Kurzgeschichte
Der einsame Elch

Alaska, den 21. Dezember 2008
 

Es schneit immer noch bei minus 50 Grad. Ich bin gerade erwacht und blinzle mir den Schlaf aus den Augen. Mein Kopf schmerzt als hätte ich eine Flasche Whisky vom Trapper Henry auf Ex geleert, dabei hatte ich bloss einen verschissenen Alptraum.

Gerade fegt eine Ladung Schnee von einem Tannenast auf meinen Rücken. Puh ist das kalt! Ich schüttle mich und mache einen Sprung vorwärts. Dabei lande ich mit dem linken Vorderhuf in einem gefrorenen Bärendreck. Ist wohl nicht mein Tag heute!

Ein angstvolles Zittern läuft durch mein Fell, während ich an das Rudel Wölfe von meinem Traum denke. Die Wölfe greifen bekanntlich nur erwachsene Elche an wenn diese alt, krank oder verletzt sind. Auf mich trifft leider alles zu:

Alt bin ich, uralt! Mein Geweih lastet wie Blei auf meinem knochigen Kopf.

Krank ist mein Herz vor Einsamkeit. Ich bin der letzte Elch in dieser rauen Gegend und ein Elch Weib hatte ich das letzte Mal in der Brunftzeit im Herbst 1999 bestiegen.

Verletzt bin ich noch von dem grausamen Prankenhieb eines Grizzlybären von letzter Woche. Wäre mein menschlicher, nach Kautabak stinkender Kumpel nicht gewesen, wäre ich wohl jetzt schon in den ewigen Jagdgründen.

Dabei ist doch schon bald Weihnachten! Ich werde dem Trapper wieder Gesellschaft leisten. Henry wird, nach dem er 3.5 Promille intus hat, mir das Geweih mit Engelshaar und roten Weihnachtskugeln schmücken. In seinem Kamin wird ein Feuer prasseln und mir das Herz und das Fell wärmen. Dann werde ich den restlichen Glühwein von ihm in einem Eimer serviert bekommen. Ich werde damit meinen Durst löschen und für ein einziges Mal im Jahr ganz heiter werden und die Einsamkeit wird schwinden wie der Schnee im Frühling.

Frohe Weihnachten!

ConnyB.