Diese Kurzgeschichte ist nach vorgegebenen Fotografien frei erfunden. Das vorgegebene Thema: "Eine Frau ist keine Gitarre.
Sie lässt sich nicht an die Wand hängen, nachdem man auf ihr gespielt hat."
SCHICKSALSMELODIE
In der alten Römerstadt Trier stand er. An einem schmiedeeisernen Zaun gelehnt, den Schirm seiner Baskenmütze (Barrett Cap) lässig ins bärtige Gesicht gezogen. Sein leicht lockiges, dunkelblondes Haar schaute unter der Kappe hervor. In zerrissenen, blauen Jeans, dunkelrotem Skipullover darüber trug er eine braune Jeansjacke. Nico, der Jurastudent, Musiker aus Leib und Seele.
Das Studium hatte ihn hierher verschlagen. In einer alten Villa mit hübschen Vorgarten bekam er ein Zimmer
mit Kochnische, Dusche und WC. Der aus tiefster Provence stammende Bauernsohn konnte sein Glück kaum fassen. Ein Traum, sein Traum wurde wahr.
Wider aller schlechten Prognosen war hier auch noch eine Vermieterin die einem Lottogewinn gleich kam. Frau Walter war einst Musiklehrerin. Sie gab noch Musikstunden in Klavier, ab und an Gesangsunterricht. Sie hatte das absolute Gehör. Für ihn der Hauptgewinn schlechthin. Hier konnte er lernen, musizieren, hatte eine Kritikerin, sowie eine Freundin gratis ergattert.
Die Zeiten waren nicht immer so rosig.
Die sehr gepflegte, verschlossene, ältere Dame brauchte mindestens zwei Jahre, bis sie sich ihm öffnete. Sie verlangte Ordnung, Sauberkeit und wollte über jeden Besuch informiert werden. Ihr bester Freund war ein kleiner Mischlingshund Namens Carlos. Zutraulich, offen den Menschen gegenüber, Niko schloss das Tier sofort in sein Herz. So war es auszuhalten ohne viel Besuch.
Obwohl der Student der Liebling der Damenwelt war, viele gute Freundinnen hatte ließ ihn das körperlich kalt. Er war seines gleichen Geschlechts verfallen. Aus Scham blieb dieses jedoch sein kleines Geheimnis.
Der junge Mann verglich sein Seelenleben mit einem alten Scheunentor, was sich allmählich zu öffnen begann. An guten Tagen küssten dieses die Sonnenstrahlen. Es gewann an Schönheit durch das glänzende, verzinkte Fallrohr, was dem Abfluss des Regenwassers diente. Noch war es nur ein kleiner Spalt.
Ein schmaler Schatten lag auf dem Tor. Doch mit der Zeit, durch viele Gespräche mit der betagten Dame, seiner Vermieterin, verschwand er. Die Türen öffneten sich. Allmählich wuchs das Vertrauen, der Blick richtete sich in den mächtigen Hof des Lebens.
Viele gemütliche Abende zogen ins Land.
Frau Walter fing an alte Fotos auf dem großen Esstisch auszubreiten. Aus ihren Erzählungen entnahm Nico das sie einmal verheiratet war. Diese Ehe aber kinderlos blieb. Seine Beachtung schenkte er einem Bild, welches sie am Moselufer zeigte. Langes, brünettes, leicht gewelltes Haar, umrahmten ein schmales markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Makellos schön proportioniert. Der Blick, der schaute ins Leere. Fröstelnd, ihre gestrickte, dunkle Manteljacke eng an den Körper haltend, stand sie auf einem Felsgestein. Still floss das Wasser der Mosel Richtung Koblenz. Während der Blick des Studenten faszinierend diese
Fotographie betrachtete, erzählte die Vermieterin. "Damals war ich kaum drei Jahrzehnte, meine heile Welt fing an zu bröckeln. Träume verschwanden im Nichts. Während ich mich um meines Gatten pflegebedürftige, kranke Mutter kümmerte verbrachte er seine Zeit mit einer anderen Frau. Wir versuchten einen Neuanfang, doch er konnte ihr nicht widerstehen. Sie stellte ihm nach da sie ihn so sehr liebte. Mir sagte er, ich habe nicht genug um ihn gekämpft. Natürlich kostete es Tränen, die Endtäuschung war groß. Ich behielt dieses alte Haus. Ja, wir sind heute befreundet. Auch ist er noch mit ihr zusammen, begehrt mich immer noch.
Doch nach seiner Aussage kann und möchte er nicht alleine leben. Nein, wir sind nicht geschieden. Früher Selbstschutz - heute Vernunft".
Nachdenklich legte der Mann das Bild zurück. Beeindruckt von dem gehörten Schicksal der auch im Alter noch hübschen Frau. Sprachlos saßen sie sich gegenüber. "Hatte sie den jungen Mann überfordert sie alte Quasselstrippe", dachte sie und versuchte zu scherzen. Was in dieser Situation misslang. Sprachlos tranken beide ihr Glas Wein bis zur Neige. Wünschten sich eine gute Nacht, Nico bedankte sich für den netten Abend und ging auf sein Zimmer.
Der nächste Tag begann
vielversprechend. Wohl sehr kalt, doch die Märzsonne war schon früh unterwegs. Ihre Wärme fühlte sich schon sehr gut an. In der Uni lief alles nach Plan.
Nikolaus ( so war sein Taufname ) Freute sich wieder mal als Straßenmusiker zu fungieren. Er sprang förmlich die zehn Stufen zum Haus hinauf. Baute seinen Lautsprecher auf, lehnte seinen Notenständer und das Micro an die Grundstückstrennung. Noch den Rucksack mit Notenbücher sowie Gitarre an den schmiedeeisernen Zaun gehängt, startklar.
Schob sich ein Zigarettenpapier
Blättchen zwischen die Lippen, Tabakbeutel aus der Hosentasche und ruck zuck war der Glimmstängel gedreht. Frau Walter brachte eine Thermoflasche mit Kaffee, welch ein herrlicher Tag.