Bummeln
Ich habe einen Fehler gemacht. Einen essentiellen Fehler! Ich habe mich breitschlagen lassen mit meiner besseren Hälfte in die Stadt zu fahren. Sie wolle nur ein wenig bummeln gehen, hatte sie erklärt. Nur so flanieren, Schaufenster gucken, vielleicht ein Eis essen.
„Wir waren doch schon so lange nicht mehr in der Stadt! Vielleicht kriegen wir sogar die eine, spezielle Ersatzglühbirne, die Du doch sonst nirgends kriegst.“
Und was war es schließlich?
Shoppingfieber!
Kaum in der Innenstadt angekommen, da wurde das zweite Bekleidungsgeschäft gestürmt. Das erste hat sie wahrscheinlich mir zuliebe ausgelassen. „Guck mal“, krähte sie, „sieht das nicht toll aus?“
Den farblich kreischenden Lappen hätte ich als brasilianische Nationalflagge interpretiert. „Fetzig“, bestätigte ich ohne schlechtes Gewissen, denn würde einmal Beute gemacht, wäre danach Ruhe. Sie aber hastete zum nächsten Kleiderständer.
„Wahnsinn, Wahnsinn“, entfuhr es ihr.
Ich widersprach nicht!
Normale Leute wissen, was sie wollen. Ein einziges, weißes Hemd in richtiger Größe und gut ist‘s. Das dauert genau eine Minute, dann
Kasse und raus aus dem Gemäuer. Alles andere ist unvernünftig und eben besagter Wahnsinn.
„Schau doch, was haben die da drüben für tolle Pullies!“
Schon war sie dort.
Ich schlenderte derweil in der Abteilung für Dessous, damit ich die ätzende Zeit sinnvoll überbrücken konnte. Schließlich sah ich nach ihr.
„Was willst du eigentlich“, frage ich sie. „Du sagtest, dass du nur noch nach einem T-Shirt schauen willst.“
„Aber Schneuzelchen, an diesem fantastischen Rock konnte ich doch nicht vorbei gehen, das siehst du doch ein.“
Also ich hätte keine Probleme gehabt an diesem Flittersack vorbei zu gehen.
„Dazu brauche ich noch eine passende Strumpfhose.“ „Du hast doch den halben Schra…“
„Aber doch nicht farblich passend, Du Dödel!“
Die Verkäuferin war gut geschult. Drei verschiedene Strumpfhosen stellten sich schließlich als farblich passend heraus.
Endlich durfte ich das Geschäft verlassen. Sie war überglücklich.
„Toll, was wir alles gefunden haben! Und so günstig!“
Wenigstens trug sie die Einkaufstaschen noch selber!
Ich wüsste außerdem wirklich nicht, was
ichgefunden hätte.
Da erschien ein Würstelstand im Blickfeld. „Wie wäre es mit einer Bratwurst“, lechzte ich.
Ich hatte keine Chance, denn linker Hand erspähte sie ein Schuhgeschäft. Mein Ablenkungsmanöver war gescheitert.
„Du kannst später noch einmal daran vorbeigehen und schnuppern“, zerrte sie mich weg.
„Der Rock braucht Schuhe!“
„Du hast doch schon mehr als…“
Schon waren wir drin.
„Wie findest Du die?“ „Prima!“
„Ich weiß nicht so recht“, war sie sich unsicher.
Die Verkäuferin kam mit einer Wagenladung Nachschub.
„Und die?“
„Prima!“
„Du bist ja gar nicht bei der Sache! Mit Dir macht Shopping gar keinen rechten Spaß! Du bist eine richtige Spaßbremse!“
Die Spaßbremse setzte sich irgendwo hin und bremste Spaß.
Nach eineinhalb Stunden hatten wir wieder etwas „Geiles“ gefunden! Passend, hochhackig!
Ich versuchte es wieder mit der Bratwurst, als sie endlich dem Stiefelparadies entstöckelte.
„Du kannst später noch einmal vorbei gehen und dich an dem Duft ergötzen, jetzt gibt es Wichtigeres“, befahl sie, als das nächste
Geschäft erobert wurde.
Der Laden sah echt schnieke aus und die Auslage interessierte mich. Aber dass die für einen Mini-Flachmann 104 Euronen haben wollten, da haben sie sich mit dem Preisschildchen vertan.
Parfume verkündete das Schild.
Meine bessere Hälfte wurde schon bedient. Einen Filzschreiber hatte sie gekauft.
„Das ist ein Maskara.“
„Mosquito, was? Im Baumarkt bekomme ich so einen Filsstift für…“
Sie fuchtelte wie wild mit den Armen.
"Was machst denn Du? Schmetterlinge fangen?"
"Die Kopfnote muss verfliegen!“
„Einen Kopfschuss fängst Du Dir ein, das ist
alles“, ereiferte ich mich.
Sie wischte meine Anmerkung weg.
"Du hast eben keinen blassen Dunst!"
Die Kasse klingelte bei einem Eyeliner.
Dass die hier auch etwas mit Fluggesellschaften zu tun haben, wunderte ich mich. Ich hatte nur von einem Boing 787 Dreamliner gehört. Ein moisture peeling skin – Döschen klingelte. Mäusture? Die Größe des Näpfchens war wirklich nur für Mäuse gedacht. Alle diese Kleinigkeiten passten in ihre Handtasche, die kleiner, als meine Brieftasche war. Der Gesamtpreis verursachte allerdings bei mir Schnappatmung.
Der Laden brauchte sich durch meine Holde keine Sorgen mehr um die Geschäftsmiete zu machen. Für diesen Monat hatten sie die drin.
Ich hatte auch kein Interesse mehr an einer Bratwurst. Ich wollte sparen.
Wir stolperten weiter, bis schließlich ein Elektronik-Supermarkt auftauchte.
„Schau‘n wir mal, ob wir die Glühbirne finden“, glänzte ich mit den Augen.
Als wir nach dreieinhalb Stunden im Elektronikparadies nach Hause fuhren, hatte ich die langersehnte Webcam, einen USB-Stick und eine Akku-Fräse im Gepäck.
Sie hatte Fußschmerzen, weil die neuen "High Heels" ihren Tribut gefordert hatten.
„Du und dein Fachchinesisch“, maulte sie. „4K Fernseher? Viermal Kein Empfang? Skylake CPU? Himmelsfluss im
Überfluss?“
Ich gab es auf.
Dass Frauen einfach nicht zielgerichtet einkaufen können!
Wenn sie sich wenigstens an mir ein Beispiel nehmen würden!
Na gut, wegen der Glühbirne nachzufragen, das hatte ich ausnahmsweise vergessen.
Auf der Couch, in grünem Parfümdunst gehüllt, sagte ich.
„Schön, wieder in der Stadt gewesen zu sein, schon allein wegen der vielen, kulturellen Sehenswürdigkeiten.“
"Es war toll", behandelte sie die Blasen an den Füßen.