Die Sommerferien im Jahre 1970 standen vor der Türe.
Ich hatte die zweite Klasse mit guten Noten bestanden und freute mich
schon darauf, die vor mir liegenden sechs Wochen Ferien bei meinen
Großeltern zu verbringen.
Nach der Zeugnisausgabe machte ich mich auf den Weg zum Hort, in dem ich seit dem ersten Schuljahr nach Schulschluss die Nachmittage
verbrachte, meine Hausaufgaben erledigte und vor allem spielte.
Betreut wurden wir dort von den Nonnen des Salesianer Ordens, gegründet von
einem italienischen Priester Johannes Bosco, kurz Don Bosco genannt.
Nachdem ich mich von den Schwestern verabschiedet hatte, machte ich mich auf den Heimweg.
Meine Eltern hatten eine Metzgerei und unsere Wohnräume lagen hinter dem Laden. Daher marschierte ich schnurstracks in das Geschäft, um meiner Mutter von dem schönen Nachmittag zu erzählen und ihr
stolz mein Zeugnis zu präsentieren.
Es dauerte nicht lange und sie meinte:
"Geh mal ganz vorsichtig in die Küche , dort liegt eine Überraschung
für dich."
Ich rannte sofort los, öffnete die
Küchentür ganz langsam, sah mich um ohne eine Überraschung zu entdecken.
Plötzlich hörte ich unter der Eckbank ein leises Fiepen, aufgeregt beugte ich mich hinunter und entdeckte in einem Schuhkarton einen kleinen Hund.
Es war ein hellbrauner , kleiner Langhaardackel.
Ich nahm ihn auf den Arm und zur Begrüßung leckte er mir mein ganzes
Gesicht ab.
Ich war so sehr aus dem Häuschen, dass ich nicht wusste, was ich zu erst anstellen sollte, den Kleinen streicheln, mich bedanken oder weinen vor lauter Freude.
In diesem Augenblick machte ich wohl alles gleichzeitig.
Nach Ladenschluss fuhr mich mein Papa mit meinem süßen Hund, den ich Jocki getauft hatte zu meinen Großeltern. Auch dort war die Freude riesengroß, obwohl sie bestimmt schon vorher von unseren Familienzuwachs Kenntnis hatten.
Als es Zeit war um ins Bett zu gehen, da holte mein Opa ein Hundekörbchen hervor und riet mir, den Pullover den ich am Tage getragen hatte hineinzulegen, um den kleinen Kerl so an sein Körbchen zu gewöhnen.
Doch weit gefehlt.
Als alle bereits schliefen und mein kleiner Jocki fiepte, weil er sich einsam fühlte, holte ich ihn in mein Bett um ihn zu trösten. Er war sofort still und schlief gleich ein. Als am nächsten Morgen Oma und Opa mich weckten und meinen neuen Bettgenossen bemerkten , nahmen sie es schmunzelnd hin, ohne etwas zu sagen oder gar zu schimpfen.
Von diesem Tag an waren wir beide unzertrennlich. Ich schleppte Jocki überall mit hin und voller Stolz
präsentierte ich ihn meinen Freunden.
In den Gärten hinter den Zechen Häusern
bauten die Bewohner Obst und Gemüse an. Mein Opa besaß auch zahlreiche Kirschbäume und Gemüsebeete mit den verschiedensten Gemüsesorten.
Die Beetbegrenzungen bestanden damals oft aus alten Weinflaschen, welche hintereinander mit dem Flaschenhals in die Erde gesteckt wurden.
An einer solchen fing mein Jocki eines morgens, wohl aus lauter Langeweile, an zu kratzen, als wolle er die Flaschen ausbuddeln. Plötzlich hörte ich ihn ganz jämmerlich aufheulen, er hüpfte hin und her und schnappte um sich.
Im Eiltempo rannte ich zu ihm und entdeckte, dass er ein Wespennest aus
gehoben hatte.
Die Wespen schwirren wild umher, waren vor allem angriffslustig und attackierten den armen Kleinen.
Mutig schnappte ich mir einfach das nächstbeste Wäschestück von der Wäscheleine, wedelte damit, hüpfte und schlug auf die Wespen ein, um meinen kleinen Schatz vor ihnen zu retten.
Noch immer um mich schlagend und mit Jocki unter dem Arm geklemmt, rannte ich schnurstracks zu meinem Opa.
Jocki der mittlerweile so verstört war, leckte sich immer wieder sein rechtes Pfötchen und schaute ganz traurig.
Er ließ es geschehen, dass mein Opa sein
geschwollene und zerstochenes Beinchen mit einer kleinen Holzschiene ruhig stellte.
Anschließend kühlten wir es dann mit Essigsaurer Tonerde und bis zum Abend ging es ihm schon wesentlich besser.
Von diesem Tag an machte er stets einen großen Bogen um die Gemüsebeete .
Ich aber musste noch eine ganze Weile den Spott meiner Freunde ertragen,
Weil sie uns an diesem Morgen vom Fenster aus beobachtet hatten, denn ich hatte Omas großen „Liebestöter“, blütenweiß, Marke Feinripp, von der Wäscheleine gerissen und damit einen, wie sie es nannten
KÖTTEL -SACK- TANZ zwischen den Beeten aufgeführt hatte.