Romane & Erzählungen
Stigmata

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"Stigmata"
Veröffentlicht am 19. April 2016, 54 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: S.Stede
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Über den Autor:

Hallo Ihr Lieben, ich war lange nicht auf diesem Portal. In der Zwischenzeit habe ich auf Amazon mein erstes Buch veröffentlicht. "STIGMATA" ist ein Romantik-Thriller und als E-Book und Paperback erhältlich. Vielleicht hat der ein oder andere Lust, hinein zu schnuppern und eine Rezension zu hinterlassen. Würde mich freuen. Schreiben ist meine Passion, so lange ich zurück denken kann. Neben einigen, vollendeten Romanen, widme ich mich ...
Stigmata

Stigmata

Ihr Lieben


Ich war lange nicht auf diesem Portal, da ich damit beschäftigt war, mein Buch zu veröffentlichen.

Stigmata ist bei Amazon als E-Book und Paperback erschienen.

Für alle, die Lust haben mal hinein zu lesen, habe ich ein Kapitel hier veröffentlicht.

Stigmata ist ein Romantik-Thriller


Viel Spaß beim lesen


Ganz liebe Grüße


Meereswind



(c) Meereswind 19.04.2016



Stigmata


Zwei Leben. Zwei Schicksale. Eine Liebe, die unweigerlich den Verlauf ins Verderben nimmt...

Sechzehn Achtsamkeit


Wo kein Urteil ist,     

da ist kein Schmerz.        

            Marc Aurel Die Nacht war klar und so kalt, dass jeder Atemzug zu kleinen Kristallen gefror. Der volle Mond warf lange Schatten und lies die Äste der blattlosen Eiche wie Geisterhände aus der Dunkelheit

aufragen. Die dünne Frostschicht verlieh dem Geäst einen knochenartigen Glanz. Bei jedem Schritt knirschte das gefrorene Laub unter den Sohlen wie brechendes Gebein. Er zog das Baseballkap tiefer in die Stirn und nahm mit gründlich suchendem Blick die nahe Umgebung ins Visier. Zu dieser nachtschlafenden Zeit war er völlig allein auf dem Gelände. Behutsam wickelte er die mitgebrachten Blumen aus dem gelben Papier und betrachtete fasziniert die Reinheit der weißen Blüten. Weiße Rosen. Nicht nur, dass sie das Symbol der

heimlichen Liebe waren. In ihrer exzellenten Schönheit bildeten sie geradezu das perfekte Bindeglied zu Nicole, deren Schönheit viel zu früh verblüht war. Er sank in die Knie, nahm die welken Blumen aus der Vase und legte sie achtlos auf den Weg, bevor er den Strauß frischer Rosen in dem Marmorgefäß arrangierte. Im gleißenden Licht des Mondes schimmerten die Blüten wie fließende Milch. Vorsichtig berührte er mit den Fingerspitzen die hauchzarten Pflanzenblätter, die sich fast augenblicklich mit Frost überzogen. Samten fühlten sie sich

an. Wie die Haut der Frau, die er bis heute liebte und anbetete, die ihm viel zu früh genommen worden war. Er erhob sich. Still vor dem Grab verharrend, gedachte er all der Stunden, die sie miteinander verlebt hatten, die Pläne, welche sie gemeinsam geschmiedet hatten… Das Papier in seinen Händen raschelte laut, als er es mit kontrollierter Wut zerknüllte. Er würde Nicols Tod rächen. Das hatte er sich vor mehr als neun Jahren geschworen und nun war die Zeit gekommen, sein Werk zu

vollenden. * Der schale Geruch abgestandenen Bieres

schlug ihr entgegen, als sie den diffus beleuchteten Gastraum des Bonapartes betrat. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich in dem nebelhaften Licht zurecht zu finden. So blieb sie am Eingang stehen und sah sich vage um. In den mit Balken eingefassten Nischen saßen vorherrschend Männer an den abgestoßenen Kieferntischen, deren hölzerne Oberfläche dunkle Ringe aufwiesen, welche die Feuchtigkeit des Kondenswassers der Gläser, in einer Vielzahl, im Laufe der vergangenen Jahre dem Holz beigefügt hatte. Ein unbehagliches Gefühl beschlich sie, beim Abschreiten der Reihen, im

Bewusstsein, dass sämtliche Augen ihr folgten. Manch einer unterbrach sogar das Gespräch, erstaunt, ein völlig fremdes Gesicht in dieser Lokalität zu finden. Vielleicht täuschte sie sich und er war gar nicht hier. Nur weil sein Wagen draußen am Straßenrand parkte, musste das noch lange nicht heißen, dass sie ihn hier auch antreffen würde. Doch dann sah sie ihn und ihr Herz schlug ein paar Takte schneller. Er saß, völlig allein und in Gedanken versunken, in der letzten Nische. Beide Hände fest um ein Glas geschlossen, in dem sich eine bernsteinfarbene Flüssigkeit

befand. Er starrte in das Gefäß, als befänden sich auf dessen Grund die Lösung aller Probleme, die ihn augenscheinlich zu belasten schienen. „Salü Thierry“, sie hatte Mühe das Stimmengewirr um sich herum zu übertönen. Aber er hatte sie gehört. Erstaunt, beim Klang ihrer Stimme, hob er den Kopf und sah sie an. „Lia…was machst du hier?“ In seinen Augen lag ein seltsam trüber Glanz, der noch von dem bitteren Zug um seinen Mund, welcher tiefe Falten in seine Züge grub, untermalt wurde. „Ich hab dein Auto draußen stehen sehen

…hast du etwas dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“ fragte sie fast schüchtern. Er schüttelte den Kopf und deutet auf die Bank ihm gegenüber. Liliana streifte ihre Jacke ab und sank in die roten Kunststoffpolster, deren tiefe Risse davon erzählten, die besten Zeiten schon hinter sich gelassen zu haben. Sich leicht vorbeugend sah er sie eindringlich an: „Ich muss dich warnen, Liliana. Ich bin nicht besonders unterhaltsam heute Abend.“ Er hob sein Glas an die Lippen und leerte es in einem Zug. „Möchtest du etwas trinken?“ „Ein Wasser.“ Thierry nickte knapp und hob die Hand,

um dem Wirt ein Zeichen zu geben. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn je in ähnlicher Verfassung erlebt zu haben. Nicht einmal damals, als sie von seiner Vergangenheit erfuhr und mehr als geschockt reagierte, hatte er so resigniert gewirkt. Verzweifelt ja. Aber nicht ergeben. Der Wirt, ein Hüne von einem Mann, trat an den Tisch und betrachtete sie mit neugierigem Blick. „Sieh an Thierry, du hast Besuch bekommen, und dann noch so hübschen. Willst du mir die Lady nicht vorstellen?“ Thierry hob die Hand und wies vage auf Liliana: „Pierre, Liliana

Lavie. Liliana, Pierre. Ihm gehört das Bonaparte.“ Bei dem Namen Lavie schossen die graumelierten, buschigen Brauen des Mannes in die Höhe und er betrachtete sie aus seinen dunklen Augen noch ein wenig eingehender. „Lavie. Natürlich, deswegen kam mir auch ihr Gesicht gleich so bekannt vor…Sie sind Mathieus Witwe.“ Er verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust und schüttelte mit einem Lächeln grüblerisch den Kopf. „Äußerst seltsam, dass ausgerechnet ihr zwei,“ sein Zeigefinger flog zwischen ihnen hin und her, „Euch angefreundet

habt.“ Liliana wollte ihn gerade fragen, was er damit meine, als Thierry ihr zuvor kam. „Die Dame möchte ein Glas Wasser und ich hätte gerne noch einen von diesem guten Single Malt:“ „Thierry, denkst du nicht, für heute reicht es? Jetzt, wo du auch noch in Begleitung dieser bezaubernden Madame bist?“ „Das entscheide immer noch ich und glaub mir, Pierre, ich bin noch lange nicht am Ziel.“ „Nun gut, wie du meinst.“ Der Wirt wandte sich um und ging zurück an den Tresen, um die Bestellung

vorzubereiten. Thierry lehnte sich rückwärtig und begegnete ihrem Blick. Eine Zeit lang schwiegen sie, sahen einander nur an und Liliana erkannte in seinen Augen tiefe Verzweiflung. Selten genug hatte sie die Möglichkeit ihm so tief in die Seele zu schauen, bevor der Vorhang wieder fiel. Es schmerzte sie, ihn in dieser Gemütslage vorzufinden. In all den Wochen, die sie ihn nun kannte, war er es gewesen, der stets Zuversicht und Stabilität ausstrahlte. „Warum bist du hier?“, wiederholte er seine Frage von zuvor. Liliana atmete tief bevor sie antwortete:

„Ich habe dich gesucht.“ Erstaunt hob er die Augenbrauen und schüttelte leicht skeptisch den Kopf. „Warum?“ Sie senkte die Lieder und strich ruhelos mit den Fingern über ein Astloch in der Tischoberfläche. Als er schließlich seine Hand über ihre legte hob sie den Kopf. „Warum, Lia?“ rau klangen die Worte von seinen Lippen. „Du hast dich nicht gemeldet, in den vergangenen Tagen. Ich…ich hab mir einfach Sorgen gemacht, dass Patrice Worte Wirkung gezeigt haben.“ „Wie hast du mich gefunden?“ „Das sagte ich doch, dein

Auto…“ Ungehalten schüttelte er den Kopf. „Das meine ich nicht Liliana. Woher wusstest du, wo du mich suchen musst?“ „Das wusste ich nicht. Ich bin immer wieder auf gut Glück durch die Gegend gefahren, in der Hoffnung, Dich oder Dein Auto zu finden.“ Etwas in seinem Mienenspiel veränderte sich. Sie hätte nicht genau sagen können was es war. Doch er suchte es zu verbergen, in dem er kurz die Augen schloss und die Lippen aufeinander presste. „Ist es so, Thierry? Liegt es an Patrice, dass ich nichts mehr von dir gehört

habe?“ Leise aufstöhnend presste er für einen Moment Daumen und Zeigefinger auf die Lieder bevor er schließlich, sich geschlagen gebend, zu sprechen begann. „Du und ich, wir spielen in völlig unterschiedlichen Liegen. Durch das was ich getan habe, bin ich bei den Menschen hier in Ungnade gefallen. Ich kann und will dich nicht in diesen Sumpf mit hinein ziehen. Wenn er dich erst mal in seinen Fängen hat, gibt es kein Entrinnen mehr. Glaub mir, ich weiß genau wovon ich spreche.“ Müdigkeit und Trauer färbten seine Stimme dunkel. „So, für die Dame ein kühles Wasser und

für dich, mein Junge, noch einen einunzwanzigjährigen Belvanie, “ Unbemerkt war Pierre wieder an den Tisch getreten und servierte ihnen ihre Getränke. „Wohl bekomms“, warf er mit einem Augenzwinkern ein und widmete sich den Neuankömmlingen, die die Gaststube betraten und einen schwall kalte Luft mit herein brachten. „Und was ist mit ihm?“ mit einem leichten Kopfnicken wies Liliana auf den Wirt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass deine Anwesenheit Pierres Missfallen hervorruft. Oder Henri? Der scheint dich, trotz allem, zu lieben wie ein Vater.

Nicht bei jedem hier auf der Insel triffst du auf Ablehnung.“ Ein erschöpftes Lächeln, das jedoch nicht seine Augen erreichte, glitt über seine Lippen. „Dann sag mir Liliana, bist du ohne Zweifel?“ Die Ernsthaftigkeit und Tiefe seiner Worte ließ sie bis ins Mark erschauern. „Thierry ich…“ „Na, wen haben wir denn hier? Wenn das nicht die Lavie Witwe ist und…welch seltsamer Zufall, mit meinem Freund Thierry. Guten Abend Madame.“ Der Fremde berührte den Schirm seiner Mütze und verbeugte sich, leicht spöttisch, vor

Liliana. Seine braunen Augen musterten sie aufmerksam. Das sonnengebräuntes Gesicht umrahmt von halblangem, blondem Haar, erschienen ihr seltsam vertraut. Dennoch war sie nicht sicher, diesem Mann, der sich so unhöflich in die Unterhaltung drängte, schon einmal begegnet zu sein. „Daniel Nicholas. Ich kannte ihren Mann.“ Mit einem hinterhältigen Grinsen wies er auf Thierry. „Ich hoffe mein Freund hier behandelt sie gut.“ Lilianas Blick fiel auf Thierry, der jedoch schweigend in sein Glas starrte

während er den Whisky langsam darin kreisen ließ und seine Gefühle fest unter Verschluss hielt. „Sie sollten wissen, “ fuhr Nicholas unaufgefordert fort, „Thierry ist ein echter Ladykiller…“ Was dann geschah, ging so schnell, dass Lilian nicht die Möglichkeit blieb, die Situation voraus ahnen zu können. Bevor der Fremde das Wort Ladykiller ganz ausgesprochen hatte, hatte es Thierry schon aus der Bank gehoben. Ohne Vorwarnung packte er den Mann, der sich als Daniel Nicholas vorgestellt hatte, am Revers seiner Jacke und drängte ihn gegen einen der Holzbalken, der die Sitznischen

unterteilte. Liliana erkannte leichte Panik in den dunklen Augen des Fremden, als Thierry ihn, fast mühelos von den Füßen hob und gegen das Holz drückte. „Du verdammter Bastard. Merk dir eins, Ich. Bin. Nicht. Dein. Freund.“ Thierry Stimme war so tief vor unterdrücktem Zorn, dass Liliana sie kaum als die Seine erkannte. Ein Schauer rann ihr über die Haut und lies sie leicht erzittern. „Und wenn du nicht endlich mit deinen Verleumdungen aufhörst dann…“ „Was dann? Bin ich dann der Nächste auf deiner Liste, Thierry?“ Sie spürte kaum, dass sie den Atem

anhielt, wie all die anderen Gäste, die sich noch im Lokal befanden, auch. Die Gespräche an den Tischen waren verstummt. Alle Blicke richteten sich auf die beiden Männer, die den Mittelpunkt des Geschehens bildeten. Die Atmosphäre schien regelrecht zu knistern „Thierry, lass ihn los.“ Pierres sanfte Stimme durchbrach die Stille. Er legte Thierry behutsam eine Hand auf die Schulter, um ihn zur Vernunft zu bringen. Liliana sah den inneren Kampf den er führte. Konnte ihn fast am eigenen Leib spüren. Zum einen war er ein Mensch, der seine Gefühle stets beherrschte, sich nicht zu

unbedachten Äußerungen oder Handlungen hinreißen ließ. Zum anderen aber, hatte die Aussage des Fremden, ihn bis aufs Blut gereizt. An seinem Hals pulsierte eine Ader, als Ausdruck dessen, was er nur mit Mühe im Zaum halten konnte. „Komm schon Junge, er ist es nicht wert. Denk an das Mädchen. Der Anblick von euch zwei Kampfhähnen ängstigt sie noch.“ Thierry wandte den Kopf und begegnete Lilianas Blick. Für einen Moment hatte sie den Eindruck, er habe ihre Anwesenheit völlig vergessen. Doch was immer er in Ihren Augen sah, bewog ihn schließlich

dazu den anderen loszulassen. Er trat zwei, drei Schritte zurück, fuhr sich in einer verzweifelten Geste durch das Haar und wandte sich schließlich an den Wirt. „Verzeih meine Unbeherrschtheit Pierre. Normalerweise habe ich mich besser unter Kontrolle. Was immer ich dir schuldig bin, schreib es auf, ich zahle beim nächsten Mal.“ „Schon gut, Thierry, “ Pierre klopfte dem Freund leicht auf die Schulter, als dieser seinen Mantel vom Haken griff und auf den Ausgang zusteuerte. „Madame, er sollte jetzt nicht allein sein…,“ Pierre warf ihr einen bedeutsamen Blick zu und nickte in

Richtung Tür. Ohne zu zögern streifte Liliana ihre Jacke über und erhob sich. Im Gehen vernahm sie Nicholas stichelnde Stimme: „Denken sie an meine Worte, Madame Lavie…“ „Du verteufelter Mistkerl. Glaubst du ich habe nicht mitbekommen, was für ein falsches Spiel du spielst, “ das war Pierre, der sich Nicholas zu Brust nahm. „Ich habe dich gewarnt. Fürs Erste brauchst du dich hier nicht mehr sehen zu lassen…“ Die Tür schlug hinter ihr zu, als Liliana hinaus in die Kälte trat, und verschluckte den Rest der Worte. Thierry stand an die Kühlerhaube seines

Transporters gelehnt. Den Kopf zurückgelegt, die Augen geschlossen, hatte er die Hände tief in die Taschen seiner Jeans geschoben. Sein Anblick rief in Liliana Gefühle wach, die sie schon fast überwunden glaubte. Auf seinen Schultern schien eine unsichtbare Last zu liegen, die ihn langsam aber sicher in die Knie zwang. Als er die Augen öffnete begegnete er geradewegs ihrem Blick. Weder Erstaunen noch Freude zeichneten sich darin. Im Blau der Iris, in dem das matte Licht der Straßenlaterne sich spiegelte, lag nichts anderes als tiefe Verlassenheit und düstere

Aussichtslosigkeit. „Mein Wagen steht gleich dort an der Ecke. Komm, ich bring dich nach Hause.“ Ihr Atem hinterließ kleine Wolken in der eiskalten Luft. „Nicht nötig“, seine Stimme klang ablehnend reserviert. „Aber du kannst unmöglich noch fahren, Thierry.“ „Das habe ich auch nicht vor. Mein Heim ist zehn Minuten Fußmarsch von hier entfernt.“ Müde strich er sich mit einer Hand über das Gesicht und sah sie schließlich unter halbgeschlossenen Liedern an. „Hör zu, Liliana. Es tut mir leid, dass du das eben mit ansehen

musstest…“ „Alles was ich gesehen habe, war ein Mann, dem die Nerven durchgegangen sind, nachdem ein anderer ihn bis aufs Blut gereizt hat.“ „Und ich habe die Angst in deinen Augen gesehen“, sagte er heiser. „Das Wissen darum, dass doch jenes Gewaltpotenzial in mir schlummert, von dem alle sprechen.“ Sie senkte den Kopf, aus Furcht, er könne die Zerrissenheit in ihren Zügen sehen. Sie wollte so sehr an das Gute in ihm glauben. Mehr als einmal hatte er ihr bewiesen, dass es da war. Und doch gab es immer wieder Situationen, Aussagen,

Handlungen, die ihre Zweifel schürten. Behutsam umfasste er mit eiskalter Hand ihr Kinn und hob es an, so dass sie seinem Blick nicht länger ausweichen konnte. „Ich wusste es“, sagte er leise. „Auch wenn du es noch so zu verbergen suchst, Lia. Das Misstrauen steht als Mahnmal in deine wunderschönen, grünen Augen gezeichnet.“ Behutsam strich er mit dem Daumen über ihre Wange. „Und wie könnte es auch anders sein. Du kanntest ihn nie, den Menschen, der ich war, bevor das Leben aus mir machte, was ich heute bin, was die Menschen in mir zu sehen glauben. Den Mörder, das

Monster.“ „Thierry…“ „Es ist okay.“ „Nein, das ist es nicht.“ Mit beiden Händen umfasste sie sein Gesicht. „Glaub mir, nichts wünsche ich mir mehr, als alle Bedenken beiseite zu schieben. Aber das kann ich nicht. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Noch nicht.“ Ein schmerzlicher Ausdruck verdunkelte seine Augen, als er leise gequält aufstöhnte. „Aber…fürs Erste…genügt es da nicht, dass ich gern mit dir zusammen bin. Dass du mir gut tust und ich mich in deiner Nähe wohl fühle?“ Einen Weile schwieg er, bevor ein erstes,

zaghaftes Lächeln seine Lippen verzog. Mit einem tiefen Atemzug löste er ihre Hand von seiner Wange und verschränkte ihre Finger ineinander. Liliana spürte, wie sein Daumen behutsam über das kalte Metall des Eheringes strich. „Ist das so?“ fragte er mit belegter Stimme. „Bei all meinen Zweifeln überwiegt doch die Sehnsucht, in deiner Nähe zu sein. “ Das Mondlicht zeichnete seltsame Muster auf den nachtdunklen Asphalt. Irgendwo über ihnen ertönte der klagende Laut einer Möwe während am Pier, mit leisem Gurgeln, die fest vertäuten Fischerboote auf dem erstaunlich ruhigen

Atlantik schaukelten. „Was ist es, Thierry? Was hat dich so aus der Bahn geworfen, dass es deine eiserne Beherrschung durchbrochen hat? Ein Mann wie du, der lässt sich doch nicht durch die Aussage eines Anderen so aus der Reserve locken.“ Noch während sie in seiner Mimik nach Antworten suchte, spürte sie das Zittern welches seinen Körper durchlief. Die offensichtliche Äußerung der Gefühle, die er so mühsam zu beherrschen versuchte. Schwer sank er wieder gegen die Kühlerhaube und schien, mit gesenktem Kopf abzuwägen wieviel er preisgeben

konnte. „Ich war auf dem Friedhof…an ihrem Grab. Nicoles Grab…“ Er unterbrach sich, vielleicht weil es ihm zu viel abverlangte, diese Erinnerungen heraufzuzerren, vielleicht, weil er den Schmerz nicht ertragen konnte, der sich mit diesen Bildern verband. Was auch immer ihn quälte, es war so intensiv, dass Liliana das Gefühl hatte, danach greifen zu können. „Warum warst du noch einmal dort, Thierry? Das letzte Mal hat dir schon alles abverlangt.“ Er hob müde die Schultern und sah sie an. „Es war ein Gefühl, ein Drang. Ich weiß

es nicht.“ „Was hast du dort vorgefunden, dass dich so beunruhigt?“ Es war spürbar, dass jenes Erlebnis in direktem Zusammenhang mit seinem Ausbruch von zuvor stand. „Es standen Rosen auf dem Grab. Weiße Rosen, doppelt so viele wie beim letzten Mal. Mehr als ein Dutzend.“ Es fiel ihr schwer seinen Gedanken zu folgen. Vermutlich gab es auf der Insel genug Menschen, die dieser Frau noch immer eine Ehre erweisen wollten. Die einerseits diesen tragischen Verlust betrauerten, andererseits in diesen Tagen, vielleicht auch aus Neugier die Grabstätte

aufsuchten. „Ich verstehe nicht…was ist so verwerfliches an Blumen auf dem Grab. Vielleicht hat dein Bruder einen Gärtner beauftragt, der wöchentlich frischen Grabschmuck bringt. Schließlich wohnt er weit weg und konnte sich in deiner Abwesenheit nicht selbst um die Gruft kümmern.“ Mit der rechten Hand hielt er noch immer die ihre, mit der anderen strich er sich erschöpft über das Gesicht. „Es waren nicht irgendwelche Blumen. Es waren Rosen, weiße Rosen Liliana. Erinnerst du dich an die Artussage? Lancelot brachte Guinevere weiße Rosen. Sie besiegelten das Bündnis ihrer

geheimen Liebe.“ Er legte den Kopf zurück und nahm einen tiefen Atemzug. „Irgendjemand spielt ein perfides Spiel mit mir.“ „Aber es könnte doch auch sein, dass die Person, welche die Rosen auf das Grab gelegt hat, sich keine Gedanken über die Wahl der Blumen gemacht hat, “ gab sie zu bedenken. Er schüttelte den Kopf. „Deine Arglosigkeit in allen Ehren, Lia. Aber das ist eine Botschaft an mich. Ich kann nur ihren Inhalt noch nicht deuten.“ Plötzlich durchzuckte Liliana ein Gedanke. „Glaubst du…glaubst du, dass dieser

Nicholas damit zu tun hat?“ Den Kopf leicht zur Seite geneigt, blickte er einen Augenblick lang auf ihre verschlungenen Finger. „Ich weiß es nicht. Vielleicht. Denkbar wäre es. Als Nicole noch lebte, hat sie sich jedenfalls oft genug mit ihm vergnügt.“ Die Bitterkeit in seinen Worten ließ sie erschauern. „Nicole hatte ein Verhältnis mit Daniel Nicholas?“ „Mit ihm und zahllosen anderen, deren Namen ich nicht kenne oder vergessen habe.“ Schmerz durchtränkte seine Stimme bei den letzten Worten, so dass sie sich rau

verfärbte. Nach den richtigen Worten suchend biss sie sich leicht auf die Lippe. „Thierry …das tut mir leid…“ Mit einem rauen Laut stieß er sich vom Wagen ab, so dass er dicht vor ihr stand. „Das sollte es nicht. Es liegt so lange zurück. Vor einigen Monaten noch, habe ich geglaubt diese Dinge in mir erlöst zu haben. “ Mit einem tiefen Seufzen strich er sich durch das dunkle Haar. „Doch vermutlich bin ich einer Illusion erlegen. Ebenso wie dem Glaube, hier auf der Insel weiterhin mein Leben fristen zu können. Am Ende bleibt nichts, denn die Dämonen der Vergangenheit sind einfach zu stark, viel

stärker als die Gegenwart je sein kann.“ Die Resignation in seinen Worten ängstigte sie. Gefühle hatte er bisher kaum zur Schau getragen. Sie waren tief verschlossen in seiner wunden Seele und seinem gebrochenen Herzen. „Na komm“, sagte sie leise, legte die Arme um ihn und zog ihn mit sich, „Ich bringe dich Heim.“

* Er schlug die Augen auf und blieb reglos liegen. In die ihn umgebende Stille lauschend, versuchte er nachzuspüren, was ihn so plötzlich aus dem Schlaf gerissen hatte, warum sein Herz einen so harten Rhythmus schlug Da war nichts, außer Lilianas leise, vollkommen gleichmäßige Atemzüge, die an sein Ohr

drangen. Er spürte ihren warmen Körper dicht an dem seinen, ihr Haar, das ihn am Kinn kitzelte. Vielleicht hatte sie sich bewegt, oder im Schlaf gesprochen. Es war ihm fremd, einen anderen Menschen neben sich zu spüren, mit ihm das Bett zu teilen. Der Mond warf eine Schneise milchigen Lichtes in die Schlafkammer und unterteilte die Räumlichkeit in schwarz und weiß. Lies dunkle, unheimliche Schatten erwachsen. Liliana seufzte im Schlaf und schob sich dichter an ihn heran. Er spürte wie sein Herzschlag sich

normalisierte. „Keine Gefahr“, signalisierte sein Gehirn dem Körper. Auch im Schlaf schienen noch immer alle Sensoren in Alarmbereitschaft zu sein, um einem möglichen Anschlag zu entgehen. Im Gefängnis hatte dieser Überlebensinstinkt ihm mehr als einmal das Leben gerettet. Er wandte den Kopf leicht und nahm ihren mittlerweile vertrauten Duft wahr. Das hatte er nicht gewollt. Nicht an diesem Abend und an keinem darauffolgenden. Innerlich hatte er bereits mit dem Gedanken abgeschlossen, Liliana wieder zu begegnen. Schon gar nicht auf diese Art und Weise wie sie

nun bei ihm lag. Er hatte nichts zu geben, würde sie lediglich mit in den Abgrund reißen an dem er seit seiner Rückkehr ständig wandelte. Mit der einen Option, früher oder später den Halt zu verlieren und in die Tiefe zu stürzen. Das einfallende Mondlicht umriss ihre Züge in harten Konturen und dennoch sah er nichts als Verletzlichkeit darin. Das Leben hatte ihr manche Narbe zugefügt, von der sie sich teilweise noch kaum erholt hatte. Vor wenigen Stunden erst, hatte er das kühle Material des Eheringes an ihrem Finger gespürt. Trotz der Jahre, die mittlerweile ins

Land gezogen waren, nach Mathieus Tod, gelang es ihr nicht sich von seinem Schatten zu befreien. Und ihm? Erging es ihm nicht ebenso? Fast zehn Jahre lag Nicole nun schon in ihrem kühlen Grab der ewigen Jugend. Warum, verdammt noch mal, gelang es ihm nicht, die nötige Distanz einzunehmen? Da war es wieder. Ein Knacken oder Quietschen. Es gelang Thierry nicht, das Geräusch zu identifizieren. Vorsichtig, um Liliana nicht zu wecken, erhob er sich und trat barfuß ans Fenster. Obwohl ein Flügel geöffnet war und eiskalte Nachtluft in das Zimmer drang,

bewegte sich der luftige Vorhang nicht. Geschützt vor Blicken von außen durch die Gardine, suchte Thierry mit den Augen den Vorgarten ab. Der volle Mond warf sein Licht, gleich einem Scheinwerfer, auf den Weg der zum Haus führte. Kein Schatten war zu sehen, der vorbei huschte. Kein weiterer Laut zu vernehmen. Er spürte wie seine Nackenhaare sich aufrichteten. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er hier einer trügerischen Ruhe auf dem Leim ging. So sicher, wie er vor wenigen Augenblicke das Geräusch vernommen

hatte, so sicher war er auch, dass sich jemand unbefugtes auf seinem Grund und Boden befand. Sein Blick streifte das Gartentor. Es stand einen spaltbreit offen. Das war es. Er hatte das Tor am Abend, als er mit Liliana zurückkehrte, verschlossen. Jener Laut, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, war das Quietschen der Pforte gewesen, welche in den Angeln Klagelaute von sich gab, wenn sie jemand betätigte. Und dies hatte irgendjemand getan. So leise wie möglich streifte er seine Jeans über. Lautlos öffnete er den Schubkasten des

Nachttischens und tastete in der Dunkelheit nach dem Messer, das er für Notfälle dort verborgen hielt. Als seine Finger das kühle Metall berührten, durchlief ein Schauer seinen Körper. Es widerstrebte ihm zutiefst mit einer Waffe durch das Haus zu laufen. Doch ebenso wenig würde er sich wehrlos einer nicht bekannten Gefahr aussetzen. Seufzend drehte sich Liliana auf die andere Seite. Er verharrte reglos. Wartete, ob sie erwachte. Lauschte in die Stille. Doch er vernahm nichts außer dem Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren und dem drängenden Schlag des Herzens

gegen seine Rippen. Sich erhebend trat er leise an die Tür heran und öffnete sie behutsam. Der Korridor erstreckte sich still und dunkel vor ihm. Er dachte nicht darüber nach, wie er handeln würde, sollte er sich tatsächlich einem Eindringling gegenüber finden, sondern folgte einem blinden Instinkt, der ihn bis direkt vor dem Treppenabsatz führte. Der dicke Velourteppich erstickte das Geräusch seiner bloßen Füße auf dem Boden. Er verharrte kurz, wog ab, ob er es wagen konnte, in die tiefschwarze Ebene hinabzusteigen, ohne direkt ins offene Verderben zu rennen, als er ein

weiteres Geräusch vernahm. Ein Knirschen oder Kratzen. Unmöglich zu lokalisieren, ob es im Haus selbst erklang oder von draußen kam. Adrenalin schoss durch seinen Körper und trieb ihn an. Ungeachtet der Gefahren, die dort im Verborgenen lauerten, stieg er die Stufen hinab in dem Bestreben Liliana, sich und sein Heim zu verteidigen...


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STIGMATA von Silvia Maria de Jong


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Hörbuch

Über den Autor

Meereswind
Hallo Ihr Lieben,
ich war lange nicht auf diesem Portal. In der Zwischenzeit habe ich auf Amazon mein erstes Buch veröffentlicht. "STIGMATA" ist ein Romantik-Thriller und als E-Book und Paperback erhältlich.
Vielleicht hat der ein oder andere Lust, hinein zu schnuppern und eine Rezension zu hinterlassen.
Würde mich freuen.



Schreiben ist meine Passion, so lange ich zurück denken kann.
Neben einigen, vollendeten Romanen, widme ich mich auch immer wieder gerne der Lyrik.
Ich liebe Rilke und Fried, um nur wenige favorisierte Namen zu nennen.
Mein großer Traum: Eines Tages in den Buchladen meines Vertrauens zu gehen und dort mein eigenes Buch zu erstehen.
Gut, dass wir träumen dürfen.
Viel Spaß mit meinen Werken.
Eure Silvia

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