Romane & Erzählungen
Alte Wunden bluten nicht - Kapitel 1

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"ein lgbt-Liebesroman"
Veröffentlicht am 12. Februar 2016, 40 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
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Über den Autor:

Hallo, ich heiße Joshua und ich schreibe seltsame, melancholische Texte und zeichne gerne! Ich bin 19 Jahre alt, komme aus Österreich und bin schon länger bei mystorys.de dabei, als ich zugeben will. Ich bin angehender Schriftsteller und Künstler und steuere mit letzterem ein bisschen was zu meiner Miete bei. Ein paar meiner Bilder könnt ihr unten in meiner Galerie sehen. Derzeit schreibe ich an meinem New Adult Roman "Less Like Shit".
ein lgbt-Liebesroman

Alte Wunden bluten nicht - Kapitel 1

klappentext

Eine junge Liebe, die dafür bestimmt schien für immer zu halten. Doch als ihre Beziehung je in tausend Teile zerbricht, stürzen die beiden Männer Jamie und Mike in ein tiefes Loch der Einsamkeit. Jahrelang versuchen sie über den Verlust des jeweils anderen hinweg zu kommen und hinter sich zu lassen. Doch das Schicksal hat ihre Pfade eng mit einander verwoben… Die Geschichte zwei junger Menschen die sich, auf der Suche nach Vertrauen und Wärme, wieder begegnen und

versuchen die Wunden, die ihre gescheiterte Beziehung hinterlassen hat, zu heilen und wieder zu einander zu finden.

alltag

Der Geruch von frischem Kaffee zog durch die Wohnung. Das Sonnenlicht, das durch die Fenster fiel, malte orangene Flecken auf den Fußboden. Sich den Schlaf aus den Augen kratzend, saß Jamie in der Küche und bestrich eine Scheibe Toast mit Marmelade. Seine Küche war sehr klein. Schmal und vollgepackt mit Regalen voller Geschirr, Gewürze, Töpfe, Tassen, Kisten und Kochbüchern, das sie sogar für zwei Leute zu klein gewesen wäre. Jamie mochte seine Küche. Sie war sein liebster Ort. Morgens duftete sie stets

nach weich gekochten Eiern und Kaffee. Generell verströmten die Gewürze und Kräuter, die in Gläser gestopft, in Regalen standen, einen Duft, der seiner bescheidenen Wohnung erst etwas Heimeliges gab. Nachdem er seinen Kaffee getrunken, ein weiches Ei und eine Scheibe Toast gegessen hatte, schlurfte er ins Schlafzimmer, warf einen Blick auf die Uhr und suchte sich seine Klamotten für den Tag raus. Ein graues T-Shirt mit V-Ausschnitt, darüber ein schwarzes Flannelhemd und eine schwarze Hose. Bevor er die Wohnung verließ, besah er sich kurz im Spiegel, der im Vorzimmer hing. Er zupfte an seinem Haaransatz

rum und strich abstehende Strähnen glatt. Das Schwarz wich bereits am Scheitel und sein natürlicher Braunton kam hervor. „ Ich muss sie bald wieder nachfärben lassen“, murmelte Jamie und verließ die Wohnung. Als er zusperrte bemerkte er die Wohnungstür gegenüber, die sperrangelweit offen stand. Aus dem Inneren kam Gemurmel, kurz darauf tauchten zwei Männer in weiten, etwas schmuddeligen Klamotten auf, die zusammen ein Sofa raustrugen. Jamie machte ihnen ein wenig Platz und fragte ob er nicht helfen sollte. „Nein, schon in Ordnung“, brummte der Dickere von den Beiden nur und stieg vorsichtig die

erste Stufe runter. Erst jetzt kam Jamie diese Situation seltsam vor: „Entschuldigen Sie, hier wohnt doch Mrs. Grey. Zieht sie etwa um?“ Der Mann mit dem Drei-Tage-Bart auf seinen Schweinsbacken sah zu ihm hoch und sagte: „Jo, die werte Dame wird in ein Heim verlegt. Hat letzte Woche vergessen den Herd auszuschalten oder so und es gab einen kleinen Brand. Nicht weiter schlimm. Ihr Sohn, oder irgendwer, kam grad zu Besuch und hat das Schlimmste verhindern können. Da hat ihre Familie beschlossen sie wohin zu bringen, wo man auf sie achtgibt, Sie verstehen? Bald haben Sie einen neuen Nachbaren, es haben nämlich schon viele

ein Auge auf die Wohnung geworfen. Sieht auch echt nicht schlecht aus.“ Der andere Mann warf seinem geschwätzigen Kollegen einen vielsagenden Blick zu, woraufhin der das Sofa wieder anpackte und die Stufen runter trug. Am Morgen, bevor die Kinder kamen, schlief der Kindergarten noch. Die Gänge sogen lautlos die Luft ein. Sanft hob und senkte sich das Dach bei jedem Atemzug. Trat man durch das Tor in den Garten des Grundstücks und ließ die Büsche, die am Zaun wuchsen, den Straßenlärm schlucken, fand man sich in einer anderen Welt wieder! Jeden Tag an einen so schönen Ort zurückkehren zu

können, war nichts Selbstverständliches. Jamie erinnerte sich noch oft an seine ersten Tage hier. Endlich frei von den Ketten der Schule kam es ihm damals so vor als würde sein Leben nun endlich beginnen. Geradezu überrannt wurde er von der Energie der Kinder und auch die seiner Kolleginnen. Jamie erwachte wie aus einem deprimierenden Traum. Anna schloss er sofort ins Herz. Auch wenn er sich etwas schuldig fühlte, da sie jemandem den er kannte sehr ähnlich sah… Das Gebäude lebte eine ruhige, passive Existenz. Jamie kam es oft so vor als würden unbelebte Dinge

versuchen mit den Menschen zu kommunizieren. Die Wände in einem Raum, die Wolken am Himmel, das Gras im Garten, die Straßen und Wege. Ihre Sprache schien nicht aus Worten zu bestehen die der Menschenverstand zu lernen gewusst hätte. Es war mehr so, als sendete jedes Objekt Wellen und Schwingungen aus die die Gefühlsregungen der Menschen beeinflussen konnte. Und so war es auch mit dem Kindergarten. Egal was passieren würde, egal wie viele Jahre Jamie hier sein würde, egal wie viele Kinder kommen und gehen würden, diese Ruhe ausstrahlenden Wände würde bestehen

bleiben und den Leuten Halt geben. Die Tür fiel hinter Jamie ins Schloss und sofort umarmte ihn der Flur mit warmen, beigen Armen. Bevor er in den Gruppenraum ging, schaute er noch in die Küche rein, in der Tyler stand und sich Kaffee machte. „Guten Morgen“, sagte er und umarmte sie zum Gruß. „Morgen, gut geschlafen?“, in der Stille der Küche klang ihre Glockenstimme umso heller. Ihre kurzen, blonden Haare leuchteten schneeweiß im Morgenlicht. „Ging so. Bekomme ich auch eine Tasse?“ „Ja, klar“, sie drehte sich zur Kaffeemaschine und schenkte ihnen zwei

Tassen ein. „Danke. Kommt eigentlich Maggy heute wieder oder hat sie immer noch so starke Halsschmerzen?“, fragte Jamie und schlürfte an dem heißen Gebräu. Tyler zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht. Ich hab vorgestern mit ihr telefoniert, da klang sie sehr heiser.“ „Wundert mich dass sie mal Halsbeschwerden hat. Bei den Unmengen Tee die sie immer trinkt.“ Beide lachten und gingen zusammen in ihren Gruppenraum. „Heute beginnen wir mit den Bäumen. Das Papier liegt schon am Basteltisch. Die Gruppe vier hat gestern schon mit ihren Blumen angefangen. Übrigens habe

ich ein Bilderbuch zum Thema Frühling mitgebracht, das werde ich heute vorlesen“, erzählte Tyler und Jamie schmunzelte über dieses begeisterte Funkeln in ihren Augen. Er wusste dass Tyler mit zwei jüngeren Brüdern aufgewachsen ist und sich immer um sie gekümmert hat, wenn ihre alleinerziehende Mutter Nachtschicht hatte. Sie hat schon früh gewusst dass sie eines Tages einen Beruf haben wird in dem sie mit Kindern zu tun hat. Tyler war sehr engagiert und hatte ein sonniges, geradezu unerschütterliches Wesen. Jamie musste aufpassen von ihrem hellen Licht nicht geblendet zu werden.

Da bald die ersten Kinder kommen würden, ging Jamie zurück in die Küche und bereitete die Jause vor. Alois, Samara und Ron, wurden immer sehr früh gebracht, weil ihre Eltern einen ausgefüllten Terminkalender haben. Als er das Wägelchen, beladen mit Brot, allerhand Obst, Tellern, Gläsern und einem Krug Wasser, aus der Küche rollte, standen schon der drei jährige Ron und sein Vater im Türrahmen und unterhielten sich mit Tyler. Sie strahlte die beiden freundlich an und erzählte Ron was sie heute alles machen würden. Ron war erst letzten Herbst zu ihnen in den Kindergarten gekommen und

Jamie hatte Sorge gehabt, dass er mit seiner stillen und schüchternen Art ausgegrenzt werden würde. Doch glücklicherweise hat die vier jährige Zoe den Bub gleich unter ihre Fittiche genommen und machte nun so ziemlich alles mit ihm gemeinsam. Wenig später kam Anna. Sie ging kurz zu Jamie und Tyler, begrüßte sie und erzählte dass ihre Kollegin Laura nicht kommen würde. „Sie hat mich heute in der Früh angerufen und gesagt dass sie wahrscheinlich nicht kommen wird.“ „Wieso denn? Ist sie krank?“, fragte Jamie. Anna zog verheißungsvoll die

Augenbrauen hoch: „Nein, die Arme durfte die ganze Nacht am Polizeirevier verbringen. Stellt euch vor, ihre Tochter ist letzte Nacht mit ihren Freunden in einen Supermarkt eingebrochen! Waren sternhagelvoll und in Handschellen als Laura am Revier ankam!“ Das Lauras Tochter ein Problemkind war, war nichts Neues aber bei der Polizei war sie bis jetzt noch nie gelandet. „Arme Laura“, seufzte Tyler und schüttelte den Kopf. „Sie ist so eine Liebe und dann hat sie so ein ungezogenes Kind. Was die sich bei solchen Aktionen nur

denkt…“ „Jedenfalls bin ich ja jetzt alleine mit meiner Gruppe. Wärt ihr vielleicht so nett und könntet gelegentlich bei mir vorbeischauen?“, bat Anna und zog eine Schnute. „Sicher! Kein Problem.“ „Danke, Jamie“, sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging in ihre Gruppe rüber. So langsam begann sich der Kindergarten zu füllen und die Gänge wurden allmählich lebendiger. Bald saßen einige Kinder am Basteltisch und zerschnippelten mit Tyler Papier. Alle Kindergartengruppen machten jeweils einen großen Papierbaum mit Blättern in

den verschiedensten Formen und Farben, die dann im Gang aufgehängt wurden. Am Vormittag zog sich Tyler mit fünf Kindern in den Kuschelbereich zurück und las ihnen ihr Bilderbuch vor während Jamie am Jausenwagen stand und den Kindern beim Brot streichen oder Glas einschenken half. Nachdem alle gejausnet hatten und erst einmal frei spielen konnten, gab es einen großen Sitzkreis, in dem die Kinder erzählten was für sie Frühling bedeutet. Manche freuten sich auf die blühenden Blumen im Garten, manche darauf wieder Eis essen zu können oder auf ihren Geburtstag. Tyler spielte Gitarre und sang mit den

Kindern. Ab und zu ging entweder sie oder Jamie rüber zu Annas Gruppe und sah nach dem rechten. Die kam aber auch ohne Laura gut zurecht. Nach dem Mittagessen gingen alle raus in den Garten. Jamie saß mit Anna auf der Bank unter der Kastanie und hielt ein Auge auf die Kinder, die in der Sandkiste spielten. Anna gab ein zufriedenes summen von sich: „Hach, hab ich die Sonne vermisst. Das tut echt gut wieder draußen zu sitzen.“ Er nickte und sah blinzelnd zum Himmel auf, der sich strahlend blau und nackt präsentierte: „Ach ja, apropos draußen. Bist du nicht

letztens mit diesem Typen ausgegangen? Äh, wie hieß er noch? Ben?“ Ihre Wangen röteten sich, als sie lächelnd sagte: „Ja. Ben. Er hat diese Woche fiel zu tun, darum können wir uns nicht sehen aber wir schreiben miteinander.“ „Und wie ist er so?“ „Nett.“ „Wie nett?“ er grinste schief. „Sehr nett. Er ist echt süß, hat genau die Interessen, die ich in einem Mann suche. Und außerdem mag er Kinder.“ Ihr Lächeln zog sich bis zu ihren blauen Augen hinauf. Jamie pfiff anerkennend. Sie lachten und genossen zusammen die Sonne.

Am Nachmittag tauchte auf einmal Laura auf. Strähnen standen ihr wirr vom Kopf ab und unter ihren Augen zeichneten sich deutliche Augenringe ab. Alle lächelten sie höflich an und keinem kam auch nur ein Wort, über das Abenteuer ihrer Tochter letzte Nacht, über die Lippen. Später kam sogar noch Maggy, deren Hals anscheinend nicht mehr kratzte und ihre Stimme hatte sie auch wieder zurück. Um fünf Uhr gingen Jamie und Anna zusammen in der Stadt spazieren und unterhielten sich weiter über „Annas Traumprinzen“ wie Jamie ihn gern nannte. Er quetschte sie über ihn aus und

sie kicherte peinlich berührt. „Okay, jetzt reicht‘s aber langsam mit Ben! Du tust ja so als wären wir bereits verheiratet. Reden wir über etwas anderes“, Anna stieß ihm leicht gegen die Schulter. „Sag mal, wie kommt es denn eigentlich dass du mir nie etwas von Typen erzählst? Ist ja schon ewig her dass ich erlebt hab dass du ein Date hast. Triffst du dich gar nicht mehr?“ Jamie lachte etwas trocken. „Naja, ich habe in letzter Zeit einfach keine Lust in irgendwelchen Bars rumzuhängen und mir einen Kerl anzulachen der eh nur Sex von mir will“, sagte er offen heraus. Sie gingen kurz schweigend

nebeneinander her. Die Leute machten sich anscheinend schon für den Sommer bereit, denn an den Eisgeschäften bildeten sich bereits lange Schlangen. „Also ich finde du solltest mal wieder ausgehen. Tyler färbt zu sehr auf dich ab! Ihr zwei kennt nichts mehr außer Arbeit. Weißt du, da fällt mir ein dass meine Freundin Daria bald Geburtstag hat und wir wollten in eine Schwulenbar feiern gehen. Ich hab ihr von dir erzählt und sie würde dich gern dabei haben“, sagte Anna unschuldig lächelnd. Jamie runzelte die Stirn: „Geburtstag feiern in einer Schwulenbar?“ „Hey, wo kann man besser mit seinen Freundinnen feiern als in einer Bar in

der man keine Angst davor haben muss von irgendwelchen Kerlen begrabscht zu werden?“ „Stimmt, die Idee ist gar nicht so schlecht..“, gab Jamie zu. „Darias Geburtstag ist am Freitag in drei Wochen, du hast also noch genug Zeit darüber nachzudenken.“ „Gut, ich werde darüber nachdenken“, ergab er sich seufzend. Jamie begleitete Anna ein Stück weit auf ihrem Weg, stieg dann in den Bus und fuhr zu sich nachhause. Aus dem Fenster sah er der Sonne dabei zu wie sie ihr orangenes Licht in die Wolken vergoss und dachte darüber nach mit seiner Gruppe bald wieder in den Park zu

gehen. Die Woche war nur so an Jamie vorbei gerauscht. Mittwoch wurden zwei Geburtstage gefeiert und eine der Mütter brachte eine große Torte mit. Am Morgen hatten Jamie und Tyler den Raum noch mit Girlanden und Luftballons geschmückt und waren die Spiele durchgegangen, die sie geplant hatten. Nachdem die Kinder alle Torte und somit viel Zucker intus hatten, gingen sie schon früher als geplant in den Garten, damit sie sich bewegen konnten. Am Freitag hingen bereits drei große Papierbäume mit kunterbunten Kronen im

Flur. Am Nachmittag hatte sich Anna von Jamie mit dem Versprechen verabschiedet, ihn sofort anzurufen, nachdem sie sich mit Ben getroffen hat. Die beiden wollten in der Innenstadt bummeln gehen. Jamie musste seit dem unwillkürlich an seine letzten Dates zurückdenken. Das letzte war bereits ein Jahr her. Es war ein Mann mit langen blonden Haaren gewesen, mit denen er wie ein verirrter Surfer ausgesehen hat. Wie war noch mal sein Name gewesen? Jamie lachte leise über sich selbst während er an der Bushaltestelle stand. Der Kerl war ganz nett gewesen, hatte Jamie in einer Bar angesprochen. Sie tauschten

belanglose Wörter aus, dann Telefonnummern. An diesem Abend hatte Jamie so viel getrunken bis die Männer in der Bar ansehnlich wurden. Auf einen One-Night-Stand oder neue Bekanntschaften war er nicht aus gewesen. Zu der Zeit hatte er sich nämlich noch dazu gezwungen hin und wieder auszugehen. Als wollte er sich selbst etwas beweisen. Doch Jamie meldete sich nie bei den Kerlen, die Interesse an ihm zeigten und reagierte nie auf Anrufe. Diese Männer waren ohne Bedeutung. Jamie fühlte schon so lange nichts mehr. Das Lächeln eines Mannes, der ihn

begehrte - auf welche Weise er dies auch immer tat - löste nichts mehr in ihm aus. Wohl eher verschloss er sich nur noch mehr. Jede herzliche Geste, jeder Wink, jedes verschlagene Zwinkern, jedes anzügliche Lächeln. Jede Art von menschlicher Wärme und Zuneigung die Jamie geboten bekam, ließen sein Inneres nur noch mehr erkalten. Äußerlich gab er sich freundlich und interessiert, tat so als hätte er Freude an all dem, während er in seinem Inneren nicht einmal wusste ob er überhaupt irgendetwas fühlte. Er trug ein Loch mit sich herum, von dem ungewiss war ob es jemals wieder gefüllt werden konnte. Auf seltsame Weise ausgelaugt, war

Jamie erleichtert, als er endlich zuhause ankam. Er sperrte die Tür auf, dem Krempel der sich vor der Tür der gegenüberliegenden Wohnung zu Türmen stapelte, keine Beachtung schenkend. Als die Tür ins Schloss fiel und eine kurze, eindeutige Stille Jamies Bewusstsein füllte, krampfte sich sein Herz zusammen. Die Leere, die in ihm herrschte, kroch unter seiner Haut hervor und legte sich wie ein schwerer, kalter Mantel über die Wohnung. Die Wände verspotteten ihn. Als Ausgestoßener, ließ er sich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen, bedeckte das Gesicht mit den Armen und ließ sich von seinem Gewissen

auslachen. Jamie wachte erst am späten Vormittag auf. Samstag war sein Ausschlaftag. Nachdem er die Augen geöffnet hatte und die letzten Traumreste verblasst waren, kuschelte er sich in seine Decken zurück und ließ die Gedanken kreisen. Zuerst würde er frühstücken, dann duschen, rauf gehen und Miss Dawsons Katzen füttern und einkaufen gehen. Irgendwann musste er auch wieder zum Friseur. Widerwillig entriss sich Jamie der warmen Umarmung seines Bettes und stand auf. Er gähnte und streckte sich ausgiebig und fischte in seinem Schrank

nach einem Pullover und Unterwäsche. Auf dem Weg zur Küche warf er die Sachen ins Bad auf die Waschmaschine. Seine alte Kaffeekanne stand wie immer auf dem Herd und wartete auf ihre Benutzung. Während das Wasser kochte machte Jamie sich eine Schüssel Müsli, setzte sich an die Arbeitsfläche und las die Nachrichten am Handy. Fürs Wochenende und die ganze nächste Woche wurde sonniges Wetter angesagt. Nach dem er gegessen und geduscht hatte, ging Jamie noch rasch rauf in Miss Dawsons Wohnung, die aufgrund eines Todesfalles unerwartet die Stadt verlassen musste. Jamie kümmerte sich

immer um ihre zwei Kater und sah nach dem rechten wenn sie länger nicht da war. Kaum hatte er die Wohnungstür aufgesperrt, kam Trickser bereits auf ihn zugeschossen und schmiegte sich miauend an sein Bein. Jamie legte die Post auf den Esstisch und ging sogleich in die Küche und öffnete eine Dose Feuchtfutter. Trickser fiel gleich darüber her, während sich Blacky erst aus seinem Versteck trauen würde wenn Jamie wieder weg war. Ein Lied auf den Lippen, goss er noch den Ficus, den sich Miss Dawson vor ein paar Tagen angeschafft hatte und der nun das Wohnzimmer schmückte. Ihm fiel ein

dass Tyler neulich darüber geredet hatte ein paar Topfpflanzen im Gruppenraum aufzustellen. Doch sie hatte Angst dass die Kinder die Töpfe versehentlich runterschmeißen könnten. Ein kleiner Baum wäre doch eine gute Idee. Er würde Tyler auf jeden Fall darauf ansprechen. Im Supermarkt rief ihn Anna an, die ihm aufgeregt von ihrem Date mit Ben erzählte. Jamie stand gerade vorm Kühlregal, in der linken Hand eine Packung Schinken, in der Rechten das Handy. „So viel zu, Ich rufe dich an sobald ich wieder zuhause bin. Was ist dir denn

gestern Abend noch dazwischen gekommen?“, neckte er sie spielerisch. „Ha-Ha, sehr lustig“, kam es sarkastisch vom anderen Ende „Ich war tatsächlich etwas länger mit Ben zusammen als geplant. Aber da ist nichts in die Richtung gelaufen, wirklich nicht!“ „Schon gut, ich glaube dir ja“, sagte Jamie und steckte den Schinken in die Tasche „Also, was habt ihr denn noch gemacht?“ „Wir waren, wie gesagt, in der Stadt bummeln und waren auch ein bisschen im Park spazieren. Dann ungefähr um sechs haben wir dieses kleine Café entdeckt und haben dort noch was getrunken. Ben hat mich

eingeladen…“ „Oh, ein wahrer Gentleman“ „…Als wir gegangen sind war es schon ziemlich dunkel also hat er darauf bestanden mich nachhause zu begleiten. Ich hab ihn dann noch reingebeten und wir haben uns weiter unterhalten.“ „Uuuund?“, fragte Jamie als Anna ihren Bericht beendet hatte. „Was, und?“ „Hat er irgendwelche Annäherungsversuche unternommen? Hat er dich geküsst?“ Sie lachte etwas verlegen: „Nein, hat er nicht. Aber es gab…Blicke.“ Jamie stellte sich an der Kasse an und legte eine Kinderzeitschrift zu seinen

Einkäufen dazu: „Blicke. So so.“ „Naja, wie soll ich es beschreiben…er hat mich auf diese bestimmte Weise angesehen. Irgendwie auf extra charmant aber gleichzeitig wirkte er auch irgendwie unsicher“, murmelte Anna. „Also bis jetzt mag ich diesen Ben. Er scheint mein Mädchen ja ganz anständig zu behandeln“, sagte Jamie und lachte. Nach dem Einkaufen konnte Jamie den restlichen Tag entspannt in der Wohnung verbringen. Wieder in seinen Pyjamahosen lag er im Bett und blätterte durch die Zeitschrift und holte sich Ideen und Anregungen. Die einzigen Geräusche waren das Rascheln der Seiten

und die Autos auf den Straßen. Jamie hätte gern Musik aufgedreht, doch es gab gerade nichts was er gern hörte, also legte er die Zeitschrift hin und ging rüber ins Wohnzimmer um Gitarre zu spielen. Er übte so selten, dass sich bereits feiner Staub auf dem Instrument angelegt hat. Müde von den Kinderliedern, die er Inn und Auswendig kannte, spielte Jamie willkürlich Akkorde und versuchte sich eine eigene Melodie zusammenzubasteln. Die Sonne ging draußen unter, als er wieder in seinem Bett saß und ein Buch las. Momente, in denen Jamies Verpflichtungen auf sich warten lassen

konnten und er spontan Dinge tun konnte, auf die er gerade Lust hatte, waren die kleinen Glücksmomente, die er sehr schätzte. Es gibt Zeiten in denen im Kindergarten alles drunter und drüber geht und wenn er Pech hat, streikt wiedermal die Waschmaschine oder irgendein anderes Gerät, so dass Jamie gar keine Zeit hat persönlichen Bedürfnissen nachzugehen. Irgendwann wurde er dem Buch müde und legte es auf den Nachttisch. Es war noch zu früh um schlafen zu können. Jamie saß aufrecht in seinem Bett und überlegte was er tun könnte. Er nahm sein Smartphone und Taschentücher vom Nachttisch, zog sich

die Hosen aus und schaute sich einen Porno an. Mit der Hand im Schritt starrte er auf den Bildschirm. Gestöhne füllte das Schlafzimmer. Draußen hupte ein Auto. Nach zehn Minuten war das Filmchen zu Ende und Jamie klickte das nächste an. Und das nächste. Und das nächste. Und das nächste. Er legte das Handy wieder weg und begann sich anzufassen. Als er kam und sein Sperma mit einem Taschentuch auffing, fragte er sich wann die nächste Rechnung wohl fällig war.

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Schattenpuppe
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