Kapitel 41 Brennende Ahnen
Zumindest für einen kurzen Moment ebbte die entfesselte Wut der Menge ab. Keine weiteren Fackeln landeten mehr in den Kronen des Geisterbaums. Sogar Malachi und der andere geweihte Prediger drehten sich in die Richtung des Neuankömmlings, der sich soeben durch den Ring aus Kultisten schob, die den Baum umgaben. Oder besser, er wurde gezogen. Zwei Männer, in denen Janis die Wachen vom Steintor wiedererkannte, zogen einen Gejarn hinter sich her. Jeder der beiden hielt jeweils ein Ende einer schweren Ketten
in der Hand, die dem Bären um di Handgelenke gebunden waren.
Einen Moment befürchtete Janis tatsächlich, es wäre Syle, doch der Gejarn, den die Männer gefangen hatten war ungleich Älter und längst nicht so groß wie der Hochgeneral. Trotzdem überragte er seine Wächter jeweils um einen halben Kopf . Der ergraute Pelz den er trug spiegelte das Licht der Fackeln wieder, welche die erstarrten Anhänger des Herrn der Ordnung langsam sinken ließen.
,,Das könnt ihr nicht tun.“ , erklärte der Bär ohne ein Zeichen der Angst, während er seine beiden Bewacher überholte. Scheinbar spürte er die Ketten
nicht einmal und Janis bezweifelte, das die zwei Männer alleine auch nur in der Lage wären ihn zu halten, sollte er sich befreien wollen.
Die Leute beeilten sich jedenfalls, ihm auszuweichen, während er auf den entweihten Geisterbaum zutrat und einen Moment tatsächlich davor auf die Knie sank. Sowohl Malachi als auch der vermummte Prediger sahen nur stumm dabei zu.
,,Herr. Wir haben ihn aufgegriffen, als er versucht hat, in die Senke zu gelangen.“ , erklärte einer der Bewacher des alten Bären hastig und verneigte sich ebenfalls, wenn auch nicht vor dem Baum. Die wenigen Feuer, welche noch
zwischen den toten Zweigen glommen waren mittlerweile erloschen und hatten das Holz nur Oberflächlich Verbrannt. Dabei müsste es eigentlich brennen wie Zunder, dachte Janis bei sich. So lange wie der Baum schon tot sein musste, war das Holz sicher Knochentrocken.
,, Ihr steht auf heiligem Boden, Mensch.“ , erwiderte der Gejarn ohne ein Zeichen von Angst. ,, Und ich werde euch nicht weiter erlauben ihn zu Schänden. Geht, dieser Ort ist nicht für euch.“
Seine beiden Bewacher hielten ihn kaum auf, als er auf die zwei wartenden Männer unter dem Baum zutrat. Eine silbergraue Haarmähne fiel ihm über den
Rücken und der hellgrüne Mantel den er trug war mit blauen Ziernähten durchsetzt. Für die oft nomadisch lebenden Clans, die ohnehin nur das nötigste mit sich trugen schon fast Luxuriös… und ein Zeichen dafür, das der Bär wohl mehr war, als ein einfaches Clanmitglied. Vielleicht sogar ein Ältester.
,, Heilig ja ?“ Es war Malachi, der nun an Stelle des vermummten Predigers sprach. ,, Mein Herr sieht das anders, Gejarn. Dieser Ort ist eine Abscheulichkeit, er spukt ins Gesicht des Herrn der Ordnung. Seine Vernichtung wird die Welt der Wahrheit einen Schritt näher bringen und wenn ihr klug seid,
stellt ihr euch uns dabei nicht in den Weg! Ich dachte eigentlich es hätte gereicht euch die Körper euer närrischen Wächter zurück zu senden!“
,, Also wart ihr es, der sie getötet hat ?“ In den gelblichen Augen des Bären flackerte nun stumpfe Wut auf. ,, Geht Narr. Glaubt ihr wir werden nur zusehen, wie ihr unsere Wälder verbrennt, unsere Clanbrüder tötet? Ich bin alleine gekommen um euch friedlich zur Abreise zu bewegen. Aber wenn es sein muss… kämpfen wir.“
,, Wollt ihr mir drohen, alter Mann ?“ , fragte Malachi gehässig. Auch seine Stimme klang längst nicht mehr Menschlich. ,, Mir ? Einem Erwählten
?“
,,Mich kümmert wenig, welche Titel ihr euch gebt. Ich bin der Hüter dieses Ortes. Ihr jedoch seid ein fremder, ihr kamt ungeladen hierher und als Eindringlinge. Ihr habt kein Recht, hier zu sein.“
,, Ich habe alles recht, das ich brauche.“, erwiderte der Prediger aufbrausend. ,, Seht ihr Kinder ? Die Uneinsichtigen kommen bereits zu uns um unsere Rechtschaffene Sache in Zweifle zu ziehen. Bedeutet euch eure Ahnen so viel, alter Mann? Ihr seid ein Gejarn, eure Seele für meinen Herrn verloren… wenn euch so viel an diesem gottlosen Baum liegt… dann brennt ihr
eben mit.“
Mit diesen Worten packten eine zwei Bewacher jeweils einen Arm des Mannes, der jedoch nicht einmal Anstalten machte, sich zu wehren. Entsetzt sah Janis zu, wie man den Ältesten zum Baum schleifte und die Ketten, die ihn fesselten um den Stamm band. Das konnten sie doch nicht tun…
Was bei allen Göttern sollte das werden? Und warum bitte tat niemand etwas? Janis sah sich hilfesuchend in der Menge um, die jedoch nur stumm zusah, wie man den Gejarn an den Baum bannt… den sie verbrennen wollten. Er sah aus den Augenwinkeln, wie Lucien sich anspannte, offenbar bereit, mit der
Armbrust in der Hand zwischen die zwei Prediger und ihr Opfer zu springen.
Aber dann würden sie nur mit ihm sterben.
Diesmal war es Janis, der ihm eine Hand auf den Arm legte. ,, Ihr könnt nichts tun. Wir können nichts tun… Nur Syle Bericht erstatten.“
Mit einem seufzen ließ der kaiserliche Agent die Waffe sinken. Alles Freundliche war aus seinen Zügen gewichen, das ewige Lächeln erstorben.
Malachi hatte sich mittlerweile vor dem hilflosen Ältesten aufgebaut, wirkte im Gegensatz zu ihm jedoch immer noch aberwitzig klein und in seiner verkümmerten Gestalt verletzlich. ,,
Vielleicht retten euch eure Ahnen ja, alter Mann. Oder ihr werdet erkennen, dass es nur einen wahren Gott gibt, bevor das Ende kommt… Und nun werdet Zeuge der Macht, die er mir verliehen hat“
Mit diesen Worten riss Malachi eine Hand hoch und richtet sie auf die Krone des Geisterbaumes. Tiefrote Flammen schlugen daraus hervor und hüllten die dürren Zweige ein, die nun nichts mehr vor dem Feuer schützte. Knisternd verpuffte das tote Holz einfach und rieselte als Glutfunken zur Erde.
Auf schauerliche Art erinnerte das Geräusch, das das Holz beim Brennen machte Janis an menschliche Schreie…
Sicher nur das Wasser, das in den feinen Kapillaren des Baumes verbrannte, sagte er sich.
Selbst der bisher so unerschrockene Älteste duckte sich unter dem Höllenfeuer weg, das alles und jeden versengte, der das Pech hatte zu nahe am Baum zu stehen. Selbst Janis konnte die Hitze unangenehm auf seinem Gesicht spüren. Das war Magie gewesen, dachte er entsetzt…
Diese seltsam verdrehte Gestalt beherrschte Zauberei… Die Macht, die plötzlich von ihr ausging, schien die Luft selbst schwerer zu machen, wie vor einem Gewitter.
,,Verbrennt ihn.“ , erklärte Malachi kalt,
bevor er von dem lodernden Baum zurück trat. Und wie eine Welle aus Feuer und Fleisch folgten seine wartenden Anhänger dem Befehl. Die ersten warfen bereits Fackeln über die Köpfe der anderen hinweg, während einige ohne jede Regung bis an den Baum herantraten und ihre Feuer dem verängstigten Gejarn zu Füßen warfen. Bald griffen die ersten Flammen nach dem Holz sowie nach Kleidung und Fell des Ältesten.
,,Ich werde das nicht mit ansehen.“ , erklärte Lucien. Seine Stimme war todernst, keine Spur der Leichtigkeit oder des unterschwelligen Humors die sonst immer darin lagen. Es schien Janis
beinahe, als sei das ein völlig anderer Mensch, der da vor ihm stand, seinen Arm abschüttelte und langsam die Armbrust hob. Schließlich jedoch nickte er nur.
Niemand bekam mit, wie der kaiserliche Agent die Waffe endgültig hob, zielte… und den Abzug betätigte. Der erste Bolzen galt dem Ältesten. Die Flammen verbrannten bereits seinen Kleidersaum, bevor sie ihn jedoch ganz erreichten, traf ihn das Projektil zielsicher mitten ins Herz. Er war sofort Tod, da war Janis sich sicher. Retten konnten sie ihn nicht. Alleine ihm die Qualen zu ersparen langsam zu verbrennen, war ein unglaubliches Risiko… Immerhin
musste er nicht leiden.
Im gleichen Moment jedoch wo die Gestalt des Gejarn regungslos am Baum zusammensank, drehten sich plötzlich alle Köpfe zu ihnen um. Erste Rufe wurden laut, Leute deuteten auf sie… oder vor allem auf Lucien, der seelenruhig bereits die Armbrust wieder gespannt hatte. Der Ausdruck jedoch, der dabei auf seinem Gesicht lag, sorgte dafür, dass es Janis eiskalt den Rücken herunterlief. Noch ehe jemand dazu kam zu reagieren, segelte bereits das zweite Projektil durch die Luft.
Der Bolzen traf diesmal den Mann, der Malachi zuvor seinen Segen geben hatte. Der Aufprall warf den Prediger
rückwärts in Richtung des brennenden Baums. Der Treffer tötete ihn nicht, aber darauf hatte es Lucien auch nicht abgesehen. Stolpernd kam er ein Stück zu nahe an die lodernden Flammen, die daraufhin seinen Mantel erfassten. Kreischend und um sich schlagend versuchte diese Kreatur, die einmal ein Mensch gewesen war, das Feuer zu ersticken, was jedoch nur dafür sorgte, dass es sich noch schneller ausbreitete. Beinahe schien es, der Körper des Mannes bestünde aus Zunder oder vielleicht richteten sich nun auch seine eigenen,, magischen Flammen gegen ihn.. Kreischend wie ein Tier und um sich schlagend ging er zu Boden. Bevor
Lucien jedoch dazu kam, die Armbrust erneut zu spannen und auch Malachi auszuschalten, waren die ersten Kultisten bereits heran.
,,Weg hier.“ , erklärte Lucien kalt und ließ die Armbrust fallen, die sie ab jetzt nur noch behindern würde. Geschwindigkeit war alles. Wenn man sie einholte, würden ihnen alle Waffen nichts mehr nützen. Janis hätte das gleiche gerne mit seinem Schwert gemacht, doch dazu fehlte ihm die Zeit und so blieb ihm nur, hinter Lucien herzusetzen, der mit einem Satz bereits den Pfad zurück zu den Zelten rannte. Rasch rissen sich sowohl der Agent als auch er die schweren Roben herab, die
sie nur beim Laufen behindern würden.
Hinter ihnen beleuchtete der brennende Geisterbaum die ganze Szenerie und die wütenden und aufgebrachten Rufe knapp hinter ihnen sorgten dafür, das Janis sich kein einziges Mal umdrehte.
Das Feuer würde bestimmt schon Syle alarmiert haben, aber jetzt noch auf den gleichen Weg zurück zu gehen, den sie gekommen waren, wäre keine gute Idee. Bestimmt waren noch weitere Wachen am Tor verblieben…
Lucien schien das ebenfalls klar, denn statt weiter in Richtung der gespaltenen Steine zu laufen, tauchte er vor Janis in das Gewirr aus Zelten ein, welche die gesamte Senke bis zu den abfallenden
Hängen am Waldrand bedeckten. Vielleicht konnten sie dort irgendwo hinauf gelangen, dachte Janis. Vorausgesetzte, sie kamen so weit. Etwas jagte dicht an seinem Gesicht vorbei und hinterließ ein großes Loch in einer der Zeltplanen vor ihm. Schusswaffen….
Er warf einen raschen Blick zurück und konnte dutzende wenn nicht hunderte von in Roben gehüllter gestalten ausmachen, die durch das Zeltlager ausschwärmten. Lucien war derweil jedoch stehen geblieben und bewegte sich auch nicht, als Janis schließlich an ihm vorbeihastete. Stattdessen zog er lediglich eine kleine Phiole aus seiner Tasche, die Janis nur allzu gut kannte.
Blieb die Frage, wie viel Drachenfeuer der Agent Syle mittlerweile entwendet hatte. Wenn es etwas gab, das ihm mehr Angst machte als das hier, dann die Vorstellung von Lucien mit einer zerbrechlichen Bombe in der Hand.
Noch eher Janis viel Abstand zwischen sich und den Agenten gebracht hatte, erhellte plötzlich eine zweite Feuerwolke die Nacht. Er konnte die Schreie hören, als die nichts ahnenden Kultisten mitten in das Infrno stolperten und kurz darauf war auch Lucien wieder an seiner Seite.
,, Ein paar weniger, die uns an den Haxen hängen.“ , meinte er, doch seine Stimme klang dabei nach wie vor kalt und tödlich. Und dann waren sie
plötzlich draußen. Die endlosen Zeltreihen endeten und vor ihnen schälte sich ein breiter Erdhang aus der Nacht. Es war nicht zu steil, dachte Janis erleichtert, aber die Vorstellung dort hinauf zu klettern gefiel ihm gar nicht. Sie würden ewig brauchen und wenn sie abrutschten oder ihre Verfolger noch mehr Feuerwaffen besaßen…
Alle diese Gedanken wurden jedoch hin fortgespült, als eine ihm nur zu gut bekannte Gestalt am oberen Ende der Klippe auftauchte.
,, Ich will gar nicht wissen, was ihr angestellt habt.“ , rief Syle grinsend,. Während er ihnen zwei Seile herabwarf. ,, Das Feuer sieht man bestimmt bis nach
Erindal.“
,, Ich habe nur etwas zurück gezahlt.“ , erwiderte Lucien und auch er schien zumindest wieder etwas zu seinem alten Selbst zurück zu finden. Er packte eines der Seile und hielt es Janis hin. ,, Die Damen zuerst.“
,, Irrer, verrückter, alter Spion.“ , murmelte er in sich hinein , zog sich jedoch missmutig nach Oben. Tatsächlich war es gar nicht so einfach, die Erdwand zu erklimmen. Zwar gab es immer wieder kleinere Vorsprünge und schmutzige Felsen, die seinen Füßen halt boten, doch der Boden war ausgetrocknet und brüchig. Mehrmals rutschte er beinahe ab und löste kleine Erdlawinen
aus, die nach unten stürzten. Lucien , der dicht hinter ihm war, schien es da leichter zu haben. Es war beinahe unheimlich, wo seine Füße überall halt fanden, wo für Janis nur glatte Wände zu erkennen waren. Und dann flog die erste Kugel. Die Feuer im Lager der Kultisten waren mittlerweile erloschen und versperrten diesen nun nicht länger den Weg oder die Sicht.
Syle hatte sich derweil oben auf der Klippe niedergelassen und gab ihnen Feuerschutz. Zwar war er nur ein Mann mit einer Waffe, aber er war auch um einiges geübter damit, als die Männer unten in der Talsenke. Jede Kugel des Bären fand ein Ziel. Ruhig und gefasst
visierte er die Männer an, die der Klippe zu nahe kamen oder jene, die sich bereits auf die zwei Kletternden eingeschossen hatten.
Mittlerweile waren es jedoch nicht mehr nur Kugeln, die Janis und Lucien zu schaffen machten. Manche ihrer Verfolger warfen sogar Steine und einige schossen Pfeile, die klirrend von den Felsen abprallten oder in den Erdwänden stecken blieben.
Janis war immer wieder gezwungen, sich halb hinter einigen Steinen weg zu ducken und mehr als einmal streifte ihn ein Wurfgeschoss. Seine Finger schienen keinen richtigen Halt mehr zu finden, seine Füße zitterten… Er konnte schlicht
nicht weiter. Pfeile, Kugeln, alles schlug links und rechts von ihm ein. Und dabei war er nicht einmal das Hauptziel des Mobs. Die meisten hatte es offenbar auf Lucien abgesehen, vermutlich weil sie in ihm den Mörder ihres Predigers sahen, der den Projektilen jedoch meist elegant auswich. Nur einmal nicht, als ihn ein Pfeil an der Schulter streifte und einen langen Schnitt hinterließ, der ihn noch mehr verlangsamte…
Janis fingerte einen Moment unsicher an dem Ring herum, den Quinn ihm geschenkt hatte. Vielleicht würde es ausreichen, Lucien zu schützen. Zumindest bis dieser hoch genug käme um außer Reichweite zu gelangen. Aber
er war selber längst nicht außer Gefahr… Es war noch ein gutes Stück bis nach Oben. Ein weitere Kugel schlug dicht neben seinem Kopf in die Erde. Nackte Panik hatte von ihm Besitz ergriffen. Er dachte nicht mehr nach. Seine Entscheidung fiel und im selben Moment wusste er, dass es ein Fehler gewesen war. Er aktivierte den Zauber, der auf dem Ring lag und noch während sich eine kaum sichtbare, schimmernde Barriere um ihn schloss, strauchelte Lucien plötzlich. Der Mann schrie auf, als ihn eine Kugel ins Bein traf, das daraufhin seinen Halt verlor.
,,Lucien !“ Syle sah mit vor Entsetzen geweiteten Augen zu ihnen herab, zu
Janis, der sicher in einen Schild gehüllt da stand, während der Agent langsam abrutschte. Wie ein Zeitlupe konnte Janis alles verfolgen, den Moment in dem die Schwerkraft endgültig die Oberhand gewann, wie Lucien rückwärts stolperte und gegen die Erdwand prallte.
Götter, das hatte er nicht gewollt. Janis erstarrte wo er war. Nein… Das war doch nicht geplant gewesen…
Dreck und Blut spritzten auf, als Lucien sich überschlagend den Hang hinab rollte. Mittlerweile war der Sturm aus Projektilen völlig zum Erliegen gekommen, als die Kultisten sahen, dass sie ihr Ziel erwischt hatten. Unten kam Lucien zitternd zum Liegen. Seine
Kleidung war zerfetzt, Blut tropfte aus einer Unzahl Schürfwunden und das Bein, das nicht von der Kugel zerfetzt worden war, stand in einem unnatürlichen Winkle ab.
Janis war drauf und dran die Felswand wieder hinab zu steigen, während der Agent regungslos gegen die Klippe gelehnt liegen blieb. Mittlerweile waren auch die ersten Anhänger Malachis heran und strömen auf die Freifläche zwischen Zelten und Abhang. Dann jedoch regte sich die Gestalt des kaiserlichen Agenten wieder und was er dann tat, ließ Janis das Blut in den Andern gefrieren.
Er lachte, während er zu ihm und Syle aufsah. Lachte, als wäre die ganze Sache
der größte Witz der Welt. Er schüttelte lediglich den Kopf, als er sah, wie Janis sich daran machte, den Erdhang wieder hinab zu klettern.
,, Irgendwann musste meine Glückssträhne ja einmal enden.“, murmelte er. Die ersten Kultisten hatten ihn mittlerweile so gut wie erreicht und selbst Syles Kugeln hielten sie nun nicht mehr zurück. Janis sah nicht, was der Agent als nächstes tat, doch er wusste es trotzdem. Irgendwo, irgendwie hatte eine weitere von Syles Drachenfeuerphiolen den Absturz überlebt. Als die gesamte Wiese zwischen Zelten und Klippe in Feuer gebadet wurde, musste er den Blick abwenden. Gleißend Hell loderten
die Flammen auf, verzerrten sowohl Malachis Anhänger als auch den kaiserlichen Agenten und brachten das Gestein der Wand zum Glühen.
Janis hingegen blieb völlig unverletzt, bis er schließlich den Rand der Klippe erreichte und sich hinauf zog. Die Kultisten würden nicht so dumm sein ihnen auf diesem Weg zu folgen. Schon gar nicht wenn Syle sie von oben aus mit dem Gewehr in Schach hielt. Der Wald um sie herum war dunkel und still. Es würde vermutlich eine ganze Weile dauern, bis man sie einholte.
Der Bär sagte kein Wort, während er auf ihn zutrat. Er schlug lediglich zu und die bloße Wucht fegte Janis glatt
von den Füßen. Er wusste zu gut wieso. Janis machte nicht einmal den Versuch sich zu wehren, sondern blieb lediglich mit gesenktem Kopf im Gras sitzen. Seine Wangen brannten, weniger von dem Schlag als aus bloßer Scham vor sich selbst. Er hatte Lucien schutzlos zurück gelassen, obwohl es anders hätte kommen müssen. Er hingegen hatte den Schild ja nicht einmal gebraucht er hatte… Er hatte Angst gehabt. Er hatte wie ein verfluchter Feigling gehandelt. Alles Großspurigkeit war mit einmal mal vergessen gewesen…
,,Du hast grade einen meiner besten Freunde sterben lassen , du verdammtes Schwein.“ Janis wappnete sich für den
zweiten Hieb, der ohne Zweifel folgen musste, doch dieser blieb aus.
,,Ich hatte Angst.“ , erklärte er zitternd und als er aufsah, starrte er nicht etwa in das wütend verzerrte Gesicht des Bären, sondern in den Lauf eines Gewehrs.
,,Glaubst du, Lucien hatte keine ?“ Syle sah ihn nur fassungslos an. Es war nicht so sehr seine Wut, die Janis zu schaffen machte, sondern die grenzenlose Enttäuschung in seinen Augen. Aller Zorn schien mit einem Mal verflogen. Langsam ließ er die Muskete sinken. ,, Und jetzt steh auf. Wir müssen hier weg. Oder du bleibst eben hier und stirbst. Ehrlich gesagt… mir ist es gleich. Der
einzige Grund aus dem ich dich nicht töte ist, weil es deinem Vater und deiner Mutter das Herz brechen würde.“
Mit diesen Worten drehte sich Syle um und verschwand mit raschen Schritten im Wald. Janis sah ihm lediglich nach, unfähig sich zu bewegen. Götter… was hatte er getan? Was… Wie… Langsam nur verstand er es. Verstand so vieles, was der alte Bär ihm gesagt und er immer in den Wind geschlagen hatte, Begriff den gleichen, enttäuschten Ausdruck, den Syle in der Steppe für ihn übrig gehabt hatte. Und doch war es zu spät, nicht? Viel zu spät…
Trotzdem kam er irgendwie auf die Füße und trottete mit gesenktem Kopf hinter
dem Bären her.
,, Was machen wir jetzt ?“ , wagte er tonlos zu fragen.
,, Das hier beenden.“ , erklärte Syle kalt. ,, Wir holen die Garde. Diese Irren werden nicht weiter machen, das schwöre ich dir… Und ich weiß auch schon woher wir am schnellsten die nötigen Truppen bekommen…“
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