in my Big dreams
„I can’t imagine all the people that you know…“ Aeneas Stimme klang rau und auf dieselbe Art verrückt und glücklich, die mein Herz rasen ließ und meinen Mund unwillkürlich zu einem wilden Lächeln verzogen hatte. „ … and the places that you go, when the lights are turned down low.” Ein Jubeln ging durch die Menschenmenge, Teenagerhände streckten sich uns entgegen und man konnte die Welle der hilflosen Euphorie fast sehen wie sie über ihnen zusammenschlug und sie mitriss. Meine Lippen hatten sich zu den letzten Worten mitbewegt, ich wusste, dass ich im Laufe
des Konzerts den Text dieses Liedes zusammen mit Aenea ins Mikrofon brüllen würde, irgendwann in dieser Nacht wenn es egal geworden war, wie sich unsere Stimmen anhörten. Sie hatte mich verändert – von dem ersten Moment an, als mich ihre großen braunen Augen angeschrien hatten, wir könnten etwas bewirken, etwas verändern. Ich sah auf die Menschen da unten und fühlte wie sich ein Zittern über meine Wirbelsäule hinaufbahnte und fühlte den Ruck der bei den Worten „Big Dreams“ durch Aeneas Körper ging. Wir hatten etwas bewirkt. Wir veränderten etwas.
Festungskinder
Aber so erfolgreich die Festung feindliche Schiffe entern und Attacken abwehren konnte, so wenig konnte sie die Kinder abhalten. Sobald der Winter kam, Hunger und Krankheiten in der Stadt ausbrachen und die Städter einer nach dem anderen dahinstarben kamen sie: Ausgemergelt und schmutzig wie die Ratten kamen sie in sie Festung, die kleinen bleichen Finger winzige Vorsprünge in den Mauern suchend, und wenn spätabends ein schwer bewaffneter Wachmann seine Runden auf den Mauern abging meinte er vielleicht hier und dort ein huschen zu hören, einen bloßen fuß
zu sehen der in einer spalte oder einem Schacht verschwand.
Nicht nur die Wachmänner bemerkten sie: Einer der ersten, die eines der Kinder zu Gesicht bekamen, war der junge Prinz. Selbst kaum 10 Jahre alt schien er wie eine andere Spezies zu sein als das Mädchen, das an einem Herbstabend in seinem Zimmer stand und ehrfürchtig die samtene Decke seines Bettes mit den Fingerspitzen berührte. Während dem zukünftigen Herrscher warme elegante Stoffe angezogen wurden stand das Mädchen mit einem zerschlissenen Hemd barfuß da und von ihren fast hüftlangen schmutzig-braunen Haaren tropfte Schneewasser auf den
dicken Teppich. Als der Prinz die Gestalt in seinem Zimmer vor dem offenen Fenster stehen sah zuckte sein Kopf Richtung Tür, Richtung seiner Amme, dessen leise Schritte er den Gang hinuntergehen hörte, die Lippen öffneten sich zu einem Ruf – und schlossen sich wieder. Das Mädchen starrte ihn mit riesigen dunklen Augen an und machte zaghaft einen schritt zurück. Noch einen. Noch einen. Dann war es verschwunden und Schnee wehte durch das offene Fester auf den Teppich.