Das ewige Reich
Es kostete ihm viel Mühe, sich noch an die versteinerten Gesichter der 2. Ehefrau und des ältesten Sohnes zu erinnern. Noch klingen die Worte in dumpfem Bass: ….wir haben ihn verloren...er kann uns nicht mehr hören...
Es fühlte sich an, als läge er in einem riesigen Müllcontainer, der hier und da zu brennen begann. Ein stechender Geruch löschte Erinnerungen aus.
Doch Hören konnte er noch .....: „Jetzt gehen wir erst mal richtig gut essen.“, „und dann raus mit dem muffigen Ohrensessel von dem Alten....“
Als Nächstes nahm er wahr, dass er an schweren Büchern zu schleppen hatte...seinen zu Lebzeiten geschriebenen Büchern! Bücher voller schönster Poesie. Doch sobald er ein Buch zur Erleichterung ablegen wollte, zerrann es zu Staub. Erschöpft fand er sich schließlich umgeben von Staubbergen...mit leeren Händen.
Nach endlosen Jahren des Wartens, oder im selben Moment, wer weiß das hier schon, erblickte er wunderschöne Knaben. Doch wenn er sie wie gewohnt lüstern ansah, brannten die Augen als würden sie ihm mit glühenden Messern ausgestochen. So wandte er den Blick
zu der Tafel mit dem Tischtuch, dass so weiss war, als würden tausend Sonnen Reinheit strahlen. Er hielt die Hände vor die Augen, doch das Licht drang ungebremst an die schmerzenden Augen.
Einer der Knaben übergab ihm eine winzige Schürze. Im selben Moment entdeckte er voller Schrecken seine Nacktheit. Hastig band er die Schürze vor das ertappte Gehänge.
Wo? ...bin ich...? -
Jemand reichte ihm eine Schale mit Wasser. Obwohl seine trockene Kehle wie Stacheldraht auf rohem Fleisch
brannte, wagte er es nicht, davon zu trinken. Er wusste, dass es nicht für ihn bestimmt war. Er wusste, dass er die Gäste an der Tafel zu bedienen hatte und er fühlte wohl das das so richtig sei.
Unter den Gesichtern der Gäste entdeckte er ein besonders zartes, schönes und starkes Gesicht, dass er zu kennen schien. Sein gesamter vergangener Körper wehrte sich mit Todesangst, diese Person zu erkennen.
Plötzlich schmeckte er das grässlich bittere Gift in seinem Munde, das seine erste Frau schluckte um seinen despotischen Peinigungen zu entgehen. Mit zitternden Kienen blickte er dieser
Frau in die befreiten Augen. Mit Hass, Wut, Zynismus, Gewalttätigkeit, Begehrlichkeit, Unterdrückung, Verlogenheit und sonstigen üblen Dingen war er gewohnt umzugehen, doch nicht mit diesen erlösten Augen. Hilflos suchte er wenigstens nach Vorwürfen oder Rache in den Augen....oder Angst!
Doch er fand nichts Bekanntes, das ihm Sicherheit geben konnte.
Schließlich zog er sich in die Dunkelheit des modernden Mülls zurück. War das der Himmel oder gar die Hölle?
Ein Wort begann mit Macht auf seiner Zunge Raum zu gewinnen, doch er wagte nicht es auszusprechen. Dieses Wort besaß die Macht, den Staub seiner Bücher zum Leben zu erwecken.
Dieses Wunder mit ansehend öffnete er den müden Mund zu einem ersten wahrhaften Lächeln.
Fast glücklich beugte er die Knie um den Boden mit seinen Tränen zu reinigen, dabei sang er das eine Wort.