Kurzgeschichte
Haus am Hang

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"Ich sehe Rot"
Veröffentlicht am 19. April 2016, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Ich sehe Rot

Haus am Hang

Haus am Hang

Aufgeregt schiebt er seine Brille gerade. Staffelei und Barhocker stehen bereit.

Den Abstand zum Fenster hat er so gewählt, dass er von draußen nicht gesehen werden kann. Sollte er während seiner Arbeit in Rage geraten, wird er die Gardine nicht berühren. So viel Vorsicht muss sein.


Es ist zwar helllichter Tag, doch er hat es trapsen hören.

Die Spatzen haben es von den Dächern gepfiffen.

Die gesamte Nachbarschaft weiß Bescheid.

Einige sind in die Stadt gefahren.

Möglichst weit weg.

Andere legten sich frühzeitig Augenbinden und Ohrenklappen an.

Und er, er schiebt seine Brille gerade. Überprüft seine Farben und die Stabilität seines Malgrundes. Ungeduldig steht er auf und sieht aus dem Fenster. Verdreht sich, so weit es geht.

Doch noch gibt es keine Anzeichen.

Überlegend streicht sein Zeigefinger über die Oberlippe: Soll er sich noch schnell einen Kaffee zubereiten? Eilig schwingt er sich hoch.

Ihm ist die Gefahr bewusst.

Die Gefahr, den Anfang zu verpassen.

Während die Kaffeemaschine broddelt, hört er die lauten Stimmen. Er hastet an das andere Ende seiner Wohnung.

Starrt durch die Gardine.

Doch nichts regt sich. Es war nur ein erwartungsvolles Trugspiel. Es ist ja nicht so, als würde er sich daran laben wollen.

Nein, ganz gewiss nicht!

Er will es nur festhalten. Ganz persönlich. Den Augenblick der Leidenschaft mit seiner geballten Macht!

Das ist er als Künstler der Allgemeinheit schuldig. Wieder spurtet er durch die Wohnung. Dem Kaffeeduft entgegen. Er greift sich die ganze Kanne, schließlich kann es länger dauern.

Und während er sich an dem schwarzen Trunk fast die Lippe verbrennt, marschieren sie auf.

Lautstark und grölend.

Bierflaschen klirren.

Eine Scheibe geht zu Bruch.

Es geht alles sehr schnell.

Der Pinsel kann kaum Schritthalten.

Eine Tür wird aufgebrochen.

Die Menge schiebt sich hinein.

Schreie zerreißen den Lärm.

Angstschreie.

Verzweiflungsschreie.

Fließendes Blut ist zu hören! Es ist der einzige Ton, der ihm hierzu einfällt.


Nach der Farbenlehre bräuchte er die Komplementärfarbe.

Aber Grün passt hier überhaupt nicht ins Geschehen!


Könnte Goethe das hier sehen, er würde sich in seinem Grabe umdrehen. Nein, er würde es vor Frust und Kummer völlig zerwühlen!

Und weil das Haus am Hang steht, läuft die ganze Suppe raus.

Zum Glück, sonst würden alle im Inneren daran ertrinken!

Doch dafür ist es ja sowieso schon zu spät!


Der Zweifel überrollt ihn geradezu.

Er wird die Magie des Augenblicks nicht einfangen können.

Wie soll das auch gehen?

Was hatte er sich nur vorgestellt?

Wie naiv kann man denn sein?

Da hilft auch alle Liebe zur Aufgabe nichts. Den Augenblick festzuhalten.

Es ist unmöglich! Und langsam will er das auch nicht mehr. Während sein Arm von Missmut schwer wird, färbt er den gesamten Horizont ein.

Mit der Farbe des Tages. Ihm ist so übel. Dieser rote Gestank.

Er kann den Pinsel nicht mehr halten.

Müde sackt er zusammen. Pantoffelheld, er.

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Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

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KatharinaK Herzlichen Glückwunsch zum Einzug in den Olymp, Frettschen.
Eine inszenierte Geschichte, der leider allzu Wahres zugrunde liegt.
Verdient auf dem zweiten Platz.
Liebe Grüße,
Katharina
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Hui! Und ein fettes Dankeschön :))
Vor langer Zeit - Antworten
schnief Ich schließe mich Tintenkleks an, sonst würde ich wiederholen!!!!!
Liebe Grüße Manuela
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks ein grandioses Stück Text, Geschehensreportage und doch Geschichte, in ein Gemälde gefassst, ein expressives ..
und die Bilder im Kopf, die entstehen - wiedergeboren aus verschwommenen Erinnerungen, wie Puzzleteile ersetzen sie aus dem Erfahrenen und Gehörten oder wie Memorybilder das nicht Gesagte, nicht Geschriebene zum Horrorgeschehen, doch der Schrei.. dieses "Haltet ein!!" zerflattert im Wind, denn es gibt wohl keinen der sieht und hört - wie so oft.
Ich danke dir für Deinen Text
lieben Gruß vom Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Oh! Da kriege ich ja Gänsehaut!
Danke für deinen grandiosen Kommentar - wenn ich könnte, würde ich dir dafür ein ♥ senden ... :D
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks Danke für die Kommentartalerchen :-)
Vor langer Zeit - Antworten
BellaCPernier Ich schließe mich EllaWoke an.
Beeindrucken, wie schockierend. Tolle Geschichte.
Drück dir die Daumen.

LG Catherne
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Schön, dass du bei mir reingeschnuppert hast. Lieben Dank für deinen durchweg positiven Kommi. :)
Vor langer Zeit - Antworten
EllaWolke Selbst Bilder und Text getrennt drücken "Schauer" aus
Hier hast Du also einen Doppel-Gänsehaut-Schauer geschaffen

LG
Ella
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Vielen Dank! Ich freue mich sehr :)
Bei einem solchen Text fallen die Geschenke etwas rahrer aus.
Um so mehr freue ich mich :D
Thema und Umstzung sind grenzwertig, ich weiß das.
Es erinnert mich an die Bilder des "Otto Dix". Sie sind abstoßend und zum selben Zeitpunkt fesseln sie jeden Betrachter.
Nicht dass ich so brillant wäre wie er, aber ein bisschen "Dix" steckt drin.
Vor langer Zeit - Antworten
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