Schon um mein Kind wieder zu sehen. Es tut so weh. Als ich wieder Herr meiner selbst wurde, machte ich mich auf zum Arztzimmer. Keiner da! Ich sacke zusammen und hocke vor mich hin starrend vor der Tür, bis eine Schwester mich dort entdeckt. Auch sie hockt sich neben mich. Sie nimmt mich liebevoll in den Arm und fragt: "Haben sie ein Problem?" Ich schaue sie an und nicke. "Keiner da", sage ich, mit meinem Kopf in Richtung Tür

weisend. "Kann ich ihnen nicht helfen?" "Weiß nicht", antworte ich mit den Schultern zuckend. "Wie sieht es eigentlich mit der Entziehungskur aus?" Aha sie weiß also bescheit. "Ja, die möchte ich machen. Darum bin ich ja hier", strahle ich die Schwester an. "Na, diese freudige Botschaft werde ich gleich mal in ihrer Akte notieren und morgen dem behandelnden Arzt zeigen."

Jetzt bin ich die jenige, welche der Schwester vor Freude um den Hals fällt. Endlich ist es raus und es gibt kein Zrück mehr.

*

Alles für mein Kind. Wie wird es Merle wohl gehen? Keine Nachricht und zu ihr darf ich auch nicht. Mein Herz scheint zerspringen zu wollen, doch ein starrer Gürtel scheint es zusammenzuhalten. Ich sitze in meiner tristen Wohnung und grübele vor mich hin. Doch es ändert nichts an meiner kalten Welt. So allein - verlassen von allen. Von allen, die mir lieb und teuer waren. Alles aufs Spiel gesetzt, nur wegen des Weins. Und wie stehe ich nun da. Ich wage es mir nicht es auszusprechen. Aber ich sehe das Wort "TRINKERIN" in großen roten Buchstaben vor meinen Augen tanzen.

Scham steigt in mir auf. Ich muss einfach raus. Raus an die frische Luft. Doch auch sie scheint es nicht zu schaffen mich aufzumuntern. Ich nehme den einzigen Weg den ich kenne. Den zu meinen Freunden. Vielleicht schaffen sie es ein wenig Farbe in mein Leben zu bringen. Ich merke wie sich mein Körper strafft. Ich bin in voller Vorfreude. Gleich werde ich sie wiedersehen. Meine guten Freunde. Doch je näher ich komme, um so mehr quälen mich die Zweifel. Meine Schritte verlangsamen sich. Und dann sehe ich ihn näher kommen - unseren alten Treffpunkt. Innerlich atme ich auf, denn

der Platz ist leer. Und doch merke ich wie ich in mir zusammenfalle. Ist es Enttäuschung, oder die Angst vor der Einsamkeit. Und wieder machen sich Gedanken in mir breit, die ich nicht aus meinem Kopf bekomme, da höre ich eine mir bekannte Stimme. Zwei Hände umgreifen mich von hinten. Ich weiß wer es ist und ich wehre mich nicht. Die Umarmung tut so gut. Ich lasse mich fallen und genieße die Umarmung Walburgas. Liebe durchströmt meinen Körper. Mir ist so warm und ein Strom warmer Tränenflüssigkeit läuft an meinen Wangen herunter. Das tut so gut. Ich fühle mich befreit und könnte meine Freude in die Welt hinaus schreien. Doch

diese Freude schnürt mir die Kehle zu. Kein Wort kommt heraus. Es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit, in der wir uns in den Armen liegen und unsere Shirts langsam durchnässen. Dann beginnt Walburga das Gespräch. "Ausjerechnet heute....", legt sie eine lange Denkpause ein. "Was ist heute?" "Na, Flaschenkarli sein fufzigster." "Und

Du?" "Muss noch was besorgen", antwortet sie. "Kannst ja mitkommen, wenn du Lust hast. Er freut sich bestimmt." Und so schritten wir gemeinsam des Weges. "Was möchtest Du für Flaschenkarli kaufen?" "Na, nen Pott mit Blumen und ne Pulle Klaren", kam es, wie aus der Pistole geschossen, aus ihrem Mund heraus. "Und wo möchtest du das Geschenk

kaufen?" "Na, gleich hier ume Ecke im Supermarkt." Mir stockt der Atem. Und Walburga liest anhand meiner Reaktion ab, was ich gerade denke. "Hab halt nich soviel Knete wie du", spricht sie mich von der Seite an und ich schäme mich ein wenig. "Brochst doch nich gleich rot werden. Jeht halt nich jeden so jut wie dicke. Hab nen Haufen Schulden. Is das Buget halt nen bissl schmaler", antwortet sie, mit

der Schulter zuckend. Ich ergebe mich in mein Schiksal und gehe mit Walburga in den nächsten Supermarkt, wo sie sich gleich draußen einen Topf, ohne hinzuschauen, krallt und zielstrebig auf das Regal mit dem Klaren zusteuert. "Aber Walburga, das ist doch wohl nicht dein Ernst?" "Wat?" "Dieses gerupfte Gemüse dort!" "Is das nen

Gemüse?" "Nein eine Blume", erwiedere ich und ziehe eine Augenbraue hoch. "Wollten wer doch! Was wisste denn?" "Schau sie dir doch mal ganz genau an" Walburga beginnt den Topf vor ihrem Gesicht hin und her zu drehen und zuckt immer wieder mit den Schultern. "Wat issn damit?" "Diese Pflanze sieht ziemlich verdorrt

aus." "Na und", schleudert sie mir ziemlich schnippisch entgegen. "Na und?" Meine Stimme klingt inzwischen ziemlich hysterisch. "Waste man hast? Dit Zeugs hier, erholt sich an der frischen Luft, auf seinem Balkon ziemlich schnell. Und außerdem..." Wieder erfolgt eine lange Pause. "... ist dat Zeug hier das Wichtigste", schnappt sich eine der Flaschen aus dem Regal und setzt ihr schönstes Lächeln

auf. "Na dann, nimm mal den daneben, der kostet ein paar Cent mehr!" "Wat wisste denn von micke? Hab ick dir was getan? Eben hab ich dick in mein Geheimnis eingeweiht und nu." "Nimm schon, die Flasche zahle ich." "Könnte es auch die sein? Dit is seine Lieblingsmarke!" "Pack schon ein!" "Die kostet aber ein paar Euro

mehr!" "Pack schon ein", werde ich jetzt ungehalten. Dann stehen wir auch schon an der Kasse und zahlen unsere zwei Geschenke und eine Plastetüte. Unser Weg führt uns zu Flaschenkarlis Neubaublock. Unterwegs frage ich Walburga noch: "Hätte es nicht lieber eine schöne Geschenketüte sein sollen?" "Nu hör aber ma uff mit dem Gelaber,

als ob Flaschenkarli uff sone blöde Geschenketüte wartet!" Nun bin ich ganz still. Walburga steuert auf einen bestimmten Eingng dieser grauen Betonklötze zu und erklimmt die Treppe zur Eingangstür, drückt auf einen Klingelknopf und schon summt es. Jetzt erklimmen wir Stufe für Stufe, das Zählen gebe ich irgendwann auf, bis wir im sechsten Stock ankommen. Grinsend steht Flaschenkarli in der Wohnungstür. Ich jappse aus dem letzten Loch, doch Walburga schmettert ihm ein "Wie schön das du geboren bist...." entgegen und drückt ihm unsere Tüte mit den Geschenken in die

Hand. Ohne auch nur in die Tüte zu schauen, dreht er sich um und brüllt in die Wohnung: "Leute, kommt mal alle her und schaut, wer heute mit von der Partie ist." Dann erfolgt ein Getrappel und Gejole und plötzlich ein Schweigen. Die Mitglieder unserer Clique starren mich an, um mir schon bald, einer nach dem anderen, um den Hals zu fallen. "Mensch Mäken, sind wir froh, dass du wieder da bist!" "Aber nicht mehr lange", ich möchte ja niemanden

belügen. "Wo wisste denn hin?" "Zur Entziehungskur", sage ich ganz stolz. "Wat wisste denn da?" Alle schauen mich erstaunt an. "Ich tue es für meine kleine Merle!" Meine Augen strahlen vor Stolz. "Wat? Säuft die oder du?" "Na hört mal! Ich sehe sie sonst nie

wieder." "Meinste dat verhilft zu einem Wiedersehen?" "Ja, davon bin ich überzeugt", schmettere ich ihnen entgegen. Meine Lunge hat sich inzwischen wieder erholt. "Pah, das globste doch wohl selber nicht. Guck mal deine Freundin Walburga an, die hat auch schon den zweiten Anlauf hinter sich gebracht. Und wat is.... Pustekuchen." "Walburga ist ja auch

allein." "Außer am Wochenende", brüllen alle gemeinsam im Chor. Dann brechen sie und Walburga in lautes Gelächter aus. Jetzt wandert mein Geburtstagsgeschenk von Mann zu Mann, von Frau zu Frau, bis sie schließlich vor mir landet. Mein Wille ist groß, doch mein Verlangen viel stärker. Da hier kein Wein zu sein scheint, nehme ich einen großen Schluck aus der Flasche. Nach jeder Runde, macht sich mehr und mehr ein Gefühl in mir breit, was mich alles um mich herum vergessen lässt und mich glücklich macht. Mehr und mehr entfernen sich die Bilder meines Vorhabens aus meinem

Kopf. Vorallem die meines Kindes, für das ich das alles in Kauf nehmen wollte. Kein Gedanke mehr an die Entziehungskur. Der Alkohol befreit mich von all meinem Denken und all meinen Sorgen. Als ich zu Hause bin, wälze ich mich für eine Weile noch im Bett herum und dann schlafe ich friedlich ein.

*

Es folgen noch ein paar Spielplatzbesuche und am 6. Tag hole ich einen Brief aus meinem Briefkasten, der ziemlich amtlich aussieht. Mit zittrigen Händen öffne ich diesen und der Schweiß rinnt aus all meinen Poren. Ich vermute nichts Gutes darin und, so ist es auch. Ich habe mich schon längst wieder an das Leben mit meinen Freunden und den Alkohol gewöhnt, da werde ich zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. In 4 Tagen und zu einem sehr frühen Zeitpunkt, wird mich ein Taxi abholen und in die Suchtklinik bringen. In einen Ort den ich nicht einmal kenne. Mir wird

Angst und Bange. Diese Suchtklinik melde sich bei mir, sie hat mich nicht vergessen. Aber von meiner kleinen Merle habe ich noch immer nichts gehört. Hat sie mich vergessen? Und plötzlich treten mir wieder Tränen in die Augen. Mein einziger Fluchtweg, um zu vergessen, führt mich wieder direkt zu meinen Freunden auf den Spielplatz, wo ich auch sofort freudig von allen begrüßt werde. Die Erste die meine Spannungen wahrnimmt, ist wie immer Walburga. "Wat iss'n mit dir los? Haste jeheult?" Ich nicke ihr mit gesenktem Blick

zu. "Wer hatt'n dicke wat jetan?" Sie ist überaus gereitzt und ich sollte ihr wohl lieber den Wind aus den Segeln nehmen. "Niemand", nuschele ich vor mich hin. "Nu ma raus mit de Sprache", fordert sie mich auf. "Sie haben mich nicht vergessen, mein Kind schon!" Das bringe ich nur schluchzend hervor, weil schon wieder ein Strom an Tränen über meine Wangen

rinnt. "Wat? Wie kommste denn auf so wat? Ein Kind verjisst de Mutter nie nich." "Doch, meins schon." "Glob ich nich", meint Walburga mit dem Kopf schüttelnd. Sie schaut fragend in die Runde. "Mach du das ma. Is Weiberkram." "Flaschenkarli fehlt's ans nötiche Gefühl", brüllen alle anderen Kerle im

Chor. "Wat hat'n ditte nu wieder damit zu tun?" Er schaue wiederum fragend in die Runde. "Frauen können nu ma besser trösten. Mir tut'se ja auch leid. Aber..." "Wat aber...?" Verstohlen blickt Flaschenkarli zu Boden. "Lass ma, mach ich schon weiter!" Schon legt sich Walburgas Arm um meine Schulter. "Erzähl ma, wat dich bedrückt", fordert sie mich

auf. "Heute fand ich einen Brief in meinem Postkasten, in dem mir mitgeteilt wurde, dass mich Montag früh um 10 Uhr ein Taxi vor der Haustür abholt und mich zur Entziehungskur bringt. Aber nach einer Nachricht meiner Tochter suchte ich vergebens." Schon kullern wieder dicke Tränen über meine Wange. "Wohin gehts denn?" "Castrop-Rauxel" "Wat

soweit?" Ich zucke nur mit den Schultern. "Na da drück ich ma beede Daumen und hoffe das es gleich beim ersten Mal klappt. Und was deine Tochter betrifft: Watte ma ab, dit wird schon. Sie möchte vielleicht gern, aber man hält sie ab. Kannste mir globen. Man will euch auf de Probe stellen." "Meinst du?" "Mein ick" und schon drückt sie mich näher an sich

heran. "Dein Wort in Gottes Ohr", mit diesem Satz versuche ich mich aus ihren Fängen zu lösen. Aber keine Chance, zu groß ist ihr Trost. Dann grinst sie mich, so breit wie es eben geht, an und lockert ihren Griff. "Sehter, so ist das fein. Kein Ding für einen Mann." Daraufhin drückt Flaschenkarli mir die Flasche, welche inzwischen ihre Runde gedreht hat, in die Hand und sagt: "Hier, das ist der

Männertrost!" Entsetzt schaue ich auf die Flasche. Möchte ich es mir nicht gerade abgewöhnen? "Trink schon, bald isses vorbei damit", tönt es im Chor. Dieser Satz hallt in meinem Kopf und schon setze ich die Flasche an. Mit einem schlechten Gewissen geschieht dies und ich nehme einen großen Schluck. Wieder habe ich mich verleiten lassen. Ich ärgere mich über mich

selbst. Mein Ziel scheint in weite Ferne zu rücken. Merle werde ich so wohl nie wieder sehen. Um nicht weiter im Sumpf zu versinken, verlasse ich einfach die Feier und warte darauf, dass ich bald zum Entzug in die Klinik fahren kann

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liebetraumfee

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gela556 Alkohol ist einfach nur Mist.
Macht wirklich so viel kaputt, was nicht wieder zu kitten geht.
Oft bleibt es nicht bei einem Glas. Leider....
Gut das Problem beschrieben.
LG, Gela
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