TiAras Flucht
Tiara fühlte sich nicht wohl, sie passte einfach nicht in diese Welt. Ja, sie war eine Hexe, genau wie die anderen im Hexenreich auch. Doch der Unterschied war, dass sie niemals den Menschen etwas Böses antun könnte. Sie war eine gute Hexe, sie wollte den Hexen im Hexenreich, und auch den Menschen im Menschenreich immer nur Gutes tun.
Das gefiel der Oberhexe Schlawinia überhaupt nicht. Schlawinia war der festen Überzeugung, dass eine Hexe böse zu sein hatte, und wenn sie mitbekam dass eine ihrer Hexen, die sie eigentlich durchaus gerne hatte, dazu neigte Gutes tun zu wollen, dann
schlug sie mit ihrem Hexenstock so dermaßen auf den Boden des Hexenreichs, dass es bis in die Menschenwelt als Erdbeben zu spüren war. Wenn Schlawinia schrie dann wurde es in der Menschenwelt zu einem großen Sturm, und wenn sie Grimassen zog, dann wurde es in der Menschenwelt ein Gewitter.
Tiara hatte genug vom Leben im Hexenreich. Hier war es dunkel und kalt. Sie hatte gehört dass bei den Menschen ein großer runder leuchtender Ball über den Himmel wanderte der es schön warm machte. Hier im Hexenreich war es Außer kalt und dunkel auch noch völlig farblos. Im Hexenreich gab es nur schwarz, höchstens manchmal bei
großen Feiern auch ein wenig grau.
Tiara las sehr gerne und so hatte sie über die Menschenwelt gelesen dass in der Menschenwelt Blumen in diversen Farben blühten, Schmetterlinge durch die Lüfte flogen und sogar Vögel ein lustiges Liedchen sangen, während man hier im hexenreich niemals irgendwelche Vögel hörte, allerhöchstens hin und wieder den Ruf eines Uhus oder eines Kuckucks.
Tiara wusste, so wollte sie nicht weiterleben. Doch was sollte sie tun? Es war strengstens verboten das Hexenreich zu verlassen, und die Grenze zwischen dem Hexenreich und der Menschenwelt wurde scharf bewacht.
Die Grenze wurde nur auf der Seite des
Hexenreichs bewacht, denn die Menschen hatten schon lange vergessen, dass es ein Hexenreich überhaupt gab. Und selbst die wenigen, die wussten dass es ein Hexenreich gibt, diese wären niemals in der Lage gewesen die Grenze zu finden, geschweige denn, sie zu überschreiten.
Tiara wusste dass sie niemandem von ihren Fluchtplänen erzählen durfte, denn wenn herauskam dass jemand das Hexenreich verlassen wollte, dann wurde dieser für den Rest seines Lebens in ein Gefangenenlager gesteckt in dem derjenige schwer zu arbeiten hatte, ohne Bezahlung. Die die dieses Schicksal ereilten sehnten geradezu herbei dass man sie an der Grenze doch besser
erschossen oder gefressen hätte.
An der Grenze patrouillierten Werwölfe gemeinsam mit Gnomen, Trollen, Riesen und Zwergen. Und jeder der einen Landesverräter fand durfte mit ihm machen was er wollte, was den Werwölfen sehr entgegenkam, denn diese fraßen die Flüchtlinge einfach gleich auf.
Tiara war hin und hergerissen, natürlich wollte sie fliehen, und dieses schreckliche Land verlassen, in das sie einfach nicht gehörte, doch andererseits hatte sie auch eine wahnsinnige Angst davor. Was wenn jemand etwas mitbekam? Oder wenn etwas schief lief und sie dann von einem Werwolf gefressen werden würde? Was für eine
grauenhafte Vorstellung.
Tiara machte sich auf den Weg in einen kleinen Bücherladen. Da sie sehr gerne las wollte sie einfach einmal schauen was es so an neuen Büchern gab. Sie sah sehr viele interessante Bücher, doch eines hatte es ihr besonders angetan: „Die Geheimnisse der Hexenfeiertage“
Tiara kannte eigentlich jeden Feiertag ob das nun Imbolc war, oder Yule oder wie die anderen alle hießen. Doch als sie bei Samhain angekommen war, da las sie etwas von dem sie bisher noch nichts wusste.
An Samhain konnte man zwischen 23:54 und 00:06 also für genau 12 Minuten die Grenze zwischen dem Hexenreich und der
Menschenwelt passieren, allerdings hatte das auch gewisse Haken.
Erstens ging es nur einmal und nur in diese Richtung, das hieß also wenn sie einmal diese Grenze überschritten hatte, dann würde sie nie wieder zurückkehren können. Außerdem würde sie ihre gesamte Zauberkraft und ihre Unsterblichkeit verlieren. Sie überlegte ein bisschen. War es ihr das wirklich wert? Die Heimat aufgeben? Und dazu noch einen Teil von sich selbst? Und wofür? Für eine ungewisse Zukunft. Schließlich hörte man im Hexenreich kaum etwas von der Menschenwelt. Es war strengstens verboten Fernsehsender oder Radiosender aus der Menschenwelt zu
empfangen. Wer dabei erwischt wurde fristete sein Leben bis an sein Lebensende in einem Verlies zusammen mit ein paar Ratten und Spinnen, die gleichzeitig als Nahrung dienen mussten. Es war also sehr gefährlich irgendetwas über die Menschenwelt zu wissen oder zu sagen, weil einen jeder misstrauisch anblickte und man nie wissen konnte ob derjenige einen bei der OHR der Obersten Hexen Reichspolizei anzeigte.
Tiara sah auf ihren Kalender und sah dass es schon in der Nacht von morgen auf übermorgen so weit sein würde, dass sich die Grenze für 12 Minuten öffnete. Sie ging am nächsten Tag wie alle Hexen zur Hexenschule. Denn das war von der Menschenwelt schon durchgesickert ins
Hexenreich, das die Menschen nicht einmal zwei Jahrzehnte zur Schule gingen Und da wunderten sich die Menschen, dass ihre Nachkommen so wenig von der Welt verstanden? Bei den Hexen musste jede Hexe von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Lebenstag in die Schule gehen. Und die Hexen die einige Zeit Lehrer waren, mussten danach auch einige Zeit wieder die Schulbank drücken um weiter zu lernen. Das war der Grund dafür warum Hexen so viel schlauer waren als die Menschen und wussten wie man einen Menschen mal eben in einen Frosch verwandelt, oder einen Besen zum Fliegen bringt.
Als Tiara an diesem Tag vor Samhain in der Schule war dachte sie die ganze Zeit die
anderen würden sie komisch anschauen. Hatten diese womöglich Wind bekommen von ihren Fluchtplänen? Das dürfte nicht sein. Und so richtig angst und bange wurde Tiara als sie die Lehrerin nach vorne rief.
Was war sie froh, als sie den wirklichen Grund erfuhr. Es ging nur darum dass sie so oft schon die Hausaufgaben nicht gemacht hatte, und beim morgendlichen Singen der Hexenreichshymne nicht mit der gebotenen Begeisterung mitsang. Schließlich war das Hexenreich das schönste und beste aller Reiche. Zumindest sagte das die Hexenregierung und so musste das jeden Morgen auch besungen werden. Tiara hatte genug von diesem Lügengebilde, sie wollte weg – einfach nur weg. Und so ging sie nach
Hause und setzte sich, nachdem sie ihren Wecker auf 23:30 Uhr gestellt hatte auf ihren Liegestuhl auf dem Balkon ihres kleinen Hexenhäuschens,
Als es soweit war und der Wecker um 23:30 Uhr klingelte wusste Tiara erst gar nicht warum sie sich den Wecker auf solch eine komische Uhrzeit gestellt hatte. Doch schnell fiel es ihr wieder ein. Sie hatte ja geplant heute Nacht aus dem Hexenreich zu fliegen und heute Nacht war die einzige Möglichkeit. Sollte sie diese verpassen würde sie erst nächstes Jahr wieder fliehen können.
Sie machte sich sofort auf den Weg zur Grenze und kaum war sie dort angekommen, sah sie auf die Uhr und sah dass es 23:52
war. Gut, diese 2 Minuten musste sie dann also wohl noch warten. Sie versteckte sich hinter einem Busch, und ihr Herz klopfte lauter und schneller als jeder Techno-Song als 2 Werwölfe ganz nah an ihrem Versteck vorbei liefen und der eine seine Nase hochzog gerade so als würde er etwas riechen. Was war sie froh als dieser Werwolf nieste und ihr damit klar war warum dieser die Nase so hochgezogen hatte.
Da blieben die Werwölfe stehen gerade so als könnten sie sich nicht mehr bewegen. Tiara sah auf die Uhr und tatsächlich – es war soweit – wenn das Buch Recht hatte, dann konnte sie jetzt ohne Gefahr und völlig problemlos in die Menschenwelt gelangen,
auch wenn sie danach nie wieder zurück könnte. Sie überlegte noch einmal kurz ob sie es wirklich tun sollte, und ob es ihr das wirklich wert war. Schließlich musste sie vieles zurücklassen. Sie hätte sich ja schlecht mit zehn oder mehr Koffern auf den Weg zur Grenze machen können. Das wäre dann wahrscheinlich doch zu auffällig geworden, und sie wäre entweder gefressen worden, oder hätte den Rest ihres Lebens in einem dunklen Keller Ratten verspeist.
Lange musste sie nicht überlegen, und es schien tatsächlich zu stimmen, alle Wachen die sonst immer die Grenze beschützt und an dieser patrouilliert hatten, waren verstummt und völlig bewegungslos.
Tiara sah noch einmal auf die Uhr – sie musste sich beeilen, denn sie wollte lieber gar nicht daran denken wenn sie es nicht schaffen würde vor dem Ende der Zeitspanne das Menschenreich zu erreichen. Fast hatte sie es geschafft, als sie eine riesige Mauer vor sich sah. Ohje, wie sollte sie diese nur überwinden? Sie hatte noch 3 Minuten, dann würden die Wachen wieder lebendig werden, und ihr Schicksal wäre besiegelt.
Da sah sie eine Strickleiter in der Nähe hängen die über die Mauer führte, sie wusste sie hatte keine andere Wahl. Sie kletterte die Strickleiterstufen nach oben und sprang auf
der anderen Seite hinunter.
„Endlich“, dachte sie
, „Endlich bin ich in Sicherheit“ „
Was für eine Flucht in ein sicheres Leben“
Doch als sie sich näher umsah sah sie, dass sie zwar sicher in der Menschenwelt angekommen war, denn die Häuser sahen hier anders aus. Allerdings war es hier genauso dunkel wie auf der anderen Seite, auch hier gab es keine Farben, und von dem runden leuchtenden Ball am Himmel war nichts zu sehen. Kein Vogel sang, kein Mensch lief herum. Da legte sich Tiara auf eine Bank und heulte sich in den >Schlaf, denn sie hatte so darauf gehofft, endlich in Sicherheit zu sein, und nun war es hier genauso wie in ihrem alten hexenreich? Das
konnte und das durfte nicht sein.
Und das war es auch nicht, doch das merkte sie erst als sie aufwachte, die Vögel sangen, die Blumen in allen möglichen Farben blühten, und sie auch den großen leuchtenden Ball am Himmel sah.
Sie wusste es noch nicht, aber der Zeitpunkt zu dem sie geflohen war, den nannte man in der Menschenwelt Nacht.
Tiara freute sich so sehr, dass sie ab sofort in der Menschenwelt dafür sorgte, dass die Gestalten der Nacht, Hexen, Geister, Werwölfe und was es sonst noch so alles gab einen besseren Ruf bekamen.
Und viele 1000 Jahre später wurde das Menschenreich mit dem Hexenreich vereinigt
und sie mussten beide erst lernen miteinander zu leben, doch dann wurde es der schönste und friedlichste Platz im ganzen Universum