1.Kapitel
Lauren Coldrane saß auf dem blauen Holzstuhl des örtlichen Polizeipräsidiums und wartete darauf, dass eine wildfremde Person über ihre Zukunft entschied. Immer wieder kam ein gehetzter Polizeibeamter an ihr vorbei, von den meisten wurde sie ignoriert, manche schenkten ihr ein schwaches Lächeln im Vorbeirauschen. Sie scharrte mit den Füßen über den Boden und las sich zum zehnten Mal die Rückseite einer ihr unbekannten französischen Zeitung durch, als sich endlich die Tür öffnete und Mrs Even zusammen mit einem ihr unbekannten
Polizisten den Raum betrat und direkt auf sie zuging. Lauren sprang auf und lief mit schnellen Schritten auf die beiden zu. „Wo ist mein Bruder? Ich habe ihn schon seit Stunden nicht gesehen und will endlich zu ihm!“ Mrs Even holte ein Taschentuch aus ihrer Tasche und putze – offensichtlich sinnlos – ihre Nase und gab damit das Wort an ihren Begleiter. „Dein Bruder wird bald hier her kommen, es müssen nur noch einige Formalitäten geklärt werden.“ Er lächelte sein strahlendstes Beamtenlächeln und hielt ihr die Hand hin. „Mein Name ist übrigens Officer Wildon.“ Lauren rümpfte die Nase und ignorierte die ausgestreckte Hand des
Polizisten. Dieser seufzte leise und zog sie zurück. „Mein Bruder ist bereits zweiundzwanzig Jahre alt.“, sagte Lauren und blickte Officer Wildon zum ersten Mal in die Augen. „Er ist vernünftiger als die meisten anderen Erwachsenen, die ich kenne. Ich muss in kein Kinderquälheim, ich kann bei ihm wohnen.“ Wildon fuhr sich mit der Hand durch sein braunes kurzes Haar und seufzte noch einmal. „Das ist nicht so einfach, weißt du. Es gibt viele Fragen, die noch geklärt werden müssen und das ist eine davon. Ich weiß, dass der Autounfall deiner Eltern ein harter Schlag für dich ist und du verdienst mein vollstes Mitgefühl. Aber leider
kann man diese Formalitäten nicht umgehen. Aber ich werde alles dafür tun, dass es dir gut geht, wie auch immer das aussehen mag.“ Er legte ihr kurz die Hand auf den Oberarm, verabschiedete sich von Mrs Even und verließ den Raum. Lauren setzte sich zurück auf ihren Stuhl und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatte vor einer Woche innerhalb von ein paar Minuten ihre Eltern verloren. Und jetzt ließ man sie nicht einmal zu ihrem Bruder Michael. „Komm jetzt.“, sagte Mrs Even und verstaute ihre Taschentücher wieder in ihrer großen Tasche, die mit ihren großen pinken Blume darauf ein wenig an eine
Badetasche erinnerte. „Wir müssen los.“