Vorwort:
Die Handlung dieser Geschichte ist frei erfunden, und jede Ähnlichkeit mit real existierenden Personen ist nicht beabsichtigt.
Für eventuelle Nachfragen zum Inhalt stehe ich gerne zur Verfügung.
Vom Leben eines Bayern in Sachsen im Mittelalter
Hoch zu Rosse kehrte die sächsische Adlige Monica von Heisenstein mit ihrem Gefolge, bestehend aus zahlreichen Jägern und Fährtensuchern, von der erfolgreichen Jagd aus ihren Ländereien zum Schloss zurück. Auf dem Innenhof wurden sie von den versammelten Bediensteten der Küche bereits erwartet. Allerdings würdigte die adlige Dame sie keines Blickes sondern stieg von ihrem Schimmel ab, damit der Stallmeister das edle Pferd mit Futter und Wasser versorgen konnte.
Gleichzeitig rannten die Knechte eilig zum seitlichen Eingang an der Burgmauer, und trugen die Fasane sowie ein paar Wildschweine in die Küche
hinein.
Der Schatzmeister trat nun auf seine Herrin zu, und verbeugte sich tief vor ihr.
„Meine Gebieterin, ich bitte Euch untertänigst darum einen neuen Berater für unsere Staatsgelder suchen zu dürfen, damit wir die Einnahmen wieder mehren können!“, sprach er.
„Erhebet Euch! Gelobet Ihr mir eine wachsende Aufbesserung?“, erwiderte sie mit hocherhobenem Haupt.
„Ich bitte Euch, dafür verbürge ich mich mit meinem Leben!“
„So sei es! Entsendet einen berittenen Boten für die Suche und gebt Acht, dass der Ausgewählte einen guten Leumund
besitzt, und Euren Anforderungen für diese Arbeit bei Euch gerecht werden kann!“
„Natürlich, meine Herrin! Ganz wie Ihr es wünschet und gebietet!“
Nachdem sich der Schatzmeister erneut tief verbeugte, entschwand Monica von Heisenstein in ihre Gemächer und duldete keinerlei Störungen mehr.
Irgendetwas fehlte in ihrem Leben damit sie sich vollständig sowie rundherum glücklich fühlte, und ließ deswegen ihren Blick aus dem Fenster weit in die Ferne schweifen.
Seit geraumer Zeit machte sich ein Mann namens Gunter auf den weiten Weg in die Fremde, um neue Länder und
die Einwohner mit ihren Sitten und Gebräuchen kennen zu lernen. Mit großem Interesse beobachtete und studierte er wildfremde Menschen, und schrieb sich häufig Notizen über seine Eindrücke darüber auf.
Um sich seine Reise leisten zu können arbeitete er gelegentlich als Erntehelfer auf dem Feld, oder spülte im Gasthaus das Geschirr, und verhalf bei dieser Gelegenheit dessen Besitzern ihre Geschäfte lukrativer zu gestalten.
Diese schweißtreibenden Arbeiten auf den Feldern und den Küchen übte er zwar nicht besonders gerne aus, aber es half ihm jedes Mal weiter seiner großen Leidenschaft mit Begeisterung
nachzugehen.
Nach einem mittlerweile vierstündigen Fußmarsch setzte sich Gunter erschöpft mit dem Rücken gelehnt an einen Baum. Die Essensvorräte neigten sich so langsam dem Ende zu, und auch die Feldflasche stillte seinen Durst bloß halbwegs.
Nur noch ein paar wenige Taler fand er im Wams seiner Innentasche vor, und bis zur nächsten Stadt lag noch eine ordentliche Strecke durch einen dicht bewachsenen Wald vor ihm. Die Geräusche von Pferdehufen in einiger Entfernung ließen ihn aufhorchen, und es näherte sich ein Reiter. Kurz bevor das Pferd den Baum seiner Rast erreichte
bäumte es sich in die Höhe, und blieb danach abrupt stehen.
„Ihr habt es überfordert, seht doch, Euer Pferd ist müde und erschöpft!“, warnte Gunter.
„Oh ja, ich habe nicht darauf geachtet! Ich danke Euch für Euren weisen Rat! Darf ich mich so lange zu Euch setzen, bis ich wieder weiter reiten kann?“
„Aber sicher, bitte nehmt doch Platz! Wie ist Euer werter Name, und was führt Euch in diese Gegend?“
„Man nennt mich Engelhart, und ich bin beauftragt für unsere Gebieterin Monica von Heisenstein einen neuen Berater für die Gelder im Hofstaate zu suchen! Welcher Name ist der Eurige?“
„Ich heiße Gunter, und es trifft sich gut, edler Herr, ich brauche dringend eine Arbeit, denn meine Vorräte sind beizeiten zu Ende!“
„Oh guter Mann, wenn ich Euch so betrachte dann bin ich mir ungewiss, ob Ihr dieser Herausforderung gewachsen seid!“
„Fällt nicht voreilig ein Urteil über mich, und lasset Euch überzeugen von meinen vielfältigen Kenntnissen. Dazu kann ich bereits auf eine erfahrungsreiche Zeit bei der Vermehrung der Gelder auf einigen Schlössern und Herrschaftssitzen zurückblicken, und bin daher genau der richtige Mann für Euch! Gerne zeige ich
Euch meine Empfehlungen von ihnen. Außerdem würde das Pferd bei Eurer weiteren beschwerlichen Reise bloß lahm werden, und Ihr wäret gezwungen Eure Suche aufzugeben. Wollt Ihr das Risiko auf Euch nehmen und es wagen, bei der Rückkehr mit leeren Händen vor Eurer Gebieterin zu erscheinen?“
„Aus dieser Warte habe ich es noch gar nicht betrachtet, Gunter. Eure Bedenken sind klug, und darum werde ich Euch die Möglichkeit bieten, mich von Euch überzeugen zu lassen. Aber enttäuschet mich nicht, sonst werdet Ihr es bitter bereuen müssen!“
Daraufhin versprach Gunter ihm sein Bestes zu geben, und ihn vor der adligen
Dame im bestmöglichen Licht erscheinen zu lassen. Hastig rollte Gunter die Wolldecke der Rast wieder zusammen, und packte seine Habseligkeiten in den Schultersack hinein.
Damit machten sich Engelhart und Gunter auf den Wald zu durchqueren.
Dabei mussten sie darauf achten nicht von den berüchtigten und gefürchteten Diebesbanden, oder ähnlichem Gesindel, überfallen zu werden. Danach schlugen sie den Pfad zum Schloss ein, und unterhielten sich angeregt miteinander.
Die Wächter hinter den Burgzinnen sahen die beiden Männer am Horizont auftauchen, und machten dazu der
Schlossherrin ihre Aufwartung, indem sie ihr darüber berichteten.
„Behaltet sie im Auge, auf das es keine Feinde für uns sein mögen!“, wies sie ihre beiden Untertanen an.
Nach der üblichen Verbeugung kehrten sie auf ihre Posten zurück und stellten dabei fest, dass die Besucher kurz davor standen den breiten Schlossgraben zu erreichen.
„Wohl an, es ist Engelhart, und ein unbekannter Mann ist an seiner Seite! So lasset die Hängebrücke hinunter, dass sie eintreten können!“, befahl einer der Wächter.
Mit neugierigen Blicken betrachteten die Bediensteten diesen Fremden und manche
von ihnen fingen damit an, leise miteinander zu tuscheln. Mit der flachen Hand beugte sich ein Knecht ans Ohr einer Magd, und sie kicherte über seine Worte.
„So höret mir jetzt zu, denn ich möchte Euch Gunter aus dem Lande der Bajuwaren vorstellen! Wenn unsere Gebieterin keine Einwände gegen ihn vorzutragen hat, ist er unser neuer Berater für den Schatzmeister!“, sprach Engelhart vom erhöhten Standpunkt der Burgtreppe aus.
Das Gemurmel im Schlosshof wurde nach dieser Mitteilung etwas lauter, und Engelhart winkte Gunter zu sich heran, dass er ihm folgen sollte. Überall an den
Kreuzgängen standen Wachposten in ihren Uniformen, und Gunter blickte sich um.
Schließlich erreichten die beiden den Thronsaal, in dem Monica von Heisenstein sie schon erwartete.
„So erstattet mir Euren Bericht Engelhart, wen habt Ihr mir hierher mitgebracht?“
„Meine Gebieterin, erlaubet mir Euch Gunter aus dem Lande der Bajuwaren vorzustellen, und er verfügt genau über Eure Vorstellungen dem Schatzmeister zur Hand zu gehen!“
„So, ist er das?“, meinte sie mit leichtem Zweifel.
Daraufhin sah sie sich den Bewerber
ganz genau an, während dieser sich vor ihr verbeugte. Dann erhob sie sich gemächlich vom roten mit Samt überzogenen Thron, und lief auf ihn zu.
Jedoch wurde es Gunter deswegen nicht mulmig zumute, denn er wartete gelassen ab, was nun auf ihn zukam. Mit der Hand überprüfte die Schlossherrin die Beschaffenheit seiner Haut im Gesicht, und umkreiste ihn dabei mit musternden Blicken von Kopf bis Fuß.
„So sei es! Ich habe mich dazu entschlossen ein Festmahl auf dem Schloss ausrichten zu lassen, und das ist zugleich Eure Probe der Bewährung, Gunter! Ich gebe Euch dafür einen
festgesetzten Betrag den Ihr einhalten müsst! Wenn Ihr ihn überschreitet, werdet Ihr Bekanntschaft mit dem Schlossgraben machen!“
„Aber…“
„Papperlapapp! Ihr werdet bloß nass dabei, sonst nichts!“
„Bevor Ihr nun von dannen geht sagt mir noch, was Ihr dort für Schriften bei Euch tragt, Gunter!“, sprach Monica, nachdem sie Schriftrollen aus seinem Schultersack herauslugen sah.
„Also, äh, das…“, druckste er herum, und beim Versuch eine Erklärung dafür zu finden, rammte ihm Engelhart den angewinkelten Ellenbogen in seine Rippen.
Darauf blickte Gunter ihn sofort mit einem strafenden Blick an.
„Schluss jetzt mit diesem albernen Gerangel, Engelhart! Lasst ihn sich erklären!“, unterbrach Monica das störende Herumgezappel der beiden Männer.
„Nun ja, werte Gebieterin, es sind bloß ein paar Geschichten die ich selbst verfasst habe. Aber Ihr solltet mich dennoch wissen lassen, wie viele Gäste Ihr zu Eurem Feste einladen gedenket!“
„Ich dachte dabei an fünfzig Herrschaften die uns mit ihrer Aufwartung beglücken werden, damit wir dadurch unsere diplomatischen Beziehungen vertiefen können!“
„Dann möchte ich mich jetzt unverzüglich an die Arbeit begeben, sofern Ihr es mir gestattet!“
So führet ihn zu seiner Kammer, Engelhart!“, erwiderte sie wieder vom Thronsessel aus, und legte ihre Unterarme auf die goldenen Armlehnen.
Daraufhin führte Engelhart das neuste Mitglied am Hof in den etwas abseits gelegenen Teil des Schlosses, und öffnete ihm die Tür. Bei seinem Blick durch den Raum fand Gunter ein Bett und einen Stuhl mit Schreibtisch am Fenster vor, auf dem eine Kerze brannte. Gerade wollte Engelhart auf dem Absatz kehrt machen und Gunter alleine lassen, als dieser ihn mit einer
Handbewegung daran hinderte.
„Könntet Ihr bitte dafür Sorge tragen, dass mir alle Bücher des Schatzmeisters für meine Prüfung ausgehändigt werden?“
„Um diese Zeit noch, belastet es Euch jetzt nicht zu Euren Ungunsten?“
„Ich bitte Euch, solche Arbeiten bin ich gewöhnt. Außerdem habe ich ein Fest vorzubereiten, und möchte mir deswegen auf schnellstem Wege einen Überblick verschaffen!“
„Gewiss! Ich werde Euch dafür gleich einen Boten hochschicken!“
„Ich danke Euch, und wünsche Euch eine angenehme Nachtruhe, Engelhart!“
„Das wünsche ich Euch auch, auf das
Ihr Euch nicht überbelastet!“
Nachdem Gunter seine Habseligkeiten im einzigen Schrank seines Zimmers verstaute, klopfte es an der Tür. Augenblicklich fing er damit an die Einnahmen und Ausgaben des Hofstaates zu kontrollieren, und machte sich dazu Notizen.
Dabei huschte seine Feder nur so über das Pergament, und die Tinte aus dem Fässchen reichte knapp dafür aus. Kurz bevor die Kerze erlosch stellte Gunter zügig eine Auflistung zusammen die genau alle Beträge auswiesen, und stieß dabei auf Möglichkeiten, denen offensichtlich niemand größere Beachtung schenkte.
Zufrieden und mit einem Lächeln im Gesicht legte er sich zu Bett, mit dem sicheren Wissen, sich bloß noch um das bevorstehende Fest kümmern zu müssen.
Am nächsten Morgen trug Gunter seine Liste zum Schatzmeister, und legte sie ihm auf den Tisch. Mit großen Augen sah er sich seine Berechnungen an, und lobte ihn für seine fleißige Arbeit.
„Wohl an, wie weit sind Eure Vorbereitungen für das Schlossfest?“, fragte er anschließend.
„Nun denn“, erwiderte Gunter, und konnte sich dabei um keinen Preis das Grinsen verkneifen, „wir werden sogar
einen Gewinn damit erzielen!“, fuhr er mit Stolz in der Stimme fort.
„So? Darauf bin ich äußerst gespannt, wie Ihr das anstellen werdet!“
„Pah! Ihr braucht es nur abzuwarten!“
„Dann sehen wir heute Abend weiter, wenn die ersten Gäste eintreffen werden!“
„So ist es!“
Die ersten Erfolge des Beraters vom Schatzmeister sprachen sich schnell auf dem Burghof herum, und alle Bediensteten des Schlosses warteten neugierig auf den Einbruch der Dunkelheit.
Die Klänge der Trompeten erschallten
von den Burgzinnen zur Begrüßung, als die ersten Kutschen mit den geladenen Gästen die Hängebrücke überquerten.
Die Burgmauern leuchteten im flackernden Licht der Fackeln, als sie den Innenhof betraten. Selbstverständlich ließ es sich Monica von Heisenstein nicht nehmen, die Adligen höchstpersönlich dort zu empfangen. Die Leibgarde ließ sie dabei nicht aus den Augen, und nach einem kurzen Plaudern mit der Schlossherrin führte der Diener die Herrschaften zum Festsaal.
Am Eingang erwartete sie bereits Gunter in edlem Gewand, und bat die Gäste um einen Obolus für den Zugang in den
prächtig geschmückten Saal. Keiner von ihnen wollte sich deswegen Schmach und Häme von den Anwesenden des Adelstands über das Haupt ergehen lassen, und öffnete bereitwillig die prallgefüllte Innentasche im kostbaren Wams mit den Talern. Dabei erwiesen sich alle als besonders großzügig, und diesen Umstand empfand Gunter als nicht sonderlich überraschend. Sein Plan ging voll und ganz auf, und das rauschende Fest im Saal gelang auf ganzer Linie. Die Diener trugen im Morgengrauen die letzten Adligen in die Kutschen hinein, damit diese Herrschaften verborgen vor der Öffentlichkeit ihren Alkoholrausch
auskurieren konnten. Danach erloschen die Fackeln im Innenhof, und es kehrte wieder Ruhe im Schloss ein.
Gegen die Mittagszeit rechnete Gunter das Ergebnis dieser Feier aus, und seine Vorhersage bestätigte sich. Gerade schrieb er die letzte Zahl auf, als es an seiner Tür klopfte.
„Seid gegrüßt, Gunter. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nacht, und konntet Euch vom ganzen Trubel ausreichend erholen!“, sprach Engelhart im Türrahmen.
„Gewiss, und die Bekanntschaft mit dem Schlossgraben wird mir erspart bleiben!“
„Unsere Gebieterin möchte Euch sofort
sehen!“
„Wenn es sonst weiter nichts ist…“
Dieser ironische Unterton blieb Engelhart nicht verborgen, aber er wagte es niemals sich zu solchen Äußerungen hinreißen zu lassen.
Der Wächter des Thronsaals schlug dreimal mit seinem Stab der Zeremonie auf den Boden, um die Besucher anzukündigen.
„Ah, mein Berater Gunter! Tretet näher, dass ich Euch genauer betrachten kann!“, begrüßte ihn Monica von Heisenstein.
„Ist das Fest zu Eurer vollständigen Zufriedenheit verlaufen?“, fragte der Bajuware.
„In der Tat! Ganz ausgezeichnet, werter Gunter! Wenn Ihr so weitermacht ziehe ich ernsthaft in Erwägung, Euch in den Adelsstand zu erheben!“
„Dann solltet Ihr Euch meine Ausgaben dafür ansehen, denn ich habe Eure Vorgabe voll und ganz erfüllt! Besser gesagt, es ist sogar noch ein Gewinn für Euch dabei herausgesprungen!“
„So, so, tatsächlich?“, zweifelte Monica, und ließ sich die Berechnung reichen.
Mit ernster Miene und schweigend las sie das Pergament durch, und hob danach den Kopf.
„Nun denn, ich bin beeindruckt! Sperrt den Schatzmeister für drei Tage in den
Kerker, dass er dort darüber nachdenkt welche Fehler ihm unterlaufen sind!“, befahl sie den Wächtern.
„Jawohl, Gebieterin!“
„So lasset mich nun allein, ich muss noch etwas ruhen! Vielleicht rufe ich Euch später noch einmal!“, sagte die Herrin, und erhob sich vom Thronsessel um sich in ihre Gemächer zurückzuziehen.
Der Tag am Hof verstrich, und Gunter gesellte sich zu den Bediensteten in der Küche. Wieder einmal bereiteten sie großartige Speisen zu, und schufteten dafür unermüdlich. Um die Arbeit etwas erträglicher zu machen entschloss sich Gunter dazu, ihnen ein paar von seinen
selbst verfassten Geschichten vorzutragen.
Deshalb verflog die Zeit für sie wesentlich schneller als gewöhnlich, und die Tische wurden gedeckt. Nachdem das gemeinsame Abendessen vorüberging, zog sich jeder in seine Kammer zurück.
Kurz bevor Gunter zu seinem Zimmer ging, holte er sich noch eine Kerze aus dem Vorratsraum. Damit wappnete er sich, um wieder die halbe Nacht neue Geschichten schreiben zu können. Seine Phantasie zeigte sich dabei grenzenlos, und manchmal musste Gunter selbst darüber lachen was er sich alles dafür ausdachte. Die erste Kerze stand schon
kurz davor gleich zu erlöschen, aber er schrieb wie von ganz allein immer weiter.
Da klopfte es heftig an der Tür, und Gunter erschrak fürchterlich.
„Entschuldigt bitte die späte Störung, aber unsere Gebieterin möchte Euch unverzüglich sprechen!“, teilte ihm Engelhart außer Atem mit.
„Um diese Zeit, was ist denn jetzt bloß in sie gefahren, das geht ja schon nicht mehr mit rechten Dingen zu!“, echauffierte sich Gunter.
„Ich weiß es nicht, aber ich bitte Euch mir zu folgen!“
„Na schön, aber wenn sie jetzt keinen triftigen Grund dafür hat…“
Die beiden Männer liefen durch die halbdunklen Gänge des Schlosses, bis sie vor der Tür des Schlafgemachs ankamen. Ohne anzuklopfen betrat Gunter einfach den Raum, obwohl Engelhart noch versuchte sein Erscheinen der Herrin anzukündigen.
„Ah, mein werter Gunter! Ich bin untröstlich dass ich Euch gestört habe, aber ich kann nicht schlafen! Seit Stunden wälze ich mich schon im Bett hin und her, aber es will mir einfach nicht gelingen einzuschlafen!“, überging Monica sein unverfrorenes Eintreten.
„Nun, das ist doch gar nicht so schwer. Denkt Euch etwas Schönes aus, und Ihr werdet dabei schlafen, wie Ihr es noch
nie erlebt habt!“
„Ach, das habe ich schon alles ausprobiert, aber es hilft nicht! Was soll ich bloß noch tun, Gunter?“
„Naja, es gäbe da noch eine andere Möglichkeit…“
„Jetzt spannt mich nicht so elendig auf die lange Folter! Welche?“
„Ich trage Euch einige meiner selbst geschriebenen Geschichten vor, und Ihr werdet danach von wunderbaren Träumen in Eurem Schlafe begleitet!“
„Als dann! Fangt an mir vorzulesen!“
„Dazu muss ich sie erst aus meiner Kammer holen!“
„Engelhart, holt die Schriftrollen von Gunter hierher, und beeilt Euch!“, rief
sie zur Tür, wohl wissend, dass er davor wartete.
Innerhalb weniger Minuten führte Engelhart ihre Bitte aus, und kehrte mit den Rollen japsend nach Luft zurück.
„Ich danke Euch Engelhart, Ihr dürft Euch nun zurückziehen!“, sagte Monica, und setzte sich in eine aufrechte Position im Bett.
Neugierig und gespannt wartete die Schlossherrin nun darauf, dass Gunter die erste Geschichte vorlas.
„Nun Gunter, keine falsche Bescheidenheit, nehmt Euch den Stuhl von da drüben zu mir her, und fangt an!“, forderte sie ihn auf.
Nachdem sich Gunter hinsetzte, fing er
damit an ihr vorzulesen.
Besondere Beachtung schenkte er dabei einer gewissen Betonung an den besonderen Stellen in seiner Niederschrift, und legte gekonnt kurze Pausen zwischen den Absätzen ein. Auch auf das entsprechende Tempo achtete er und ließ ihr kurz Zeit, die Wirkung seiner Worte auch richtig zu interpretieren.
Am Ende des Vortrags blickte Gunter auf, indem er den Kopf hob.
„Hat es Euch gefallen?“, erkundigte er sich.
„Ganz ausgezeichnet, werter Gunter! Eure Art sich auszudrücken beeindruckt mich zutiefst, und mit welcher
Leichtigkeit Ihr sie mir vorgetragen habt, also, mir fehlen die Worte!“
„Euer Kompliment berührt mich, und dafür danke ich Euch!“, erwiderte er ganz bescheiden.
„Aber glaubt bloß nicht, Ihr dürft Euch jetzt in Eure Kammer zurückziehen! Von Euren Geschichten kann ich gar nicht genug bekommen, so lest mir noch eine vor!“
Daraufhin griff er zum nächsten Pergament, und las ihr daraus vor.
Dabei zeigte Monica von Heisenstein die unterschiedlichsten Reaktionen.
Mehrfach lachte sie so laut, dass es jeder im ganzen Schloss hörte. Dann wurde sie für kurze Momente traurig und
nachdenklich, und manchmal grinste sie bloß über seine Zeilen. Aber es löste auch Augenblicke des Schweigens bei ihr aus, indem sie ihm nur ganz andächtig zuhörte. Lächelnd registrierte Gunter dabei ihr Rattern der Gedanken im Kopf.
Die ganze Nacht las Gunter ihr seine Geschichten vor, sie erwog nicht einmal im Mindesten an Schlaf zu denken. Dafür zeigte sie sich viel zu begeistert, und erst als der Hahn krähte durfte er sich entfernen.
Seit dieser besonderen Nacht veränderte sich das ganze Leben in diesem Hofstaat, denn schon am nächsten Tag ließ Monica von Heisenstein jeden
einzelnen Winkel des ganzen Schlosses in voller Pracht schmücken.
„Heute Abend wir es für Euch alle ein Festmahl geben! Für diesen Anlass erhebe ich unseren allseits geschätzten Gunter in den Adelsstand! Ab heute wird er den Namen Gunter von Tetzmoos tragen, und so verbeuget Euch vor ihm!“, teilte die Schlossherrin ihrem Gefolge mit.
Dieser Aufforderung kamen sie nach, während Gunter voller Stolz auf den Innenhof blickte.
„Doch dem nicht genug, zusätzlich wird Gunter von Tetzmoos der Mann an meiner Seite sein, und ist daher mit den gleichen Rechten und Pflichten
ausgestattet wie ich selbst!“, ergänzte sie.
Damit brach eine völlig neue Ära in diesem Landesteil in Sachsen an, denn um das Schloss bildete sich eine ständig wachsende Siedlung mit rechtschaffenen Bürgern, die dem Wohl des Landes zum Aufschwung verhalfen.
Regelmäßig hielt Gunter von Tetzmoos Vorlesungen aus seinen Schriften, und wurde damit zum allseits geachteten Schreiberling über die Landesgrenzen hinaus. Noch heute sind seine zahlreichen Werke für jedermann zu lesen, aber noch nicht haben alle Menschen seine Aufsehnerregenden Schriften für sich entdecken können.
©Newcomer
Bleistift meint* "Vom Leben eines Bayern in Sachsen im Mittelalter..." Supersteile Karriere, die dein Bajuware Gunter da innerhalb kürzester Zeit im Sächsischen hingelegt hat, noch zumal als ein absoluter Noname... Und das bei einem solch sensiblen Posten, um den in den engsten Vertrautenkreisen bei den Adligen hart geschachert und übelst gefeilscht wurde. Ich denke da besonders an von Fürstenberg, der bei August dem Starken – dem Kurfürst von Sachsen und König von Polen der einst dessen Finanzminister war und nebenbei auch noch seine Ehefrau (Gräfin Cosel) vernaschte... ...grinst* Aber so what, die Geschichte ist aus einem Guss gemacht und zeigt, was ein eloquenter Minnesänger so alles zu leisten vermag... ...smile* LG Louis :-) |
Lindenblatt Hallo Newcomer, habe ALLE Seiten Deiner herrschaftlichen Geschichte gelesen. Es wirkt sehr autentisch, wenn auch von Dir frei erfunden.l So ein schlauer Gunter, nimmt einfach "Eintrittsgelder". Und mit seinen guten Geschichten hat er Monica von Heisenstein "verzaubert" und ist damit in den Adelsstand erhoben worden. Nicht nur das..... Lieben Gruß Linde |