Fantasy & Horror
Rage - Kapitel 6

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"Rage - Kapitel 6"
Veröffentlicht am 22. Februar 2016, 24 Seiten
Kategorie Fantasy & Horror
© Umschlag Bildmaterial: Vera Kuttelvaserova - Fotolia.com
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Danke, dass Du mein Buch liest. Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden. Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben. C. G.
Rage - Kapitel 6

Rage - Kapitel 6

Eröffnungszug


Frank beobachtete Vanessa in ihrem Sessel ohne eine Miene zu verziehen. Nur die flackernden Bewegungen seiner Augen verrieten, dass sich Frank im Hier und Jetzt befindet. Seine Pupillen waren weit geöffnet, eine biologische Maßnahme des Körpers, um möglichst viel Licht auf die Netzhaut fallen zu lassen. Körpersprache verrät so viel. Weite Pupillen sind im Regelfall ein Zeichen von Interesse, von Neugier. Am Partner, an Dingen, an Verträgen. Ein gut geschulter Verkäufer achtet nicht auf die Körperhaltung ihres Gegenübers. Ihn


interessiert nicht wie aufrecht die Haltung ist, oder ob die Arme verschränkt sind. Er liest einzig und allein in den Augen und im Gesicht, in der Mimik seines Gegenübers. Frank betrachtete jedes noch so kleine Detail in Vanessas Gesicht. Jede kleine Falte, welche sich durch einen leichten Schattenwurf auf der sonst feinen Haut abzeichnete. Der kleine Flaum an kaum sichtbaren Haaren, welche im Gegenlicht auf den Wangen und auf der Oberlippe leicht schimmerten. Die bröckeligen Reste von Wimperntusche in den langen fein gebogenen Wimpern und der Kajal auf der Wasserlinie ihrer


Augen. Zwischen den einzelnen Härchen der Augenbrauen konnte Frank das dezente Nachzeichnen erkennen. Vanessas Pupillen waren zu kleinen Punkten verengt, sie war gedanklich nicht im selben Raum wie Frank. Er ließ seinen Blick weiter über Vanessa wandern. Ihre Haare waren glanzlos und stumpf. Einzelne Strähnen stachen dezent aus der sonst perfekt sitzenden Frisur heraus. Wenn Frank sich nicht täuschte, dann konnte er erkennen, dass der aufgetragene Lippenstift in der Mitte der Ober- und Unterlippe weggekaut war. Der Abdeckstift unter den Augen war farblich auf eine normale


Tagesfassung von Vanessa abgestimmt, heute war der Ton etwas zu dunkel und hob sich dadurch von ihrer blassen, übernächtigten Haut ab. Vanessa reagierte nicht im Geringsten, als Frank in ihr Zimmer gebracht wurde und Platz genommen hatte. Die Nacht hatte nicht nur äußerlich Spuren bei ihr hinterlassen. Seit sie am Esstisch aufgewacht war wurde sie dieses beklemmende aber auch befreiende Gefühl nicht los. Einerseits war es unglaublich befreiend auf der anderen Seite hat es so viele lange Jahre verdrängte Gefühle wieder an die


Oberfläche gebracht. Sie hätte heute freinehmen sollen und sich mit sich selber auseinandersetzen und organisieren sollen. Vanessa konnte sich kaum an die Autofahrt hierher erinnern. Hieß das, dass sie die gesamte Strecke nicht wirklich konzentriert am Steuer gesessen hatte? Mein Gott, wie gefährlich und fahrlässig. Sie ging im Kopf ihre Geschichte mit den feinen Änderungen nochmal durch. Hatte sie etwas vergessen, etwas übersehen? Sie durfte nicht riskieren, dass sie sich mit ihrer Offenbarung ihr eigenes berufliches Grab schaufelte. War die Geschichte in ihrer Version glaubwürdig?


Hatte sie Schwachstellen? Eine Gänsehaut zog sich aus dem Nacken das Rückgrat hinunter bis zum Steißbein. Sie blinzelte mehrfach, als ob sie aus einem Tagtraum aufwachte und zuckte kaum merklich zusammen, als sie erkannte, dass Frank bereits vor ihr in seinem Sessel saß. Sie verfluchte sich, dass sie sein Betreten des Raumes nicht bekommen hatte. Noch mehr verfluchte sie jedoch das leichte Zucken. Vanessa war sich sicher, dass Frank das nicht übersehen hatte. Ein beschissener Start für einen Termin, den sie sich so feste


vorgenommen hatte heute mal von ihrer Seite zu dominieren. Franks Mundwinkel umspielte ein sehr dezentes Lächeln und mit seiner beherrschten und sonoren Stimme drang er ohne Umwege zu Vanessa durch. ‚Ich sagte guten Morgen Vanessa. Möchten sie mich nicht auch begrüßen? Diesen Mangel an Aufmerksamkeit kenne ich von Ihnen überhaupt nicht.‘ Vanessa musste sich zusammenreißen, dass sie nicht nach diesen ersten Worten direkt in sich zusammensank. ‚Vanessa, wenn ich zu Blind wäre, ihre laienhaften Bemühungen zu


erkennen eine offensichtlich kurze Nacht zu kaschieren, müsste ich glauben, sie wollten gar nicht mit mir diese schönen Morgenstunden verbringen.‘ Die aufsteigende Röte auf Vanessas Wangen war eine toxische Mischung aus Zorn über Franks arrogante Haltung und Hass auf sich selber, da sie den Eröffnungszug vollständig verpatzt hatte. Eine unnötig verschenkte Chance und die bedingungslose Übergabe der Macht an Frank für diese Sitzung. Sie wusste bereits jetzt, dass sie keine Sekunde lang in diesem Termin die Führung übernehmen würde. Allerdings


würde sie nicht kampflos die Arena verlassen. Vanessa versuchte mit dem ihr im Moment noch zur Verfügung stehenden Rest an Würde und Kraft Frank auf Augenhöhe zu begegnen. ‚Guten Morgen Frank. Sie sind ein guter Beobachter. Das imponiert mir. Da sie offensichtlich gut aufgelegt zu sein scheinen, würde ich vorschlagen, dass wir meinen heutigen Schlafmangel nicht weiter thematisieren sondern uns heute mal auf sie konzentrieren. Was halten sie davon?‘ Frank hielt den Blick direkt in Vanessas Augen. Zuckten ihre Augen von links


nach rechts hefteten Franks Pupillen direkt an ihren und seine Augen vollzogen in gespiegelter Weise dieselbe Bewegung. Dann neigte Frank den Kopf leicht nach rechts und zog eine Augenbraue hoch. Vanessa fühlte, wie sie sich von ganz tief drinnen heraus verspannte. Ihre linke Hand war zur Faust geballt und die Knöchel zeichneten sich weiß ab. Frank lockerte seinen Blick und schweifte an Vanessa vorbei aus dem Fenster in das Morgenlicht. ‚Entspannen sie sich, Vanessa. Setzen sie sich zu mir, ich bin heute in Plauderlaune. Das sollten sie


ausnutzen.‘ Verdutzt sackte Vanessa einen guten Zentimeter zusammen als die Spannung nachließ. Hatte er gerade gesagt, er würde über alles sprechen? Sie konnte sich die Überraschung nicht aus dem Gesicht waschen und fixierte Frank mit ihren Augen während sie sich ihr Kostüm glattstrich und sich zu ihm setzte. ‚Ähm, also gut, Frank. Lassen sie uns reden.‘ Sie beobachtete seine Gesichtszüge während sie ihre Worte sprach. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Frank sich einfach öffnen würde. Seine Miene verriet nichts, also


sprach sie weiter. ‚Was beschäftigte sie heute Morgen als erstes, nachdem sie aufgewacht sind, Frank? Fangen wir doch mit etwas einfachem an, um gemeinsam warm zu werden.‘ Vanessa hoffte ihren schlechten ersten Zug mit diesem hier ausbessern zu können. Aber Frank starrte sie nur an. ‚Frank, sie haben angeboten, sich mit mir zu unterhalten. Darum möchte ich sie jetzt gerne bitten.‘ aber Frank starrte Vanessa einfach nur an. ‚Ok, dann erzähle ich vielleicht zuerst, was mich heute Morgen direkt nach dem Aufstehen beschäftigt hat.‘ Ein


kurzes Aufflackern in seinen Augen nahm Vanessa als Bestätigung an dieser Stelle fortzufahren. Warum noch lange um das eigentliche Thema herumreden. Vanessa suchte einen Weg direkt zu dem eigentlichen Punkt zu kommen, ohne plump dabei zu wirken. ‚Sie hatten mir eine Bedingung gestellt. Sie wollten von mir meinen bislang tiefsten und unrühmlichsten Moment wissen. Ich habe die ganze Nacht damit verbracht, mir über eben diesen Moment einig zu werden. Frank, haben sie sich bereits mit derselben Frage beschäftigt? Wissen sie wie komplex diese eigentlich einfach


klingende Frage tatsächlich ist? Wie tief bin ich schon gesunken? Was war das schlimmste, was ich je erlebt habe? Welche Qualen habe ich durchstehen müssen und an welchem Punkt war ich im weitesten von der Definition von Leben entfernt?‘ Vanessa versuchte eine kurze Pause strategisch geschickt zu platzieren. Sie sollte der Aufzählung etwas mehr Wirkung verpassen aber auch Vanessa einen Moment zum Durchatmen und neu sammeln. ‚Die Frage lässt sich nicht in einem einzigen Moment definieren…‘ ‚BULLSHIT‘ Frank spuckte ihr die Worte sprichwörtlich ins Gesicht. Einen


solch emotionalen Ausbruch hätte Vanessa von Frank nie erwartet. Auf welchen Nerv ist Vanessa da gerade getroffen? Franks Halsschlagadern waren weit hervorgetreten und seine beschleunigte Atmung ließ seinen gesamten Körper pulsieren. Seine glattrasierte Haut stellte sich zu einer erzürnten Gänsehaut auf und unterstrich den leicht irren Blick, zu welchem sich Frank hinreißen ließ. Ungebremst fuhr Frank fort und erläuterte sein schräges Bild davon, was der tiefste Punkt im Leben jedes Menschen sein musste. ‚Sind sie so blind Vanessa? Es ist die natürliche Geburt. Anhand ihrer


Kopfform kann ich sehen, dass sie mit neunzig prozentiger Sicherheit auf natürliche Weise auf die Welt gekommen sind.‘ Frank blaffte Vanessa weiter und ungehemmt laut an. Das Sicherheitspersonal stemmte sich sofort durch die Tür in Vanessas Zimmer, doch sie winkte ab und signalisierte den Männern damit, dass sie weiterhin vor der Tür warten sollten. ‚Die echte Geburt, Manuela, das ist mit Abstand der am meisten entwürdigende Moment. Völlig entblößt, die eigene Scham ungeschützt im grellen Scheinwerferlicht und von fremden Männerhänden betatscht noch bevor der


Mutterleib in einem Sud aus Blut, Fruchtwasser, Schleim und mütterlichen Exkrementen verlassen wird. Das Chaos im Kopf des Geborenen ist unvorstellbar. Alles ist neu, laut, kalt und hart. Es riecht intensiv, das Atmen kostet Kraft. So viele Bedürfnisse und so begrenzte Mittel sich mitzuteilen. Nicht in der Lage sich und die Umwelt zu verstehen noch in der Lage sich verständlich zu machen. Wie weit kann man von Leben noch entfernt sein? Wie hilflos und damit tief unten kann sich ein Mensch noch bewegen? Wann in den folgenden Jahren ist der Level an Stress, Angst und Hilflosigkeit jemals höher?‘


Franks Atmung ging schwer, von der gespenstischen Beherrschtheit war nichts mehr übrig. Frank hatte zum ersten Mal durchblicken lassen, dass er erreichbar ist. Vanessa machte sich eifrig Notizen, jedes Wort, jede Formulierung, jeder von ihm genannte Zusammenhang. Sie hatte endlich Material, mit dem sie arbeiten konnte. Sie hofft, dass sie alles was wortwörtlich hatte mitschreiben können. Durch den unbefangenen Start des Gesprächs hatte sie das Aufnahmegerät noch nicht gestartet.



Ihre Notizen sind alles, was sie für den Moment und den nächsten Schritt hatte. Dass Frank in seiner emotionalen Rede aus dem Sessel gesprungen und zum Fenster gelaufen ist, hatte Vanessa nicht gestört. Nun stand er mit dem Rücken zu ihr, die Hände auf das schmale Fensterbrett gestützt und beruhigte sich am Blick in die Natur. Vanessas Hände waren heiß und schweißnass. Sie hatte Mühe den Bleistift leserlich über das Papier zu führen. ‚Bitte verzeihen sie mir den Ausbruch, Vanessa. Ich glaube, wir sollten ein


andermal weiterplaudern. Ich möchte nicht, dass unser weiteres Gespräch durch diese Vorstellung beeinflusst wird. Bitte gestatten Sie mir, die Sitzung heute abzubrechen.‘ Vanessa kam Franks Bitte nach und ließ ihn wieder in sein Zimmer bringen. Was ist da gerade passiert? Warum war Frank heute so anders? Er war zum einen nach wie vor ein Arsch, aber irgendwie hatte er es geschafft so etwas wie Menschlichkeit und Anstand durchblitzen zu lassen. Er hatte gewisse Benimmregeln befolgt und somit für eine Art gemeinsamer Augenhöhe


gesorgt. Dann war da der hochemotionale Ausbruch. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht. Vanessa wusste, dass sie die Antworten in ihren Notizen finden würde. Diese mussten aber erstmal warten, der nächste Termin wurde gerade durch die Tür gebracht. Vanessa räumte ihre Unterlagen, vor allem ihre nächtlichen Notizen von ihrem Schreibtisch in ihre Aktentasche und blickte noch einmal Erholung suchend aus dem Fenster. Sie zuckte kurz zusammen, denn statt ihrer selbst spiegelte sich für den Bruchteil einer Sekunde Franks Gesicht in der Scheibe. Noch blasser als vor ihrem


ersten Termin und mit feinen Schweißperlen auf der Stirn nahm Vanessa gegenüber von ihrem nächsten Termin Platz.

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Gillegan
Danke, dass Du mein Buch liest.

Mein Debüt, Life Game, unterliegt leider noch immer meiner Überarbeitung. Beruflich ziemlich eingespannt, bleibt zu wenig Zeit, diesem spannenden Hobby nachzugehen. Ideen für neue Stories stehen Schlange und warten nur noch darauf, in Worte gefasst zu werden.

Ich danke allen die weiterhin kritisch aber neugierig meinen Geschichten treu bleiben.

C. G.

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Loraine Spannend und auch mit Gänsehautfaktor für mich. Schöne Sprache und Situationsbeschreibung die den Leser von Zeile zu Zeile fließen lassen. LG Loraine
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Seite 16 wer ist Manuela?
Beeindruckende Studien ...z.Bsp. das Make up (so hab ich das noch nie gesehen^^)

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
Gillegan Ist dir aufgefallen, dass ich nicht Vanessa geschrieben habe?! Sehr gut ;) Löst sich alles noch auf.
Wird hoffentlich auf diesem Niveau bleiben. Daumen drücken ;)
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