in den 7. Himmel
Als Hauptkommissar Kai Bürger die Säulenhalle der alten Basilika betrat, in der die Hochzeitsfeier stattgefunden hatte, bot sich ihm ein merkwürdiges und gleichzeitig erschreckendes Bild. Ja, es war tatsächlich ein mehrdimensionales Bild, wie eine Skizze, wie ein Farbenhauch in Weiß, Schwarz und Braun. Er hob kurz den Blick, um zu schauen, woher das eigenartige Licht kam, in das alles getaucht war. Ganz weit oben in der Kuppel sah er das strahlendblaue von weißen Putten und rosaweißen Wölkchen umgebene Loch. „Ob das Glas oder Kristall ist?“, überlegte
er. Jedenfalls war diese Öffnung oder Lichtquelle gewaltig, kräftig und deutlich weiter oben, als er die Höhe der Basilika von außen wahrgenommen hatte.
Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Bild, das sich ihm bot. Es wirkte auf ihn wie Schaum, aber auch wie gespachtelt, etwas grob.
Eine Illusion. Denn gleichzeitig war die riesige Halle leer. Das Bild oder die
Raumausfüllung war durchlässig, ohne materiellen Widerstand zu bieten. Er konnte mühelos hindurch schreiten. Etwas Genaues konnte er nicht sehen. Hustenreiz schüttelte ihn und er rang nach Luft. Die Figuren der verschwundenen Hochzeitsgesellschaft und der gesamten nicht mehr vorhandenen Einrichtung, die ihn umgaben, ja fast umhüllten, ahnte er eher, jedoch alles war gesichts- und körperlos.
Einzig das große Auge, das ihn zu fixieren schien, fiel ihm auf und die beiden schwarzen Strichmännchen, die im Vordergrund zu agieren schienen. Sie stellten ein männliches und ein weibliches Wesen dar. Ob es sich dabei um das
verschwundene Brautpaar handelte?
Aber was genau hier geschehen war, darüber zerbrachen sich er, seine Kollegen und die Kriminaltechniker die Köpfe. Alles war dematerialisiert, alle waren weg und Zeugen gab es auch nicht. Er verließ die Säulenhalle hustend und
jetzt bemerkte er den scharfen Geruch, der im Inneren der ehemaligen Basilika, die Luft erfüllt und ihm den Atem genommen hatte. Er wandte sich an seine Kollegin, Hauptinspektorin Saskia Bauer, die soeben ihre Umrundung des Gebäudes beendet hatte.
„Saskia ist Dir der merkwürdige Geruch in der Halle aufgefallen?“
Saskia rümpfte die Nase: „Ozon! Und zwar in außergewöhnlich hoher Konzentration. Das hat schon die Kriminaltechnik festgestellt. „
„Und wo kommt dieses Ozon her? In diesen Mengen?“
Bürger griff zu seinem Smartphone und wählte die Nummer des leitenden Technikers.
„Hallo, Doktor Question, Bürger hier, sagen sie, wie hoch ist denn die Konzentration an Ozon und wie entsteht das hier, mitten in der Stadt?“ Er lauschte in den Hörer.
„Aha, deutlich erhöht, hundertfach und mehr! Und woher kommt das Ozon?“
Langsam legte sich die Stirn von Bürger in Falten, während er dem Techniker lauschte. Er setzte sich auf eine Treppenstufe, die vom Platz zur Basilika hochführte. Je länger er zuhörte, desto mehr entgleisten ihm die Gesichtszüge.
„Nein! Ist das bewiesen? … Tatsächlich? Gut wir kommen zu ihnen ins Labor.“
„Saskia, kommen sie mit zur Technik, die haben eine Vermutung oder Spur!“, rief er
seiner Kollegin zu und erteilte dem Hauptwachmeister vor dem Portal noch den Befehl: „Keiner betritt die Basilika. Und die Tür muss zubleiben!“
Er warf einen letzten Blick auf die vor einem Monat zur Hochzeitshalle umfunktionierte historische Kirche. Mit großen Lettern stand über dem Portal: ZUM SIEBENTEN HIMMEL. Tja, diese Hochzeitsfeier war eine erschreckende Premiere.
„Passender Name!“ dachte er. Dann stieg er mit Saskia in den Dienstwagen und sie bahnten sich den Weg durch die verstopfte Stadt zum kriminaltechnischen Institut.
Dort herrschte helle Aufregung. Der
Polizeipräsident war schon anwesend und auch der Eigentümer der Hochzeitshalle stand mit blassem Gesicht im Besprechungsraum, wohin man sie schickte.
„Verehrte Kolleginnen und Kollegen", eröffnete der Leiter der Technik die Zusammenkunft, "Wissenschaftlich haben wir den Fall gelöst.
Durch die Gleichzeitigkeit eines physikalischen Experimentes zur Herstellung von Raum-Zeit-Wellen, dessen Versuchs-Tunnel genau unter der Basilika hindurch führt und einen extrem starken Sonnenflair, wodurch wir kurzfristig extrem hohen UV-Strahlen ausgesetzt waren, ist im räumlichen
Brennpunkt, nämlich der Basilika, ein Ozonwirbel entstanden, der alles biologische in Energie umgewandelt und nach oben in die Ozonschicht gesogen und aus dieser Sphäre hinausgeschleudert hat.
Er ließ seine Worte einen Moment auf die Anwesenden wirken, die wie hypnotisiert an seinen Lippen hingen.
"Sehen sie bitte auf das Sattelitenbild, sie können den Energieausstoß aus der Basilika genau erkennen.“
"Das sieht aus wie Polarlichter", bemerkte Saskia staunend.
Irgendwie saßen die anderen Teilnehmer der Besprechung wie nach Luft schnappende Karpfen auf dem Trockenen,
schauten auf Foto, Diagramme und Formeln.
Saskia Bauer war auch die erste, die ihre Fassung wieder erlangte.
„Können wir also fürs Protokoll feststellen, sie sind in den 7. Himmel abgereist?“
Etwas hilflos lächelnd schaute der Polizeipräsident seine Mitarbeiterin an.
„Sehr blumige Umschreibung, Frau Bauer. Ja, so könnte man es nennen. Bitte bereiten sie die obligatorische Pressekonferenz vor.“