Romane & Erzählungen
Mira & Dawson - 22. Kapitel

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"Mira & Dawson - Eine unmögliche Liebe"
Veröffentlicht am 21. März 2016, 42 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.
Mira & Dawson - Eine unmögliche Liebe

Mira & Dawson - 22. Kapitel

22. Kapitel

Die Arme fest um meinen Körper geschlungen, die Tränen unaufhörlich über die Wangen laufend, lag ich in dieser Nacht allein in meinem Bett und versuchte in den Schlaf zu finden, der mich hoffentlich für ein paar Stunden von dem Gefühlschaos, das in mir wütete, befreien würde. Doch es wollte einfach nicht gelingen. Ich war müde und erschöpft, das stand außer Frage. Aber Dawson war fort und ließ eine Leere in mir zurück, die es unmöglich machte, mich genug zu entspannen, um einschlafen zu können. Ich wollte nicht daran denken, wie es in

Zukunft weiter gehen würde. Ich weigerte mich daran zu denken. Dawson war seit einem halben Jahr ständig an meiner Seite gewesen. Es gab keinen Tag, an dem er nicht bei mir war, kaum eine Nacht, die er mich nicht in seinen Armen gehalten hatte. Er wollte, dass ich das Leben führte, das ich verdiente und er war der Ansicht, dass er in diesem Leben keinen Platz hatte. „Schwachsinn!“, entfuhr es mir schluchzend mit rauer Stimme. Mein Herz fühlte sich an, als hätte es jemand mit bloßer Hand aus meiner Brust gerissen, auf den Boden geworfen und mit dem Auto überfahren. Eine unnatürliche Kälte hatte von meinem

Körper Besitz ergriffen und ließ ihn nicht mehr los. Mein Kopf schmerzte, so wie alles andere auch. Und alles woran ich denken konnte, war Dawson. Ich sehnte ihn herbei, seinen ruhigen Atem, der mir über die Haut streift, seine warmen Hände, die auf meiner Taille ruhen, sein gleichmäßiger Herzschlag, den ich unter meinem Ohr spüren kann, sein himmlischer Duft, der meine Nase kitzelt und meine Sinne berauscht. Es war unerträglich an ihn zu denken, ihn mit jedem noch so kleinen Detail vor meinem geistigen Auge sehen zu können, in dem Wissen, dass er nicht zu mir zurückkommen würde. „Vielleicht kommt er doch wieder“,

meldete sich eine leise Stimme in meinen Gedanken. Ich schüttelte traurig den Kopf. Es hatte so endgültig geklungen, nach einem Abschied für immer. Er sagte noch einmal, dass er mich liebte, jedoch klang es mehr nach einer Entschuldigung als nach einem Versprechen. Nach endlosen Stunden, die ich mehr wach als schlafend im Dunkeln gelegen hatte, quälte ich mich aus dem Bett und stellte den Wecker ab, noch bevor er klingeln konnte. Ich schnappte mir wahllos ein paar Klamotten aus dem Schrank und machte mich damit auf den Weg ins Badezimmer. Als ich frisch geduscht vor dem Spiegel stand, entfuhr mir ein erschrockener

Laut. Ich erkannte mich, in dem Mädchen, das mir aus dem Spiegel entgegenblickte, kaum mehr wieder. Tiefe dunkle Ringe lagen unter den Augen, die in einer grauen Suppe dahin zu schwimmen schienen und rot leuchteten. Die Haut war blass, grau und fleckig. Meine Wimpern klebten zusammen vom vielen Weinen, die Lippen waren aufgesprungen. Ich war die reinste Katastrophe auf zwei Beinen. Am liebsten hätte ich mich zurück in mein Bett geschlichen, die Decke über den Kopf gezogen und die Welt ausgesperrt. Ich hatte keine Lust auf Schule, meine Freunde, ihre Fragen und darauf, irgendwelche Ausreden für meine

schlechte Laune erfinden zu müssen. Dass ich Liebeskummer hatte, konnte ich niemandem sagen. Niemand wusste von meiner Liebe zu Dawson. Und ich würde es auch jetzt niemandem auf die Nase binden. Beim bloßen Gedanken an Dawson quollen erneut Tränen aus meinen Augen. Wie viel konnte ein Mädchen überhaupt weinen? Müsste ich nicht schon längst die gesamt Flüssigkeit aus meinem Körper durch meine Augen heraus gespült haben? Scheinbar nicht, denn ich beobachtete, wie immer mehr dicke Tropfen ihren Weg über meine Wangen in das Waschbecken unter mir fanden. „Reiß dich zusammen Mira!“, forderte

ich mit ernstem Blick auf mein Spiegelbild. Ich hatte keine Zeit, mich in meinem Selbstmitleid zu baden. Der Unterricht ging bald los und ich musste trotz der schlaflosen Nacht und dem Gefühlsdurcheinander perfekte Leistungen erzielen. „Guten Mo-“, Toby unterbrach seinen Morgengruß als er mir ins Gesicht blickte. „Ist was passiert? Du siehst“, „furchtbar aus? Danke, das weiß ich selber. Können wir fahren?“, unterbrach ich ihn. Meine Stimme klang barscher als beabsichtigt. Ich wollte meinen Frust nicht an ihm auslassen. Mich schuldig fühlend nahm ich hinter dem Steuer platz und fuhr zur Schule. Toby sagte während

der gesamten Fahrt nicht ein Wort. Ich war ihm unendlich dankbar dafür. An der RDA angekommen, warfen Beth und Cora mir nur einen kurzen Blick zu und verfielen dann in eine angeregte Unterhaltung über den Film, den wir gestern Abend gesehen hatten. Toby musste ihnen unterwegs eine Nachricht geschickt haben, nur so konnte ich mir ihr zurückhaltendes Verhalten erklären. Wieder schwappte eine Welle der Dankbarkeit über mich hinweg. Im Unterricht versuchte ich jeden Gedanken an Dawson aus meinen Gedanken zu vertreiben. Es gelang mir nicht. So sehr ich mich auch bemühte, mich auf das zu konzentrieren, was der

ergraute Lehrer mit Hornbrille uns über Tanzgeschichte versuchte beizubringen, ich sah immer nur Dawson. Sein schiefes Lächeln, seine grasgrünen Augen, die einen leichten Gelbstich bekamen, wenn Licht darauf fiel, sein kurzes aber immer verstrubbeltes Haar, durch das er mit seinen Händen fuhr, wenn er nervös, aufgebracht oder einfach nur in Gedanken versunken war. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du hättest Liebeskummer“, flüsterte mir Beth hinter vorgehaltener Hand zu. Überrascht riss ich den Kopf in ihre Richtung und starrte sie entgeistert an. „Was?“, entfuhr es mir ein wenig zu laut.

Ich vergewisserte mich, dass Mr Bright uns nicht gehört hatte, doch er war zu sehr vertieft in seinen Vortrag über die Anfänge des Tanzes in der lateinamerikanischen Kultur; einem Thema, das eigentlich ganz spannend sein könnte, wenn Mr Bright nicht den Eindruck vermitteln würde, jede Sekunde über den veralteten Dias, die er zeigte, einzuschlafen. „Hat es etwas mit Liam zu tun?“, ließ Beth nicht locker. Was sollte ich ihr bloß sagen? „Ähm... nein. Zwischen Liam und mir läuft nichts“, erwiderte ich wahrheitsgemäß. „Und darüber bist du traurig.“ Es klang mehr nach einer

Feststellung als nach einer Frage. Ich schüttelte unauffällig den Kopf. „Nein. Um ehrlich zu sein, er scheint wirklich etwas für mich übrig zu haben.“ Ich wollte Beth nicht belügen. Sie zählte zu meinen besten Freunden. Also blieb ich so nah an der Wahrheit, wie es mir eben möglich war. Ihre Augen weiteten sich. „Ich wusste es doch!“, triumphierend sah sie mich an. „Warum bist du dann so deprimiert? Liam ist doch echt süß. Ich dachte, du würdest ihn auch mögen.“ Ich verdrehte die Augen. „Ich mag ihn ja auch. Aber nicht so. Liam ist bloß ein Freund und das wird sich für mich auch nicht ändern.“

Beth seufzte. „Wirklich schade. Ihr wärt ein so schönes Paar.“ Ihre Worte hinterließen einen tiefen Stich in meinem Herzen. Nach der Mittagspause, die ich allein über den Campus schlendernd verbracht hatte, zog ich mich im Umkleideraum um und gesellte mich dann zu Linus, der heute mein Partner in Ms Hillards Unterricht war. Er begrüßte mich mit einem seiner typischen Macho-Sprüche, die ich wie immer einfach überhörte. Ms Hillard erläuterte uns die heutige Aufgabe. Sie war etwas komplexer, als die der letzten Stunden, aber durchaus

machbar. Die Tänzerinnen wurden von ihrem Partner in einer einfachen Hebung gehalten, bis ein zweites Paar, in meinem Fall Florence und Toby, in der gleichen Haltung an uns herantrat. Ich sollte nun nach den ausgestreckten Händen von Florence greifen, Linus und Toby würden uns einmal um uns selbst drehen, während wir uns noch immer an den Händen hielten. Am Ende mussten Linus und Toby Rücken an Rücken stehen, Florence und ich würden auf den Hüften unserer Partner sitzen, unsere verschränkten Finger über ihren Schultern hinweg loslassen und uns rückwärts in eine Brücke gleiten lassen,

um dann wieder auf die Beine zu kommen. So weit so gut. Wäre ich an diesem Tag nicht mit meinen Gedanken so weit weg gewesen, wäre es sicher ein Leichtes gewesen, die Anleitung zu befolgen, doch so musste ich mich mächtig anstrengen, meine Aufmerksamkeit einzig auf diese Hebefigur zu richten. Nur eine kleine Ablenkung meinerseits konnte sehr schmerzhaft enden, nicht nur für mich. Ich stellte mich direkt vor Linus, der mich kokett anlächelte. Meine Arme auf seinen Schultern abstützend, stieß ich mich vom Boden ab und spannte jeden Muskel in meinem Körper an.

Ich fand die Balance und behielt sie auch bei, als Linus sich nun Toby und Florence näherte. Ich griff nach ihren Händen, die sie mir bereits entgegenstreckte und verschlang meine Finger mit ihren. Jetzt kam der schwierige Teil. Toby und Florence mussten uns vollkommen synchron drehen, damit Florence und ich uns nicht gegenseitig die Arme verdrehten und das Gleichgewicht verloren. „Bereit?“, hörte ich Toby angespannt fragen. Ich sah, wie Linus nickte. Auch wir gaben unser Ok. Ich spürte, wie Linus seinen Griff um

meine Taille verstärkte. Mit angehaltenem Atem wartete ich, dass er den Schwung holte, den ich für die Drehung brauchte. Im nächsten Moment stand meine Welt für den Bruchteil einer Sekunde Kopf. Linus, dessen Hände wieder zurück an meinen Körper fanden, keuchte erschrocken auf, als er bereits das erkannte, wofür mein Gehirn noch eine Sekunde brauchte. Ich schaffte es nicht, die benötigte Balance wiederzufinden, in meinem Kopf drehte sich plötzlich alles, mir wurde schlecht, sodass ich das Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen. Der unleidliche Kopfschmerz setzte mit der

Kraft einer Abrissbirne, die direkt in mein Hirn krachte, ein und am Rand meines Sichtfelds flimmerten bunte Punkte. Die für den Halt benötigte Anspannung in meinem Körper schwand, Linus´ Hand rutschte von meiner Taille ab. Mit einer Hand konnte er mich allerdings nicht halten, sodass ich nach links weg kippte. Meine Finger, die noch immer mit denen von Florence verschlungen waren, waren taub. Ich würde sie mit mir ziehen. Noch bevor ich auf dem harten Boden aufschlug, verlor ich das Bewusstsein. Das ohrenbetäubend schrille Geräusch von Sirenen holte mich mit Gewalt in die

Wirklichkeit zurück. Auch die Schmerzen in meinem Kopf schlugen mit solch einer Gewalt ein, dass ich das Gefühl hatte, mit fünfzig Sachen ungebremst gegen eine Wand gefahren zu sein. Stöhnend wollte ich meine Hand an den Kopf pressen, kam jedoch nicht weit. Irgendetwas hielt mich fest. Ich versuchte gegen dieses Etwas anzukämpfen, schaffte es aber nicht. Eine beruhigende Männerstimme erklang neben meinem Ohr. „Es ist alles gut Ms Hawn. Können Sie mich verstehen?“ Ich wollte „Ja“, sagen, doch mein Mund gehorchte dieser simplen Aufforderung nicht. „Ms Hawn?“, erklang die Stimme erneut.

Unter größer Anstrengung, die die Schmerzen in meinem Kopf ins Unermessliche steigerte, schaffte ich es, meine Lider einen Spalt breit zu öffnen. Grelles Licht blendete mich und ließ meine Augen tränen. Mit einem Stück Zellstoff wurden die Tropfen weggewischt. Das Tuch verschwand aus meinem Blickfeld, wodurch ich nun freie Sich auf den Mann hatte, dem die beruhigende Stimme gehören musste. Er hatte dunkles Haar, das an den Schläfen bereits einen grauen Ansatz zeigte. Die tiefblauen Augen hatte er sorgenvoll auf mich gerichtet, seine Stirn

lag in Falten, die Augenbrauen zusammengezogen. „Gut, Sie sind wach. Sie waren nicht lange ohne Bewusstsein. Wir bringen Sie in das John Radcliffe Hospital.“ Schon spürte ich, wie der Krankenwagen zum Stehen kam. Die Türen zu meinen Füßen wurden geöffnet. Kalte Luft strömte ins Innere und ließ mich leicht unter der Decke frösteln. Alles Weitere verschwamm in einem undurchdringlichen Nebel. Ärzte kamen und gingen. Es wurde Blut abgenommen, mein Herz abgehört, ein Gerät angeschlossen, das meine Vitalzeichen überwachte. „Wie geht es Ihnen?“, fragte mich eine

Ärztin mit schwarzen Haaren und dunklem Teint. Auf ihrem Namensschild las ich: Dr. C. Foster. Meine Hand schnellte hoch zu meinem Kopf. „Haben Sie Kopfschmerzen?“ Ich nickte zustimmend. „Wissen Sie, welchen Tag wir heute haben?“ Was sollte denn das für eine Frage sein? Hielt diese Frau mich für einen Dummkopf? Ich öffnete den Mund, der mir nun wieder gehorchte, musste aber überrascht feststellen, dass mir der heutige Tag nicht sofort einfiel. Nach kurzem Überlegen öffnete ich den Mund erneut. „Dienstag.“ Meine Stimme zitterte, war kaum zu verstehen. Doch die Ärztin wirkte zufrieden.

„Okay. Können Sie sich daran erinnern, was passiert ist?“ Wieder musste ich nachdenken, bevor ich antworten konnte. Es fiel mir schwer, mich an das Geschehene zu erinnern. „Ich... mir wurde übel, habe das Gleichgewicht verloren und bin gestürzt.“ Die Ärztin nickte, zog etwas aus ihrer Brusttasche und bat mich, ihrem Finger mit meinen Augen zu folgen. Sie richtete das Ding aus ihrem Kittel, eine Stiftlampe, auf mein Gesicht. Das Licht stach in meinen Augen. Ruckartig wich ich zurück. Der Schmerz in meinem Kopf explodierte. Ich presste

meine Hände an die Schläfen und stöhnte. Mein Magen rebellierte. Die Welt begann wieder, sich zu drehen. Hände legten sich um meine Oberarme, drückten mich zurück auf den Tisch, auf dem ich saß. „Es ist alles gut Ms Hawn, ich gebe Ihnen etwas gegen die Schmerzen“, hörte ich Dr. Foster sagen und spürte im nächsten Moment einen Stich in der Armbeuge, ein warmes Kribbeln und eine angenehme Schwere, die sich langsam durch meinen Körper fraß und in Watte packte. „Veranlassen Sie ein CT und besorgen ihr ein Zimmer“, sagte sie noch, bevor sie noch einmal über meinen Unterarm strich und

verschwand. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass außer Dr. Foster und mir noch jemand anwesend war, doch nun trat eine Frau an das Kopfende meines Bettes, hakte ein Klemmbrett daran, löste die Bremsen und schob mich aus dem Raum in den Flur. Das hektische Treiben der Notaufnahme verschluckte uns. Ich schloss die Augen, da das Licht der Deckenlampen unangenehm in den Augen stach. Der Geruch von Desinfektionsmittel drang mir in die Nase. Das Quietschen von Schuhen und das Piepen von Monitoren dröhnten in meinen Ohren. Wir verließen den Fahrstuhl und gelangten endlich in einen Gang, der

beinahe wie ausgestorben schien. Ein wenig der Anspannung, die mich bis jetzt fest im Griff hatte, löste sich und ließ mich etwas freier atmen. Nach einer kurzen Wartezeit wurde ich in einen weiteren Raum geschoben. Es war dunkler als auf dem Flur. Das Surren um mich herum verstärkte meine Nervosität wieder. Eine Schwester kam auf mich zu und half mir, mich langsam aufzusetzen. „Wir machen eine Kernspintomographie. Können Sie aufstehen?“ Ich nickte und verlagerte mein Gewicht vorsichtig erst auf das eine, dann auch auf das andere Bein. Sofort setzte der Schwindel wieder ein.

Ich klammerte mich an der Frau neben mir fest. „Na hoppla, hier geblieben!“, sagte sie in einem seltsamen Singsang und drückte mich fester an sich. Weiter Hände griffen nach mir, ein Mann mittleren Alters, der mir nun ebenfalls half, mich auf die Liege vor der großen Röhre in meinem Rücken zu setzen. „Haben Sie Metall an Ihrem Körper? Piercings, Schmuck...?“, fragte die Schwester. Ich überlegte kurz. Das Armband, das Dad mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Ungelenk nestelte ich am Verschluss herum, bekam es aber nicht auf. „Lassen Sie mich das machen“, sagte die Frau und schon war das Armband verschwunden.

„Der Ring“, sagte der Mann. Dawsons Ring. Mein Blick fiel auf das silberne Stück Metall an meinem Finger. Ich unterdrückte die Tränen, die in mir aufstiegen, schluckte einmal schwer und streifte ihn dann ab, um ihn der Schwester in die dargebotene Hand zu legen. „Keine Sorge, bekommen Sie alles wieder, wenn wir hier fertig sind.“ Wieder dieser Singsang, der mich schon jetzt tierisch nervte. Ich ließ mich von den beiden nach hinten drücken. Der Tisch unter mir war hart und unbequem. Daran sollten sie wirklich etwas ändern, schließlich

sollten Patienten sich doch immer wohlfühlen! Die Beklemmung wurde immer stärker, je länger ich still in diesem DING liegen musste. Die Geräusche um mich herum waren perfekte Nahrung für meine Kopfschmerzen, die noch immer nicht vollständig verschwunden waren, trotz der Medikamente, die mir Dr. Foster verabreicht hatte. Zwei Stunden später hatte ich noch immer nichts von den Ärzten gehört. Ich war in ein Zimmer gebracht worden, in dem eine ältere Dame leise in einem Bett schnarchte. Meinen Blick starr an die Decke gerichtet, bemerkte ich schließlich

eine Bewegung neben mir. Langsam drehte ich meinen Kopf zu der Person, die an mein Bett herangetreten war. Ich hätte mit allem gerechnet; einem Arzt oder Ärztin, Krankenschwestern, der gesamten Putzkolonne, sogar mit meinen Freunden oder Dad, nicht jedoch mit ihm. Dawson. Er war hier, bei mir! Er war zurück gekommen, als ich ihn am meisten brauchte. Ich sprang beinahe aus meinem Bett und warf mich in seine Arme. Er fing mich auf und drückte mich an sich. Eilig sog ich seinen Duft ein, studierte jedes Detail seines Gesichts, prägte mir alles ein, für den Fall, dass er gleich

wieder verschwinden würde. „Du bist hier!“, schluchzte ich immer wieder an seiner Brust. Die Tränen ließen sich nicht länger zurückhalten, quollen aus meinen Augen und tränkten den Stoff des Hemdes, das Dawson trug. Sanft streichelte er mir über den bebenden Rücken, drückte mich zurück auf das Bett, setzte sich neben mich und hielt mich weiterhin in seinen Armen. „Was machst du nur für Sachen Prinzessin?“, murmelte Dawson kaum hörbar, sodass ich mir nicht sicher war, dass diese Frage wirklich an mich gerichtet war. Trotzdem zuckte ich mit den Schultern. „Ich kann dich wirklich keine Minute

allein lassen, was?“, stichelte er mit einem leichten Lächeln. Mit einem Mal ging es mir besser. Da war kein Schmerz mehr, keine Übelkeit, Schwindel oder andere Symptome, die mich in den letzten Stunden begleitet hatten. Da war nur noch die eiserne Gewissheit, dass Dawson mich noch immer liebte. Er war zurück. „Ich habe dich vermisst“, schniefte ich und drängte mich noch enger an ihn. „Du hast mir auch gefehlt Prinzessin. Ich dachte, es wäre das beste für dich, wenn ich mich eine Weile von dir fernhalte. Nach einer Weile hättest du mich vielleicht vergessen und hättest jemand anderes kennengelernt.“ Der Schmerz

und die Eifersucht in seiner Stimme waren kaum zu überhören. „Das war eine dumme Idee!“, schimpfte ich. Dawson nickte. „Ich weiß, scheinbar hab ich mit meinem Wegbleiben alles nur noch schlimmer gemacht.“ „Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Es zählt nur, dass du wieder da bist und dass du mich nie mehr allein lässt.“ Stirnrunzelnd lehnte ich mich ein Stück zurück und betrachtete ihn aufmerksam. „Du bleibst doch, oder?“, vergewisserte ich mich und wartete mit angehaltenem Atem auf seine Antwort. Er öffnete gerade den Mund, als die Tür aufschwang und eine kleine Traube Menschen hereinkam. Ich entdeckte drei

Ärzte in weißen Kitteln und einer Miene, die auf nichts hindeuten ließ. Doch diese Fremden schafften es nicht lange, meine Aufmerksamkeit zu fesseln. Ich entdeckte den Mann, der sich mit schnellen Schritten und ausgreifenden Armbewegungen einen Weg durch die Ärzte bahnte und auf mich zukam. „Dad!“, entfuhr es mir überrascht. Die Sorge, die er um mich hatte, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Was musste sein schwaches Herz meinetwegen nur ertragen? Schnell rückte ich ein Stückchen auf meinem Bett zur Seite, um ihm Platz zu machen. Er fiel mehr als dass er sich setzte neben mich und schloss seine Arme um mich.

„Keine Luft!“, beschwerte ich mich, wodurch er die Stärke seiner Umarmung ein bisschen reduzierte. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht mein Schatz! Die Schule hat angerufen und gleich danach auch noch Toby. Ich habe gar nicht verstanden war los war. Sie sagten, du seist während einer Hebefigur gestürzt. Geht es dir gut?“ Ich unterbrach seinen schnellen Redefluss. „Dad, mir geht es gut, wirklich. Es tut mir so leid. Aber es ist alles ok.“ Mein Blick wanderte zu den Ärzten, die sich dieses Schauspiel schweigend und mit desinteressierter Miene ansahen. „Stimmt doch oder?“, fragte ich,

woraufhin einer von ihnen auf uns zutrat, sich unterwegs einen Stuhl schnappte und sich uns gegenüber niederließ. In seinen von Falten überzogenen Händen hielt er meine Krankenakte. Er blätterte sie einmal kurz durch, seufzte und sah dann erst meinem Dad und schließlich auch mir in die Augen. „Mein Name ist Dr. Perez, ich bin Neurologe und Ihr behandelnder Arzt“, stellte er sich mit amerikanischem Akzent vor. „Neurologe?“, forschte mein Vater skeptisch nach. „Ist Mira bei ihrem Sturz auf den Kopf gefallen?“ Fragend sah er mich an. Keine Ahnung. War ich? Ich zuckte mit den Schultern. „Laut dem mir vorliegendem Bericht

nicht, nein. Ihre Mitschüler konnten das glücklicherweise verhindern.“ Meine Mitschüler! Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich nicht die einzige war, die gestürzt war. „Florence!“, keuchte ich. „Wissen Sie, ob eine meiner Mitschülerin ebenfalls eingeliefert wurde? Ich habe sie mit mir mitgezogen.“ Dr. Perez sah mich verwirrt an. Doch es war Dad, der antwortete: „Keine Sorge Mira, es geht allen gut. Toby wird dir später sicher alles genaustens erzählen können.“ Erleichtert atmete ich aus. Ich wollte nicht schuld daran sein, dass einer der anderen ins Krankenhaus musste, sich vielleicht sogar schlimmer verletzt

hatte. „Wie dem auch sei“, fuhr der Arzt fort, „Sie haben sich nichts gebrochen, Ihre Vitalwerte sind auch in Ordnung“, „Das heißt, ich kann wieder nach Hause?“, fragte ich zuversichtlich und wollte schon vom Bett rutschen, als er beschwichtigend die Hände hob und weiter redete: „Bei der Auswertung des durchgeführten CTs haben wir eine Anomalie feststellen müssen.“ Was? Die Welt um mich herum schrumpfte zusammen. Meine Ohren füllten sich mit Rauschen, mein Mund war staubtrocken, meine Hände schweißnass und kalt. Mein Herz raste. Ich bekam kaum mit, wie

Dawson auf der einen und Dad auf der anderen Seite meine Hände ergriffen und sie beruhigend drückten. In meinem Gehirn gab es eine Anomalie? Was sollte das bedeuten? „Montag, 18Uhr, Whitley Wood Road“, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Diese Worte hatte ich vor einer halben Ewigkeit auf einem Zettel notiert und in meine Gesäßtasche geschoben. Tage drauf hielt ich ihn in eine Kerzenflamme und sah dabei zu, wie er zu Staub zerfiel. Bis jetzt schien mir diese Entscheidung richtig gewesen zu sein. Ich hatte mich für Dawson entschieden, ihn als real hingenommen. Ich hatte mir geschworen, nie mehr daran zu

zweifeln. Doch was, wenn die Kopfschmerzen, die mich seit Monaten plagten, die Übelkeit, Gleichgewichtsstörungen und all die anderen kleinen Veränderungen, die mir vorher so unwichtig erschienen waren, Teil von etwas waren, vor dem ich mich mein Leben lang gefürchtet hatte? Was wenn Dawson ein Symptom wie meine Kopfschmerzen war, die, wie mir in diesem Moment bewusst wurde, zur selben Zeit anfingen, als ich Dawson das erste Mal gesehen hatte? „Hast du gehört Mira?“, holte Dads einfühlsame Stimme mich aus meinen Gedanken. Die Raum um mich herum drehte sich in bahnbrechender

Geschwindigkeit, sodass ich am liebsten die Augen schließen wollte. Verständnislos erwiderte ich Dads Blick. „Ich habe soeben gesagt, dass die Bilder nicht ganz eindeutig sind. Um ganz sicher zu sein, möchte ich gern ein MRT mit Kontrastmittel durchführen lassen“, wiederholte Dr. Perez seine Ausführungen. Ich nickte geistesabwesend und unterschrieb die Einverständniserklärung, die mir eine der übereifrigen Assistenzärzte, die im Hintergrund standen, reichte.

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LilaLilime
22 Jahre jung und Studentin im 6.Semester Soziale Arbeit. Schon als ich klein war, habe ich es geliebt mir Geschichten auszudenken und diese aufzuschreiben, außerdem lese ich viel und gerne. Es ist einfach ein tolles Gefühl neue Welten, Charaktere und Handlungen zu erschaffen. Ich liebe das Gefühl völlig ins Schreiben vertieft zu sein und sowohl die Zeit als auch alles andere um mich herum zu vergessen.

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trixi1303 Uiuiui. Weiß gar nicht was ich schreiben soll.
Vor langer Zeit - Antworten
Moscito Puuuuhhhh ... wie aufreibend. Arme Mira! Auf der anderen Seite kann ich ihn auch verstehen. Sie ist nun mal die einzige die ihn sieht. Und was passieren würde, wenn sie knutschend mit ihm in der Ecke steht und keiner sieht ihren "Gegenpart" - da winkt doch gleich die Klapsmühle.

Nun ist er endlich wieder da, auch wenn es erst dieses Sturzes bedurfte und schlagartig geht es ihr besser. Aber nichts ist in Ordnung. Da ist etwas in ihrem Kopf, was da nicht hingehört. Und nun wird es interessant. Meine Gedanken schlagen Purzelbäume und die Geschichte könnte in mehre Richtungen enden. Eine Favorisiere ich und bin gespannt, ob ich richtig liege. Ich denke, dass Darwson nur aus einem bestimmten Grund bei ihr ist. Vielleicht soll er sie begleiten, ihr die Angst nehmen vor dem was das Schicksal für sie bereit hält.
Ach immer noch sehr spannend und ich mag bald weiter lesen. Meine Fingernägel sind schon sehr kurz, da ist nix mehr dran zum Knabbern.
Danke für dieses tolle Kapitel.
Lieben Gruß und eine schöne Osterwoche
Silke
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime Es war auch sehr aufreibend zu schreiben, das kannst du mir glauben. Ich habe mit Mira gelitten und Dawson verflucht, dafür dass er weggegangen ist. Aber es war die richtige Entscheidung, wie er gesagt hat, er kann in diesem Fall nicht egoistisch sein.

Die Richtung, die deine Gedanken nehmen, ist sehr interessant, ich hoffe ich enttäusche dich mit meinem Ende nicht :O
Dann knabbere an deinen Füßen, da hast du ja auch Nägel ;)
LG und auch dir schöne Ostern
Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
gela556 Gänsehaut, pur
Wünsche schöne Ostern
Mit freundl. Grüßen, Angelika
Vor langer Zeit - Antworten
LilaLilime ganz lieben Dank, dir natürlich auch frohe Ostern
LG von Andrea
Vor langer Zeit - Antworten
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