Kapitel 87 Duell
Wys hob seinen Umhang wieder auf, als er sich auf den Weg den Hügel hinab machte. Jetzt wo die Schlacht fürs erste vorbei war, machte sich die kühle Morgenluft unangenehm bemerkbar. Er würde vorsichtig sein müssen, dachte er. Kälte würde ihm im kommenden Kampf keinen guten Dienst erweisen. Sein Körper war nach wie vor überhitzt und seine Muskeln verhärteten sich. Davon abgesehen, das er nach wie vor erschöpft genug war, um an Ort und Stelle einzuschlafen. Was ihm im Augenblick noch auf den Beinen hielt, war allein eiserne Disziplin. Ein Leben
als Schwertmeister erlaubte es nicht, das man sich den Luxus erlaubte sich von seinem Körper beherrschen zu lassen. Und doch war es ein gefährliches Spiel das er spielte, nicht? Im Vollbesitz seiner Kräfte hätte er sich weniger Sorgen gemacht, doch er wusste nicht, zu was sein Gegner fähig war. Und dieser war im Gegensatz zu ihm noch ausgeruht und frisch. Und mit welchen körperlichen Fähigkeiten sein Gott ihn gesegnet hatte, das hatte ihm Larths Schicksal mehr als deutlich vor Augen geführt. Ein Mann, der einem andere mit einer Hand den Hals brach war nicht zu unterschätzen.
Zyle half ihm dabei, die Rüstung
abzulegen, als sie schließlich den Kampfplatz erreichten. Eigentlich war es nur ein etwa kreisrunder Abschnitt des Pfads, der hinauf zur Versammlungshalle führte. Sie hatten sich darauf geeinigt, sich auf halbem Weg zu begegnen, so dass niemanden die eigenen Männer zur Hilfe kommen würden. Wys hatte lediglich Zyle mit sich genommen. Sein Bruder hätte sich ohnehin nicht davon abhalten lassen, dachte er.
,, Ich kann für dich antreten.“ , bot er an, während er die letzten Schnallen der Rüstung löste und das schwere Metall bei Seite stellte. Sein Gegner würde ebenfalls keine Rüstung tragen. Wenn sie das hier taten, dann
richtig.
,, Danke für das Angebot .“ , meinte Wys und rang sich ein kurzes Lächeln ab. Er legte seinem Bruder beruhigend eine Hand auf die Schultern. ,, Aber ich muss das hier tun. Und du bist mindestens genau so müde wie ich. Es macht also keinen Unterschied.“
,, Nein.“ Zyle schüttelte den Kopf. ,, Ich werde nicht müde. Zumindest nicht so. Und mich kann er wenigstens nicht töten.“
,, Da wäre ich mir gar nicht so sicher Bruder.“
Der rote Heilige kam alleine. Trotzdem war allein seine Ausstrahlung genug, dafür zur Sorgen, das sich Zyle das Fell
sträubte. Er schien von den zwei Gejarn nur oberflächlich Notiz zu nehmen, während er langsam in die Mitte des kleinen Platzes trat.
,, Wo ist Träumer ?“ , fragte Wys. Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass auch sein Gegner zumindest einen Zeugen mitbringen würde. Dass er es nicht tat war…beunruhigend. Seine Hände ruhten bereits auf den Schwertgriffen, während er den Mann langsam umkreiste. Der rote Heilige folgte seinen Bewegungen jedoch sofort. Die Sense in seiner Hand wirkte vielleicht unpraktisch, dachte Wys, aber er würde ihn deshalb nicht unterschätzen. Wenn der Mann sich
entschieden hatte, während dieses Duells nicht auf ein Schwert oder eine andere praktischere Waffe zu setzen, musste er damit umgehen können. Oder aber es zeugte von Arroganz. Wys war klar, dass er nicht darauf hoffen durfte. Bei diesem Kampf stand zu viel auf dem Spiel.
,, Wollen wir reden oder kämpfen ?“ Aus der Stimme seines Gegners sprach eine unterschwellige Wut, die sich jedoch nicht gegen sie zu richten schien. Zumindest nicht direkt. Aber gegen wen dann ? Es war ihm und Naria schon in Helike aufgefallen. Dieser Mann verbarg unter seinem ruhigen abgebrühten äußeren Grausamkeit und ungebremsten Zorn. Doch woher kam er?
Die Männer beider Seiten hatten sich mittlerweile so weit vorgewagt, wie sie konntne, ohne das es wirkte, als würden sie eingreifen wollen. Einige Schlugen die Waffen gegen ihre Schilde. Ein zuerst langsamer Takt, der mit jedem aufeinanderprallen von Stahl auf Stahl und Stahl auf Holz schneller wurde.
Wys und sein Gegner umkreisten einander langsam. Der rote Heilige täuschte einen Schlag an. Wild und ungezügelt wie ein Tier schoss die Sense vor. Doch Wys blieb ruhig stehen, während die gebogene Klinge sein Gesicht um eine halbe Armlänge verfehlte. Noch war es nichts als ein
Abtasten, dachte er. Nun jedoch zog auch er die Schwerter. Die zwei Klingen glänzten im Licht der aufgehenden Sonne. Auf einen Schild hatte er hingegen verzichtet. Er war ohnehin bereits müde. Seine beste Chance stand darin, seinen Gegner möglichst schnell in die Enge zu treiben. Ein Schild hingegen würde ihn nur zusätzlich erschöpfen, doch zwei Klingen waren unvorhersehbar… und nur schwer abzuwehren, wenn man selber ebenfalls keinen Schild trug. Wys ließ die Schwerter kreisen und brachte seinen Gegner dadurch tatsächlich kurz ins Wanken. Die Waffen verfehlten ihn zwar um Längen, aber darum ging es
ihm auch nicht. Der rote Heilige hatte die Finte nicht kommen sehen, dachte er erleichtert.
Der Takt der Klingen die auf Holz trommelten war mittlerweile zu einem stetigen Stakkato angewachsen. Wys jedoch blendete den Lärm vollkommen aus. Und plötzlich riss er ohnehin ab. Im gleichen Moment gingen die beiden Kontrahenten aufeinander los. Das vorsichtige Abtasten war vorbei. Ab jetzt ging es um Leben und Tod.
Der rote Heilige stürzte sich mit einem Aufschrei auf ihn. Wys parierte den ersten Hieb der Sense mit dem Blatt der einen Klinge, während er mit der zweiten nach seinem Gegner stach. Die
beide Kontrahenten wirbelten umeinander und tauschten so blitzschnell Schläge aus, dass man ihnen mit den Augen kaum folgen konnte. Das Klirren des Stahls erfüllte die Luft und es dauerte nicht lange, bis der erste von ihnen aus dem begrenzten Kampfkreis heraus trat. In einem Wirbel aus Stahl jagten die beiden Männer sich, trieben einander die Flanke des Hügels in Richtung der Halle hinauf. Wys wusste selbst nicht zu sagen, wer von ihnen eigentlich die Oberhand hatte. Bisher war es ihm leicht gefallen, die Schläge seines Gegners zu parieren, doch dieser war ausgeruht und wich seinen Attacken mit der Eleganz eines
Tänzers aus. Der rote Heilige mochte kein erfahrener Krieger sein, aber er war schnell und jedes aufeinanderprallen der Klingen schickte Schockwellen durch den Körper des Archonten. Wo seine Schläge gezielt und sparsam waren, kämpfte der rote Heilige wie in Raserei und ließ ihm kaum Zeit einmal Atem zu schöpfen.
Die ersten Paladine sprangen bei Seite um den Kämpfenden Platz zu machen. Wys trat nach seinem Gegner, der daraufhin gegen die Außenwand der Halle stolperte. Sofort versuchte er nachzusetzen, traf jedoch nur noch Stein, als der rote Heilige sich sofort zur Seite warf und im Eingang der
Versammlungshalle landete.
Wys wich dem nächsten Hieb der Säule aus, während er ihm ins Innere des Gebäudes nachsetzte. Statt seinen Kopf abzutrennen, bohrte sich die Klinge in eine der Säulen, die das Dach trugen. Das bemalte Stück Holz war fast so breit wie ein ausgewachsener Mann, trotzdem teilte die Sense es fast in zwei Hälften. Sofort riss der rote Heilige die Waffe wieder zurück und stürzte sich erneut auf den Archonten. Allein die Kraft und Ausdauer dieses Mannes war nicht natürlich, dachte Wys. Ihr Kampf dauerte jetzt schon fast eine halbe Stunde an. Er war vorher schon am Ende seiner Kräfte gewesen und fühlte
langsam auch seine letzten Reserven schwinden. Ein normaler Mensch sollte mittlerweile zumindest ein paar Anzeichen von Ermüdung zeigen. Doch nichts dergleichen. Wenn, dann wurden die Angriffe seines Gegners noch wilder und unberechenbarer. Doch genau auf so etwas hatte er gewartet. Wys parierte einen weiteren Schlag, in dem er das Schwert hinter die gebogene Klinge der Sense klemmte. Von einem Moment auf den andere konnte der rote Heilige die Waffe nicht mehr zurückziehen. Wys drehte das verkeilte Schwert in der Hand und riss die Sense dabei mit zur Seite. Mit der andere, noch freien Waffe in seiner anderen Hand führte er einen
Streich gegen die Kehle seines Gegners. Dieser erkannte den Fehler, den er gemacht hatte grade noch rechtzeitig und rettete sich nur, indem er die Sense losließ und zurücksprang. Die ungewöhnliche Waffe schlug polternd auf dem Boden auf. Trotzdem entkam er der Klinge nicht ganz. Das Schwert streifte ihn an der Wange und hinterließ einen langen Schnitt quer über eine der rötlichen Narbenfinger in seinem Gesicht.
Der rote Heilige stolperte mit einem Aufschrei zurück. Blut sickert zwischen seinen Fingern hervor, als er die Wund betastete. Wys wollte sofort nachsetzen um der Sache ein Ende zu
machen.
Im gleichen Moment jedoch, riss sein Gegner die Arme hoch und entfesselte einen grellen Lichtblitz. Magie, dachte Wys, bevor er die Augen schließen musste um nicht geblendet zu werden. Dieser Bastard hatte grade die Regeln ihres Duelles verletzt… Aber natürlich, dachte er, hatte es niemand gesehen. Alle wartete vor der Halle und Zyle hatte ihnen nicht so schnell folgen können, wenn er nicht riskieren wollte, zwischen die Schwerter zu geraten. Als Wys endlich wieder sehen konnte hatte der rote Heilige die Sense wieder aufgehoben und stürzte sich erneut auf ihn. Dieses Mal jedoch kam ihm der
Zufall zur Hilfe. Sein Gegner schwang die Sense in einem so hohen Bogen, das sie sich in einem der noch hängenden Windspiele verfing. Der Kristall zerbarst unter der Wucht des Aufpralls in tausend scharfkantige Splitter, die über dem roten heiligen niedergingen.
Und mittlerweile war auch Zyle am Eingang der Versammlungshalle aufgetaucht. Ab jetzt wird wieder fair gespielt, dacht Wys, bevor er sich erneut in den Kampf stürzte.
Zyle hielt sich derweil so gut es ging am Rand der Halle um nicht aus Versehen in den Kampf hinein gezogen zu werden. Dennoch war der besorgte Ausdruck auf seinem Gesicht unmissverständlich. Es
machte ihm sichtlich zu schaffen, dass er nicht eingreifen durfte. Aber wenn er das tat, dachte Wys, hatte er verloren. Er sprang auf eines der noch in der Halle stehenden Pulverfässer um einem weiteren Sensenhieb zu entgehen. Statt seinen Kopf zu spalten, zerteilte die Klinge lediglich das Holz der Fasswand und ließ einen Nebel aus Schwarzpulver aufsteigen, der sich rasch ausbreitete. Erneut wurde Wys geblendet… und musste zum ersten Mal bluten. Ein Schnitt ritzte ihm die Kopfhaut, ein weiterer grub sich in seinen linken Arm und hinterließ eine tiefe Wunde… Rasch sprang er zurück um etwas Abstand zwischen seinen Gegner und sich zu
bekommen. Keine seiner Verletzungen war tödlich, dachte er. Aber sie behinderten ihn und rissen mit jeder Bewegung nur weiter auf. Aus dem Schnitt an seinem Arm strömte mit das Blut mit alarmierender Geschwindigkeit. Innerhalb weniger Herzschläge, war der Ärmel seiner Tunika rot gefärbt. Blutverlust und Müdigkeit ließen ihn straucheln. Er atmete mittlerweile schwer, während sein Gegner immernoch so ausgeruht, wie am Beginn des Kampfes wirkte. . Wys verfluchte sich selbst. Früher hätte er stundenlang so weitermachen können. Nun jedoch brannten seine Muskeln, seine Knochen schmerzten und der Blutverlust ließ
seine Sicht verschwimmen. Er stützte sich mühsam an einer Säule ab und hob erneut das Schwert.
,, Ihr seid alt geworden, Archont.“ , verspottete der rote Heilige ihn. Ihm dürfte nicht entgangen sein, das Wys am Ende war… Mit einem einzigen Hieb schlug er ihm das Schwert aus der verletzten linken. Klirrend landete die Klinge irgendwo im Dunkel der Halle. ,, Sollen wir vielleicht besser eine Pause einlegen ? Oder wollt ihr vielleicht endlich ernst machen?“
Wys erwiderte nichts sondern stürzte sich mit aller Kraft auf ihn, die ihm noch geblieben war. Kreischend und Funkenschlagend trafen die Klingen
aufeinander. Wys hörte ein knirschen… und musste entsetzt zusehen, wie sich die Sense des roten heiligen unendlich langsam in den Stahl des Schwerts fraß. Dann zersprang die Schneide, als bestünde sie aus Glas. Splitter wirbelten durch den Raum, bohrte sich in Wys Brust und ließ ihn zurückstolpern. Trotzdem schaffte er es irgendwie, das Heft umklammert zu halten. Was von seinen Waffen geblieben war, war ein kaum Unterarmlanger Metalldorn… Nicht einmal ein Messer.
Der rote Heilige lachte über ihn, den blutenden, geschlagenen Krieger in seinem zerfetzten Mantel. Mit großen Schritten kam er auf ihn zu und hob die
Sense zu einem letzten, tödlichen Schlag. Doch Wys war schneller. Das düstere Funkeln in den Augen seines Gegners wandelte sich zu blankem entsetzten, als der gebrochene Archont wieder auf die Füße stolperte… und sich nach vorne warf. Wys trieb ihm die abgebrochene Klinge bis zum Heft in die Brust. Hoffentlich war das gesplitterte Stück Stahl noch lang genug um auch das Herz zu erreichen.
,, Das ist für Tira, du Bastard.“ , flüsterte er.