Eine Frau ist keine Gitarre
Beitrag zum Forum Battle 49
Vorgabe der Jury:
Das Thema ist ein Ungarisches Sprichwort, welches in den nächsten Wochen von euch „verarbeitet“ werden darf.
"Eine Frau ist keine Gitarre.
Sie lässt sich nicht an die Wand hängen, nachdem man auf ihr gespielt hat."
Außerdem 3 Bilder die eingetextet werden sollen. (Das Cover ist eins davon) und >>
(c) pepe50
Eine Frau ist keine Gitarre
Nicht selten sind Geschenke, in jungen Jahren, ausschlaggebend für den weiteren Lebensverlauf und Werdegang. So mancher Fußballprofi ist das nur deswegen geworden, weil man ihm, in frühen Jahren, einen Fußball geschenkt hat.
Vergleichsweise oder ähnlich erging es auch Jörg Klampfe. Als er 6 Jahre alt wurde, schenkte ihm sein Vater zum Geburtstag, zwar keinen Fußball, sondern eine Gitarre, weil sein Sohn, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Luftgitarre spielte.
Da konnte er noch nicht ahnen, was er damit angerichtet hatte. Doch für Jörg begann ab dem Zeitpunkt ein ganz neues Leben. Die
Gitarre und er wurden dicke Freunde, die unzertrennlich waren.. Dort wo Jörg war, war auch die Gitarre oder umgekehrt.
Selbst als er eingeschult wurde, trennte er sich nicht von ihr und sorgte in den Pausen für allgemeinen Spaß und Heiterkeit.
Anfangs war es weniger die Musik, die andere begeisterte, sondern seine Mimik und das authentische Gehampel, welches er bekannten Gitarristen abgeschaut hatte.
Nach und nach, brachte er sich das Gitarrenspielen selbst bei und er musste lächeln, wenn er an die Eselsbrücke dachte, nach der eine Gitarre gestimmt ist.
„Eine alte Dame geht heute einkaufen“. Stellvertretend für die Noten:
Tiefes E,A,D,G,H, hohes E.
Besorgt verfolgten die Eltern die Entwicklung ihres Sohnes. In der Schule tat er nicht mehr, als er musste, um nicht sitzen zu bleiben und auch danach sah es nicht so aus, als ob er sich für etwas Anderes interessen würde, ganz im Gegenteil!
Er schloss sich Gleichgesinnten an und sie gründeten eine Band.
Mit gelegentlichen Auftritten, zu den verschiedensten Anlässen, verdienten sie so viel, dass sie ihren Lebensunterhalt davon bestreiten konnten, aber dem Vater war das ein Dorn im Auge, ihm wäre es lieber gewesen, wenn er etwas Ordentliches gelernt hätte.
Diese Vorstellung nahm so stark Besitz von ihm, dass er seinen Sohn, nach einer durchzechten bzw. durchspielten Nacht, vor dem Haus abfing, um ihm die Meinung zu geigen. Doch sein Sohn schaute nur, ungeachtet dessen was sein Vater sagte, auf ihr Haus, mit den dicken, rosaroten Mauern. Dabei interessierte ihn besonders die kleine Tür - die sich seitwärts eines großen, nach oben abgerundeten, Holztors befand - um so schnell wie möglich dahinter zu verschwinden, denn er war hundemüde und wollte nur noch schlafen.
Mit der Zeit wurden diese Aussprachen immer häufiger und heftiger. Als die Eltern merkten, dass ihr Sohn auch sein Outfit, auf eine für sie unakzeptable Art und Weise
vernachlässigte und möglicherweise auch noch Drogen nahm.
Er trug altmodische Klamotten und verschlissene Jeans, die an den Knien, Lüftungsschächte aufwiesen.
Als Jörg seinen Freunden von der Zerstrittenheit in der Familie berichtete und bei der Gelegenheit erfuhr, dass es ihnen ähnlich erging, beschlossen sie, aus der elterlichen Wohnung auszuziehen und gründeten eine WG.
Sie fanden eine Wohnung in der Nähe eines schönen See.
Nun waren sie unabhängig und konnten sich immer mehr der Musik widmen.
Irgendwann kam der Zeitpunkt, dass sie nicht
mehr nur bekannter Musik nachspielten- sondern sie wollten ihre eigene Musik mache. Das gemeinsame Engagement trug bald Früchte und Jörg entdeckte sein Talent als Songschreiber und Komponist.
Während seine Freunde die Instrumente bearbeiteten, zog er es vor allein zu sein, wenn er etwas komponieren wollte.
So war es auch an diesem Tag.
Er schnappte sich seinen Rucksack, die Gitarre und sonstige Utensilien, die ein Komponist benötigt und begab sich zu dem nahegelegenen See.
Dort hatte er schon einen Stammplatz gefunden. Im Rücken befand sich ein Zaun an dem er seinen Rucksack und die Gitarre
aufhängen konnte. Aber das Ausschlaggebende war der Blick auf den See. Dunkel und geheimnisvoll lag er vor ihm und in seiner Vorstellung war das die Kulisse vor der sie spielten.
Markante Steine am Ufer begannen zu tanzen und in das dunkle Blau des Sees, projizierte er seine Fantasie und ließ sich inspirieren.
Im Geiste sah er ein begeistertes und ausgelassenes, junges Publikum und er machte sich Gedanken darüber, welche Musik und welcher Text dazu passen könnte. Zunächst ließ er sich musikalisch inspirieren, was völlig konträr zu der Realität war, aber genau diese Neutralität benötigte er, um die Wirkung auf das Publikum richtig einschätzen
zu können.
Auf den Knien machte er sich gelegentlich Notizen, dann schaute er wieder auf den See, um sich von dem Publikum weiter inspirieren zu lassen.
Doch diesmal traute er seinen Augen nicht. Nicht weit von ihm, stand - auf einem großen Stein - reglos eine junge Frau, die schätzungsweise in seinem Alter war.
Ihre dunkle Kleidung verschmolz mit dem See und lies sie ebenso geheimnisvoll erscheinen. Langes braunes Haar fiel ihr über die rechte Schulter und sie schien zu frösteln. Als ob sie sich an ihrem Armwärmen wollte, griff sie sich mit der rechten Hand an den Hals oder Schulter.
Sie blickte nicht ihn an, sondern ihr Blick ging
an ihm vorbei auf einen imaginären Punkt.
Im ersten Moment war Jörg erschrocken, denn größer konnte der Kontrast nicht sein. Noch hatte er das ausgelassene Publikum vor seinen geistigen Augen und mitten drin stand nun diese Frau.
Sie machte einen traurigen und einsamen Eindruck.
Das ausgelassene Publikum verschwand aus seiner Vorstellung, als er realisierte, dass es kein Traum war und er nur noch Augen für diese rätselhafte Frau hatte, die ihn seltsam faszinierte und anzog.
Ihre Haltung ließ Mitgefühl in ihm aufkommen und abwesend griff er nach der Gitarre. Ganz sanft schlug er einige Akkorde an, denn er wollte sich nicht aufdrängen und wenn sie es
hören wollte dann würde sie es hören.
Fasziniert und gespannt wartete Jörg auf eine Reaktion, während er sanft und in ruhigen Abständen eine Seite nach der anderen zupfte, so ähnlich als ob er Harfe oder Chello spielen würde.
Sosehr er sich auch anstrengte, eine sichtbare Reaktion konnte er nicht wahrnehmen, aber er bildete sich ein, an ihrer Haltung zu erkennen, dass sie den sanften Tönen lauschte.
Jörg konnte sich nicht erinnern, jemals so sanft mit seiner Gitarre gespielt zu haben, aber diese Atmosphäre ließ ihn intuitiv die richtigen und passenden Töne finden.
Als Jörg nach einer ganzen Weile immer noch
keine wirklich sichtbare Reaktion wahrnahm und die Frau unverändert reglos auf dem Stein stand, empfand er es als aufdringlich weiter zu spielte und ließ sein Spielen mit einem sanften Schlussakkord ausklingen.
Als er noch überlegte, wie er sich weiter verhalten sollte, drehte die junge Frau ganz langsam ihren Kopf zu ihm - er hielt die Luft an - und dann bat sie ihn, mit einer so lieblichen, sanften und eindringlichen Stimme, die Jörg unter die Haut ging: „Spiel bitte weiter!“ Nichts tat er lieber als das.
Zunächst begann er wieder ganz sanft und als er bemerkte, dass sie leicht in den Hüften mit ging, spielte er etwas lauter und der Rhythmus wurde etwas schneller und als sie auch da noch folgte, spielte er immer
ausgelassener und zwar eine Melodie die frei erfunden war, die er so noch nie gespielt hatte und die junge Frau ging in ihrem Tanz mit, so, dass Jörg es mit der Angst zu tun bekam, weil er befürchtete, dass sie von dem Stein herunter fallen könnte.
Auf dem Höhepunkt stellte er die temperamentvolle Musik ein und hängte die Gitarre an den Zaun.
Er blieb kurz stehen, schaute in ihre Richtung und er sah, wie sie sich anschickte von dem Stein zu klettern. Zaghaft ging Jörg auf sie zu, denn um ihr von dem Stein zu helfen, dazu war es zu spät.
Die Junge Frau kam ebenfalls mit langsamen Schritten auf Jörg zu und in der Mitte trafen sie sich. Wortlos schauten sie sich in die
Augen und in dem Moment merkten sie, dass sie sich verstanden.
Jörg hatte bis dahin nur flüchtige und oberflächliche Bekanntschaften mit Frauen gehabt, aber was diese Augen mit ihm machten, das hatte er noch nie erlebt und er fühlte sich für einen Moment in andere, bis dahin unbekannte Sphären versetzt.
Plötzlich reichten sie sich, gegenüberstehend, impulsiv und wie auf ein Kommando, beide Hände. Sie schauten sich noch einmal tief und prüfend in die Augen als ob sie sich vergewissern wollten, dass es Wirklichkeit war.
Scheinbar kamen die Gefühle ihren Gedanken zuvor, denn plötzlich lagen sie sich
in den Armen und hielten sich beide fest, als ob sie befürchten müssten, das Gleichgewicht zu verlieren.
Reglos verhielten sie in dieser Haltung. Nur dem Atmen konnte man entnehmen, was in beiden vor sich ging.
Nach einigen Minuten des Schweigens löste sie sich wieder voneinander, hielten sich auf Armlänge an den Händen fest und die Augen überprüften sanft und liebevoll, ob das Geschehene auch der Realität entsprach.
Ein unbewusstes, gegenseitiges Anlächeln zeigte an, dass es keine Bedenken gab.
Plötzlich fiel die Spannung von beiden ab und sie begaben sich, Hand in Hand, zum Zaun, an der die Gitarre hing.
Jörg verspürte in sich den Drang, sie nach dem Grund und der Ursache zu fragen, warum sie an den See gekommen war und auf den Stein gestiegen ist. Aber er beherrschte sich, denn es wäre ein großer Vertrauensbeweis, wenn sie von sich aus damit heraus rücken würde und darauf brauchte er nicht lange zu warten.
Als sie nur noch ein paar Schritte von der Gitarre entfernt waren, blieb die Junge Frau plötzlich stehen.
Verwundert fragte Jörg: „Ist was, ist alles in Ordnung?“
Sie schaute ihn daraufhin ernst an und jetzt erst stellte sie sich vor: „Ich heiße Inge.“ -
„Und ich bin der Jörg“, antwortete dieser
verhalten, denn er war gespannt, was weiter folgen würde.
Inge holte tief Luft, hielt diese einen Moment an um sie langsam wieder entweichen zu lassen. Dann schaute sie wieder ganz versonnen zu der Gitarre die da am Zaun hing und sagte bedächtig und so, als ob sie es nur zu sich sagt: „Weißt Du eigentlich, dass Du mir das Leben gerettet hast?“
Schweigen, denn Jörg wusste im Moment nicht was er sagen sollte.
Dann fuhr sie mit trauriger, aber scheinbar erleichterte Stimme fort:“ Ich war einige Jahre mit einem Mann zusammen, der mich so behandelt hat, wie Du mit deiner Gitarre umgehst und als ich den Mut hatte mich zu wehren, hat er mich verlassen.
Jörg verstand nicht und fragte nach.
„Nun, eine Frau ist keine Gitarre, die man nach dem Spielen einfach weg hängt“, erklärte sie ihm jetzt wieder lächelnd.
„Dann musst Du ihn sehr geliebt haben, wenn Du dich wegen ihm umbringen wolltest. Liebst Du ihn denn immer noch?“
Darauf antwortete sie nun, schelmisch lächelnd: “Nein, jetzt nicht mehr.“
Die Freunde von Jörg staunten nicht schlecht, als er mit Inge im Schlepp eintrudelte. Die beiden hatten sich gefunden und es dauerte nicht lange, als Jörg zu Inge zog, aber er hatte noch eine Überraschung für sie. Ihr Kennenlernen würde er einem Song widmen und um den zu komponieren, dazu würden sie
beide wieder an den See gehen.