Kurzgeschichte
Figurprobleme

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"Figurprobleme"
Veröffentlicht am 22. April 2007, 10 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Ehemann, Vater, Großvater - alles optimiert: nur eine Frau, nur einen Sohn, nur eine Tochter, nur eine Enkelin, nur einen Enkel.,, nein, seit dem 24.02.08 (kurz nach 6) sind's zwei In Jahreszahlen: 57, 54, 35, 33, 12, 1 (Stand: 2007)
Figurprobleme

Figurprobleme


Die kritisch-prüfenden Blicke seiner Frau Gisela nahm Herbert anfangs nur mehr unbewußt wahr. Doch als ihm ihre immer unverhohleneren Blicke einfach nicht mehr entgehen konnten, wollte er es schließlich wissen: „Sag mal - is’ was?“
Herberts bessere Hälfte nickte zustimmend. Ein Nicken, so ein Mittelding zwischen Mitleid, Faszination und das-darf-doch-nicht-wahr-sein... Und auch ihr Lächeln dabei - es wirkte irgendwie gequält.
„ Na was? Sag schon - fehlt dir was? Hab’ ich was angestellt? Was vergessen? Hochzeitstag ham wir doch keinen ... oder...?“ Im Nano-Sekundenbereich verglich er gedanklich das aktuelle Tagesdatum mit dem Datum ihrer beider Hochzeit - nein: Letzteres schied aus. Innerlich aufseufzend registrierte er auch im gleichen Augenblick Giselas blondgeschopftes Kopfschütteln, begleitet von einem versicherndem: „Nein, Schatz, mir fehlt nichts und du hast auch nichts vergessen oder angestellt. Im Gegenteil. In den Jahren unseres Zusammenseins warst du wohl ein Musterbeispiel an Aufmerksamkeit und Zuvorkommenheit...“
„Aber ...?“
„Es ist nur ...“, fuhr Gisela nach den rechten Worten suchend fort, wobei sie ihren Herbert jetzt wirklich direkt mitleidvoll ansah.
Herbert mutmaßte Schlimmes: „Nun spann mich doch nicht so auf die Folter. Du, ich hab’ das soeben schon richtig verstanden ... warst in den Jahren unseres Zusammenseins ... die deutliche Betonung von ... waaarst ... hab ich noch in den Ohren ... - ich WAR also mal der aufmerksame Ehemann, WAR zuvorkommend ... und das ist nun nicht mehr so, stimmt’s?! Oder gefalle ich dir am Ende nicht mehr? Liebst mich nicht mehr ... Willst du mir das sagen? Sag schon!“
„Was du da bloß redest! Natürlich liebe ich dich noch ... es ist ... nur ...“
„Ja Himmel noch mal!“ quoll es lauter als beabsichtigt aus Herberts Mund, dessen Lippen ein nervöses Zucken nicht zu unterbinden vermochten. „Los jetzt! Raus mit der Sprache!“
Beschwichtigend legte Gisela ihre zierliche Hand auf seine: „Also gut. Ganz offen. Aber nicht böse sein, Schatz, versprochen?“
„Versprochen“, klang knurrend, aber schon wesentlich besänftigter.
Gisela atmete tief durch, dann: „Du wirst allmählich dick. ZU dick!“
So, nun war’s raus, und Gisela tat noch einen tiefen Atemzug, endlich ihr „Problem“ loszusein.
Aber das schien auch echt gesessen zu haben. Jedenfalls bei Herbert. Dem entglitten nämlich zunächst sämtliche Gesichtszüge einschließlich aller Waggons, dann blickte er Gisela konsterniert an und letztlich an seinem Körper abwärts:
„Iiiich...? Und dick? Ja wo denn? Spinnst du? Mag ja sein, dass ich im Lauf der Jahre ein wenig zugenommen habe ... aber dick? Niemals! Stattliches Erscheinungsbild würde ich ja noch gelten lassen. Aber auch das liegt auch in der Natur des Mannes sowie in der Natur der Sache. Weißt du, wenn das Feuer der Jugend der Beschaulichkeit des Alters weichen muss ...“
Herbert kam ins Philosophieren.
Und Gisela? Nun, sie kannte ihren Herbert in und auswendig: Kein Argument war ihm zu abwegig, seine einmal dargelegte Meinung mit allen Mittel zu untermauern. Seine Fettpölsterchen waren keine Fettpölsterchen - diese Indizien seines an Umfang gewinnenden Leibes gaben ihm schlichtweg nur das An- und Aussehen eines wohlsituierten Mannes. Und das schon bedrohlich den Hemdenstoff auswölbende Bäuchlein, das auch schon längst nicht mehr nur ein Bäuchlein war, galt bei Herbert als Sinnbild konservierter Männlichkeit.
Da nützte es ihr auch recht wenig, als sie wie resignierend anfügte: „Fettleibigkeit ist auch nicht gut für den Kreislauf!“
Herbert hatte dafür ein nur fast verächtlich klingendes Lachen übrig: „Ich - und fettleibig?! Jetzt mach’ aber mal ‘nen Punkt!“
Und so vergingen weitere Tage.
Doch eines Tages ... Welch seltsamer Sinneswandel ...? Oder hatte schlichtweg doch irgendwelche figurbedingte Probleme? Probleme zum Beispiel mit seiner Hose? Also, irgendwie paßte sie nicht mehr so, wie sie eigentlich sollte...
„Das ist doch ...!“ fluchte er leise vor sich hin, ging in die Hocke, versuchte es mit sich drehen und sich wenden - der gewünschte Erfolg wollte sich dennoch nicht einstellen: seine Hose saß ums Verrecken nicht so, wie sie müßte. Es zwickte hier, es zwackte dort und es spannte an allen Stellen.
Aufseufzend mußte er klein beigeben:
„Ich glaube, Schatz, meine Hose spannt etwas. Meinst du wirklich, dass ich ein wenig ... hmm, dass ich ein wenig Speck angesetzt habe?!“
„Ein wenig ist gut“, raunte Gisela. Allerdings nur ganz, ganz leise ... vermied es jedoch, Herbert direkt ins Gesicht zu sehen, sondern zupfte hier und da an dessen Hosenbeinen ... ihr frohlockendes Flackern in den Augen mußte er ja jetzt nicht auch noch unbedingt sehen ...
Dann, als sie sich und ihre Gefühle wieder voll in den Griff bekommen hatte, kam Gisela auch wieder in die Höhe und nickte mit echt ernster Miene:
„Habe ich dir doch vergangene Tage schon gesagt, Schatzi, aber du wolltest ja nicht hören. Hättest du schon früher auf mich gehört, wäre es bestimmt erst gar nicht soweit gekommen. Aber jetzt übernehme ich mal das Kommando, ab jetzt wird abgenommen, klar?! Ab sofort bestimme ich, wann und wovon wieviel du ißt. Hand drauf - oder wir sind geschiedene Leute!“
Uih. So energisch und konsequent kannte Herbert seine Gisela ja überhaupt nicht. Aber allzu Unmenschliches verlangte sie ja nun wirklich nicht: morgens ein paar Brötchen weniger ... mittags reichlich, aber nicht übermäßig und ohne dritten Nachschlag. Abends wurden die Bierchen reduziert. Das Schlüsselchen zur Schranktür, hinter der sich Chips, Vollmilch-Nußschokolade und andere Kalorienbomben verbargen, verschwand ebenfalls wie auf geheimnisvolle Weise ...
Und siehe da: Schon nach wenigen Tagen konnte Herbert erste Erfolge in seinen Pfunde-runter-Kalender eintragen und wieder ein paar Tage später hatte er auch tatsächlich soviel abgespeckt, dass ihm sogar die zuvor kneifende Hose auch wieder so paßte, dass sie geradezu ein angenehmes Gefühl beim Tragen hervorrief.
Herbert war stolz auf sich und sein Durchhaltevermögen. Und Gisela war froh, ihn dahingebracht zu haben.
Doch allzu lange währte Herberts Freude nicht.
„Du gehst doch wohl nicht heimlich zum Italiener?“ fragte Gisela streng, als Herbert ins Zimmer kam und dabei krampfhaft versucht war, der irgendwie nicht sitzen wollenden Hose durch Ziehen hier und Zerren da den rechten Sitz zu verpassen.
„Ich versteh’s wirklich nicht, Schatz“, beeilte er sich dennoch zu versichern, obwohl er sich insgeheim eingestand, sehr wohl zu später Stunde, aber auch nur dann, wenn er sicher war, dass Gisela wirklich schlief, dem Kühlschrank heimlich einen Besuch abgestattet haben ... aber wirklich nur ab und an einmal.
Gisela konstatierte schlicht: „Du lebst entschieden zu üppig!“
Und: Herberts zu enge Hose bestätigte das offensichtlich.
Tapfer fastete Herbert aufs Neue. Der Erfolg ließ auch entsprechend nicht allzu lange auf sich warten: richtig gehend jubelnd kam Herbert eines Tages ins Zimmer: „Sie paßt wieder, sie paßt wieder!“
Doch leider, leider ...
„Fasten, Schatz, immer weiter fasten. Du darfst deinem inneren Schweinehund einfach keinen Platz einräumen. Los komm, ich weiß, dass du das packst. Und du weißt das auch - fasten! Bitte!“
Und Herbert fastete. Verkniff sich hier und da und immer öfter die geliebten, doch seiner Figur recht abträglichen Schweineschnitzelchen ... versagte sich (bis an den Wochenenden) den Genuß der sonst allabendlichen Feierabend-Bierchen ...
... und noch vor Ablauf der sich selbst gesetzten Frist eines ganzes Jahres streng kontrollierter Nahrungs- und Genußaufnahme, war Herbert seiner einstmal gehabten, nahezu schlanken Figur schon sehr, sehr nahe gekommen. Und im darauf folgenden Frühjahr war Herbert rank und schlank wie einst im Frühling ihres Sichkennenlernens!
Heiter und beschwingt verläßt Herbert seither auch wieder jeden Morgen die Wohnung, um der täglichen Arbeit nachzukommen, die ebenfalls irgendwie viel leichter von der Hand ging.
Und Gisela?
Nun, sein liebes Frauchen ist nicht weniger frohgelaunt. Zumal sie sich jeden Tag aufs Neue beglückwünschen kann, den Einfall gehabt zu haben, Herberts Hosen in der Gesäßnaht aufzutrennen, um sie - Woche für Woche - immer wieder ein kleines Stückchen enger wieder zusammenzunähen ...
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Jenseitiger
Ehemann, Vater, Großvater - alles optimiert: nur eine Frau, nur einen Sohn, nur eine Tochter, nur eine Enkelin, nur einen Enkel.,, nein, seit dem 24.02.08 (kurz nach 6) sind's zwei
In Jahreszahlen: 57, 54, 35, 33, 12, 1 (Stand: 2007)

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Apollinaris Re: Re: Re: Re: Mann oder Hirsch, das ist hier die Frage ;) - Jaja, das kennt man ja.

Ausrede Nr. 1:

starke Knochen oder starker Knochenbau ( wie bei mir ;) )

Ausrede Nr. 2:

Drüsenbedingt

Ausrede Nr. 3 ( wenn nicht`s mehr hilft ):

Das liegt an der Kleidung ( auch wenn es in diesen Fällen meistens 7 Röcke sein müssten oder 12 paar lange Unterhosen die solche ausbuchtung zuwege bringen )

Vor langer Zeit - Antworten
Jenseitiger Re: Re: Re: Mann oder Hirsch, das ist hier die Frage ;) -
Zitat: (Original von Apollinaris am 23.04.2007 - 21:58 Uhr)
Zitat: (Original von Jenseitiger am 23.04.2007 - 20:23 Uhr)
Zitat: (Original von Apollinaris am 23.04.2007 - 19:50 Uhr) Frauen können so feinfühlig und tollerant sein so rücksichtsvoll ;) und wie ich nun gelernt hab heimtückisch und verschlagen.

5 Sternlein wie gewohnt ;)


Lass das mal ja nicht MEINE Frau lesen ...
und natürlich dankeschön für den Sternenaufgang.
Gerd


Ich ahne fürchterliches !!

Der Abspecker aus der Geschichte bist / warst du.

Eine dunkle Stunde für die Männerwelt ;)



;) nein, nicht so ganz ... denn: ich bin nicht dick - meine Beine sind bloß zu weit hinten ...
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Re: Re: Mann oder Hirsch, das ist hier die Frage ;) -
Zitat: (Original von Jenseitiger am 23.04.2007 - 20:23 Uhr)
Zitat: (Original von Apollinaris am 23.04.2007 - 19:50 Uhr) Frauen können so feinfühlig und tollerant sein so rücksichtsvoll ;) und wie ich nun gelernt hab heimtückisch und verschlagen.

5 Sternlein wie gewohnt ;)


Lass das mal ja nicht MEINE Frau lesen ...
und natürlich dankeschön für den Sternenaufgang.
Gerd


Ich ahne fürchterliches !!

Der Abspecker aus der Geschichte bist / warst du.

Eine dunkle Stunde für die Männerwelt ;)

Vor langer Zeit - Antworten
Jenseitiger Re: Mann oder Hirsch, das ist hier die Frage ;) -
Zitat: (Original von Apollinaris am 23.04.2007 - 19:50 Uhr) Frauen können so feinfühlig und tollerant sein so rücksichtsvoll ;) und wie ich nun gelernt hab heimtückisch und verschlagen.

5 Sternlein wie gewohnt ;)


Lass das mal ja nicht MEINE Frau lesen ...
und natürlich dankeschön für den Sternenaufgang.
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Jenseitiger Re: Re: Figurprobleme -
Zitat: (Original von Apollinaris am 23.04.2007 - 19:52 Uhr)
Zitat: (Original von MarianneK am 23.04.2007 - 01:54 Uhr) Herrlich, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders der Schluß.
Gruß Marianne


Ich muss es einfach sagen oder schreiben:

>> Oooh Wunder, da bin ich aber überrascht sowas von einer Frau zu hören ;)


Laßt mich mit schmunzeln: wo ist die Stelle, die zur Verwunderung verleitet, dass "sowas" ausgerechnet derart von "einer Frau gesagt" wird.
Ich war nämlich bis dato davon überzeugt, so könnte NUR eine Frau das Ganze kommentieren.
Mit Gruß + ;) Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Re: Figurprobleme -
Zitat: (Original von MarianneK am 23.04.2007 - 01:54 Uhr) Herrlich, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders der Schluß.
Gruß Marianne


Ich muss es einfach sagen oder schreiben:

>> Oooh Wunder, da bin ich aber überrascht sowas von einer Frau zu hören ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Re: Re: Figurprobleme -
Zitat: (Original von Jenseitiger am 23.04.2007 - 18:32 Uhr)
Zitat: (Original von MarianneK am 23.04.2007 - 01:54 Uhr) Herrlich, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders der Schluß.
Gruß Marianne


Man(n) muss es eben neidlos eingestehen - ihr "Weibchen" seid halt den gewissen Touch cleverer.
Liebe Grüße
Gerd


Jaja, gib noch Wasser auf die Mühle Müllerbursche ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Apollinaris Mann oder Hirsch, das ist hier die Frage ;) - Frauen können so feinfühlig und tollerant sein so rücksichtsvoll ;) und wie ich nun gelernt hab heimtückisch und verschlagen.

5 Sternlein wie gewohnt ;)
Vor langer Zeit - Antworten
Jenseitiger Re: Figurprobleme -
Zitat: (Original von MarianneK am 23.04.2007 - 01:54 Uhr) Herrlich, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders der Schluß.
Gruß Marianne


Man(n) muss es eben neidlos eingestehen - ihr "Weibchen" seid halt den gewissen Touch cleverer.
Liebe Grüße
Gerd
Vor langer Zeit - Antworten
MarianneK Figurprobleme - Herrlich, die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ganz besonders der Schluß.
Gruß Marianne
Vor langer Zeit - Antworten
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