Nach den Ereignissen in der fliegenden Stadt ist Galren Lahaye nach Hamad zurückgekehrt. Der Friede jedoch ist von kurzer Dauer und als er Opfer eines Angriffs wird, scheint es, als habe der Tod seines Vaters nur etwas viel gefährlicheres auf den Plan gerufen. Währenddessen bleibt auch der Rest des Landes von den aufziehenden Schatten nicht unberührt. In Helike verlieren die Archonten immer mehr an Einfluss und die Jahrhundertealte Ordnung droht zu Staub zu zerfallen. Unfähig, den Urheber der Unruhen zu finden, bittet der Archont Wys Carmine schließlich die
Magier von Maras um Hilfe…
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,, Wir sind zu spät. Hier ist niemand mehr Herr.“ Die Stimme des Mannes wurde von den Felsen zurückgeworfen, er selber nur ein Schemen am Ende eines kurzen Steintunnels. Janis wusste das schon, noch bevor er die Worte hörte. Schon am Felsentor hatte er ein mulmiges Gefühl bekommen. Damals, in der Nacht als Lucien gestorben war, hatten dort Fackeln gebrannt und ein halbes Dutzend Männer den schmalen Durchgang ins Tal bewacht. Heute jedoch, im hellen Tageslicht, war niemand mehr zu sehen gewesen. Syle hatte noch eine Falle vermutete und
zuerst nur einen kleinen Trupp Männer durch die Passage geschickt, doch der Ruf der Späher ließ nun auch ihn jede Vorsicht vergessen. Als er gefolgt von Janis schließlich zwischen den Felsen auftauchte, war von einem Lager jedenfalls nichts mehr zu sehen. Lediglich einige Feuerstellen zeichneten sich im platt getrampelten Gras ab und ein zwei Zelte standen noch, die wohl von ihren Besitzern zurück gelassen worden waren. Tau schimmerte im Morgenlicht auf den Wiesen und in den Zweigen einiger Büsche. Die Asche war lange kalt, als Janis ein Kohlestück herausfischte und gleich wieder fallen ließ. Hier war schon eine
Weile niemand mehr, dachte er, während er die Asche an seiner Hose abwischte und sich wieder erhob. Janis fragte sich, ob sein Vater mittlerweile bereits wusste, was vorgefallen war. Vor einigen Tagen hatten sie einen Boten zur fliegenden Stadt geschickt. Auf Verstärkung konnten sie wohl trotzdem nicht hoffen, dazu würde es zu lange dauern, Truppen zu sammeln. Die fliegende Stadt verfügte zwar über eine große Schutztruppe, aber die Leibgarde des Kaisers alleine war noch keine Armee. Aber Syle hatte die bisherigen Ereignisse für den Kaiser zusammengefasst… und wenn er Erfuhr
was Janis getan hatte? Wenn seine Mutter es erfuhr? Was mochte Syle über ihn schon zu berichten haben… Janis fühlte sich alleine bei dem Gedanken Elend. ,, Seht euch um, ich will sichergehen, dass sie wirklich weg sind.“ , befahl Syle an einen kleinen Trupp Gardisten gerichtet. Der Rest der Armee, die sie aus Erindal mitgeführt hatten, lag bereits um das Tal verteilt auf der Lauer. Vergebens… Janis bezweifelte, dass auch die Kundschafter viel finden würden. Vielleicht noch die Spur, die eine so große Gruppe bei ihrem Aufbruch hinterlassen haben musste. Aber sicher
keine Menschen mehr. Sie waren tatsächlich zu spät gekommen. Janis wanderte ziellos über die leeren Wiesen, während die Gardisten um ihn herum ausschwärten und begannen, alles abzusuchen. Die letzten Tage waren auch nicht einfacherer gewesen, als die zuvor. Nach wie vor suchten ihn Geister heim und seit der Konfrontation mit Kaspian… Vor wenigen Tagen noch hätte er wohl genau wie Syle auf den Lord reagiert. Oder schlimmer. Sie hätten die Männer niemals bekommen oder wären sogar gestorben, das stand fest. Aber irgendwie war er über seinen Schatten gesprungen, nicht? Nur zu spät. Trotz
allem zu spät. Dass sie die Kultisten nicht mehr hier fanden war dabei noch das, was ihn am wenigsten beschäftigte. Er wusste, wo sie hin wollten. Es hatte einen Verrat gebraucht, damit er die Augen öffnete, dachte Janis bitter. Er wollte das Wort Mord selbst jetzt nicht in den Mund nehmen. Am Ende… er hatte nicht das Schwert geführt, das Lucien das Leben kostete. Aber all seine Arroganz war an jenem Abend nur Asche gewesen und selbst jetzt, wo er es langsam wagte, den Kopf wieder etwas höher zu tragen… ließ ihn die Erinnerung keine Ruhe. Egal ob er mit den Männern marschierte oder nachts in seinem Zelt lag, immer wieder tauchte
der Moment auf, in dem Lucien fiel. Syles Schlag… und der Blick in den Augen des alten Bärs. Maßlose Enttäuschung. Das war das schlimmste… Syle war vielleicht das was einem echten Freund noch am nächsten kam, auch wenn er gleichzeitig die Rolle seines Mentors einzunehmen suchte. Sicher es hatte anderer gegeben. Junge Adelige in seinem Alter, ein paar Mädchen, die er nach ein paar Nächten keine Beachtung mehr geschenkt hatte… Aber er hatte für keinen davon wirklich Respekt empfunden. Bei Syle war das anders… Und wenn er ehrlich war… am Ende hatte sich auch Lucien seinen Respekt verdient gehabt. Der Mann war
verrückt gewesen, vielleicht wirklich irre. Aber er hätte ihn mögen können. Janis schüttelte den Kopf. Er konnte sich bis in alle Ewigkeit Selbstvorwürfe und Rechtfertigungen ausdenken. Das änderte aber auch nichts… Geschehen war geschehen. Aber Syle lebte noch. Und wenn es eine Ewigkeit dauerte, er würde sich den Respekt des Gejarn wieder verdienen. Und falls das unmöglich war… dann konnte er zumindest den Versuch wagen, sich zu entschuldigen. Er hatte die letzten Wochen damit zugebracht vor dem Mann davonzurennen. Nicht mehr. Grade, da er den Entschluss jedoch gefasst hatte, hallte erneut ein Ruf zu
ihnen. ,, Herr, das solltet ihr sehen.“ Einer der Männer die Syle ausgesandt hatte, war wieder zurückgekehrt und bedeutete ihnen rasch, ihm zu folgen. Und Janis stellte fest, dass er den Weg kannte. Beim letzten Mal war er zwar gerannt und es war dunkel gewesen, doch in der Ferne konnte er bereits die Erdwand ausmachen… und was nach wie vor an ihrem Fuß lag. Von Lucien war nicht viel geblieben, das noch an den Mann erinnerte, der er einmal gewesen war. Das Drachenfeuer hatte ganze Arbeit geleistet und im Umkreis von fast dreißig Schritten alles schwarz verbrannt. Das einzige, was
nicht fast bis auf die Knochen versengt war, war der graue Umhang des kaiserlichen Agenten. Zwar war der Stoff stellenweise angebrannt, aber nicht völlig zerstört worden. Von seinem Körper hingegen waren kaum mehr als ein paar Knochen geblieben, wohl weil sich in der Zwischenzeit auch schon die ersten Raubtiere darüber hergemacht hatten. Janis wurde übel bei dem Gedanken. Die Kultisten hatten ihn wohl einfach hier liegen lassen, damit er verrotten konnte. ,, Er verdient ein ordentliches Begräbnis.“ Syle , der ebenfalls dem Ruf des Späher gefolgt war, ließ sich neben dem Toten auf ein Knie nieder.
Vorsichtiger und sanfter, als man es ihm zugetraut hätte, schlug er die Überreste in den grauen Mantel ein und hob dann das, was von seinem Freund geblieben war vorsichtig auf. Irgendetwas löste sich dabei aus dem Umhang des Mannes und glitzerte einen Moment in der Sonne, bevor es im Gras verschwand. Außer Janis schien es niemand bemerkt zu haben. ,,Herr, wir haben Spuren entdeckt.“ , warf einer seiner Männer leise ein. ,, Wenn wir sofort losziehen können wir…“ Syle brachte den Mann mit einem schlichten Kopfschütteln zum Schweigen. ,, Ich weiß, wohin sie
unterwegs sind. Ihr Ziel ist das rote Tal. Aber das ist keine trainierte Armee und sie werde die Steppe durchqueren müssen. Sie werden öfter rast machen als wir. Wir werden sie noch früh genug einholen.“ Mit diesen Worten Schritt der Bär an seinen wartenden Männern vorbei, immer noch Luciens Überreste in den Armen. Einige der Gardisten zögerten kurz, bevor sie ihrem Anführer schließlich doch folgten. Janis hingegen, froh eine Ausrede zu haben um den Bär jetzt nicht unter die Augen zu treten, bückte sich nach dem Gegenstand, der aus Luciens Umhang gefallen war. Es war eine simple Metallspange mit den
Wappentieren des Kaiserreichs darauf. Adler und Löwe waren aus Bronze und poliertem Stahl gefertigt, nicht aus den edleren Materialien, die man für einen Siegelring hernahm. Die Brosche eines Agenten, dachte Janis, während er sie an sich nahm. Doch zwischen die beiden Wappentiere hatte jemand eine Schleife aus rotem Stoff gebunden. Trotz des Rauchs und der Feuer konnte Janis den schwachen Duft von Parfüm darunter erkennen. Götter… Hatte Lucien am Ende jemanden, der jetzt auf ihn wartete? Der Mann war ihm eher wie ein Einzelgänger erschienen. Ein Eigenbrötler, der sich in den Feldern Risaras Versteckte. Doch das hier war
unmissverständlich… und machte seine Schuld nur umso schwerer. Janis löste vorsichtig die Schleife von der Brosche und ließ sie in seine Tasche wandern. Wenn das hier alles vorbei war, würde er wohl noch jemanden um Verzeihung bitten müssen. Wenn er sie den fand. Janis erhob sich mit einem Seufzten und verstaute die Brosche ebenfalls, dann folgte er den anderen. Als er Syle und seine Gardisten schließlich fand, hatten diese sich vor dem schwarzen Gerippe des Geisterbaumes versammelt. Einige Männer hatten wohl bereits begonnen Holz herbeizuholen, doch Syle schickte sie wieder fort. ,, Diese Leute haben
Feuer benutzt um zu töten. An diesem Ort, will ich ihm nicht die Seele eines Mannes anvertrauen.“ Stattessen begannen sie also damit, ein flaches Grab zwischen den toten Wurzeln des Baumes freizuschaufeln, bis die Grube tief genug war um die Überreste des kaiserlichen Agenten darin zur Ruhe zu betten. ,, Ruhe sanft mein Freund.“ , murmelte Syle während einige Gardisten das Grab bereits wieder mit Erde auffüllten. ,, Wir sehen uns eines Tages auf der anderen Seite.“ Mit diesen Worten drehte der Bär sich schließlich um und gab seinen Männern das Zeichen zum Aufbruch. Janis
hingegen blieb unter den verkohlten Zweigen stehen und es schien Syle wohl egal, ob er ihnen folgte oder nicht. Noch konnte er nicht gehen, dachte er, während er nach oben sah.. Seine Finger schlossen sich dabei nachdenklich um das rote Band in seiner Tasche. Immerhin hatte das Feuer den Geisterbaum nicht völlig zerstört, dachte er. Was immer die Kultisten mit der Vernichtung hier erreichen wollten, sie hatten nicht gewonnen. Nicht ganz zumindest. Vielleicht war das ja ein Zeichen. Hoffnung… Es war noch nicht alles verloren und wenn das stimmte… gab es vielleicht auch eine Chance für ihn, oder? Trotz der Schrecken, die hier
stattgefunden hatten, strahlte dieser Ort immer noch eine eigentümliche Ruhe aus. Es war, als wäre die Luft hier irgendwie dichter, doch nicht unangenehm, sondern eher so, als trüge man eine warme Decke auf den Schultern. Ohne genau zu wissen warum zog Janis die Schleife aus der Tasche und Band sie vorsichtig an einen der tiefer hängenden Äste des Baumes. Er wusste nicht ob es Syles Ahnen gab, trotzdem bat er stumm darum, dass sie Lucien behüten mochten. Vor de Klauen des Herrn der Ordnung wenn es ihn den wirklich gab… Sämtlicher anderer Schmuck, den der Baum einst getragen hatte, war
zertrampelt worden oder den Flammen zum Opfer gefallen. Aber vielleicht machte auch das gar nichts, dachte er. Er legte eine Hand auf die verbrannte Rinde und fand, das die oberste Ascheschicht sich ganz einfach ablöste… nur um darunter helles, unversehrtes Holz zum Vorschein zu bringen. Ein Regenguss nur dann wäre dieser Ort wieder wie einst. Dennoch würde es nicht Rückgängig machen, was hiergeschehen war. Nicht für die Gejarn, die einen ihrer Ältesten verloren hatten. Nicht für Syle…nicht für ihn. Es konnte so nicht weitergehen, sagte er sich und schloss einen Moment die Augen. Er musste diese Schuld
irgendwie abtragen. Selbst wenn er sich selber nie verzeihen würde, er musste zumindest Syle wieder in die Augen sehen können. Aber wie und wo anfangen? Ihm Antwortete nur die Stille und das leise Rauschen des Winds in den Zweigen des Geisterbaums, das so sehr nach leisen Stimmen klang. Zögerlich ging er in die Knie und zog langsam das Schwert… Als er schließlich wieder zu Syle und den anderen zurückkehrte, hatten diese bereits wieder das Steintor passiert. Einige der Gardisten warfen ihm seltsame Blicke zu, doch der Bär widmete ihm nach wie vor keine Aufmerksamkeit. Stattdessen gab er
lediglich den Befehl zum Aufbruch. Selbst das Janis als Büßer zurückkam, mit geschorenem Haupt und bloßen Füßen schien den Gejarn kaum zu beeindrucken. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. ,, Syle…“Der Bär reagierte nicht, selbst dann nicht, als Janis sich direkt vor ihn stellte. Stattdessen ging er einfach an ihm vorbei, als hätte er ihn gar nicht bemerkt. ,, Ich hätte an seiner Stelle sein sollen, oder ? Ich weiß es ändert nichts aber… Ich wünschte ich könnte es ungeschehen machen ich…“ Er fand keine Worte auszudrücken was in ihm vorging, das Bedauern, das ihm für den Großteil seines Lebens Fremd gewesen
war klar zu machen. Und doch musste Syle ihn doch verstehen. Er musste es nicht verzeihen, nur verstehen. ,, Es tut mir leid. Ich weiß ich kann es nicht wieder gut machen, aber… was immer ihr für nötig haltet.“ Nach wie vor gab der Bär keine Antwort und langsam schlug Janis Furcht in Verzweiflung um. Trauer in Wut… Seine Augen füllten sich mit Tränen. ,, Syle !“ Auf seinen Ruf hin wurde der Gejarn tatsächlich endlich langsamer und Jnais stellte sich ihm erneut in den Weg.. ,, Wenn du mir nicht einmal zuhören kannst, dann sei es so. Ihr habt gesagt ihr würdet mich töten… dann tut es. Wenn das der einzige Weg ist wie ich
noch Vergebung erlangen kann, bitte…“ Janis blinzelte eine Träne weg und dieses Mal blieb Syle tatsächlich stehen. ,, Ist es das was ihr hören wolltet ? Ich kann so nicht weitermachen, Syle. Nicht… so.“ Eine Weile glaubte er, der Bär würde ihm erneut nicht Antworten. Das Gesicht des Hochgenerals war so unleserlich wie eh und je und nichts hinter den schwarz-gelben Augen verriet, was er denken mochte. Schließlich jedoch seufzte er… und legte Janis eine Hand auf die Schulter. ,,Junge… geschehen ist geschehen. Und wir brauchen dich jetzt. Ich brauche dich. Bei dem was wir vorhaben kann
ich nicht auf deine Hilfe verzichten und ich will es auch nicht. Verstehst du mich? Aber den Mann den ich kenne kann ich dabei nicht gebrauchen. Diesen Mann würde ich töten… doch ich sehe nichts mehr von ihm. Also bekommst du das hin? Bringen wir das hier zu Ende? Für Lucien und all die anderen ?“
Janis nickte. ,, Ich habe meine Lektion gelernt, Syle…
,,Nein.“ Der Bär schüttelte den Kopf. ,, Ich fürchte noch lange nicht.“ Aber der Junge hatte etwas gelernt, dachte er. Wenn auch für einen bitteren Preis.
Terazuma Hallo Eagle! Da hat Janis wirklich einen großen Schritt getan. Unglaublich. Aber wie Syle sagte, es ist ein langer Weg den er noch vor sich hat und der Preis dazu war eindeutig zu hoch. Jetzt können sie wirklich nur eilen um noch rechtzeitig zum roten Tal zu kommen.^^ LG Tera |
EagleWriter So langsam nähern sich alle Storystränge dem vorläufigen ,,Ende"^^ Betonung auf Langsam. lg E:W |
EagleWriter Bisher musste nur Lucien abdanken... aber es bleibt wohl nicht dabei ^^ lg E:W |