Sonstiges
Herr Morgenschreck

0
"Herr Morgenschreck"
Veröffentlicht am 11. Februar 2016, 10 Seiten
Kategorie Sonstiges
© Umschlag Bildmaterial: Andrea Minutillo
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Ich - eindeutig rot - freiheitsliebend - in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt - nach außen der Fels in der Brandung - die Person, auf die man sich verlassen kann - auch mal anlehnen, kein Problem - ein dunkles samtiges Rot also - richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand - Struktur - Kunstschule Zürich - zahlreiche Ausstellungen in der Region - flippig - flapsig - bunt in mir drin - auch mal ...
Herr Morgenschreck

Herr Morgenschreck

Herr Morgenschreck

Langsam schiebt sich, wie an jedem Morgen, die Gardine zur Seite. Ein laues Lüftchen bewegt die frischen Blätter in diesen noch jungen Frühlingstagen. Azurblau strahlt der Himmel und verspricht ein wenig zu viel. Die Berge in weiter Ferne sind noch immer mit einer Schneeschicht bedeckt, doch hier unten im Tal setzt sich mit aller Macht das leuchtende Grün des Frühlings durch. Trotz Morgenfrische sind die Vögel nicht mehr zu halten. Sie bestreiten einen lautstarken Singwettbewerb.


Hinter der Gardine beobachtet ein aufmerksames Augenpaar die Geschehnisse auf der Straße. Während sich nicht viel rührt, außer ein paar vorbeifahrenden Autos, spinnen Gedankenfäden große Fragezeichen. Hat er endlich aufgegeben? Soll es wahr sein? Wirklich endlich Ruhe? Sie hätte beinahe nicht mehr daran geglaubt. Dass er sich abfinden kann. Jemals abfinden würde. Ein harter Schlag für ihn! Ohne Zweifel. Doch dieser allmorgendliche Terror auf der Straße … einfach nicht auszuhalten. Seine ewigen Rufe nach ihr!


In seinem Morgenmantel, Pantoffeln und wirrem Haar sucht er nach ihr.

Als käme er geradewegs von einem billigen Kostümverleih. In großer Eile, großer Verzweiflung. Jeden Morgen aufs Neue. Man kann die Uhr nach ihm stellen. Aber nicht heute. Ist das nun ein gutes Zeichen? Oder ist es als schlechtes Omen zu werten. Sie denkt, an diesem wunderbaren Frühlingsmorgen kann es nur ein gutes Zeichen sein.

Sicher hat er seinen Frieden gefunden.




Sie ist nicht die einzige, die diesen Gedanken nachhängt. Viele Gardinen sind in Bewegung. Freude oder Unbehagen, es ist nicht zu deuten.












„Lisa!“ ruft er. Immer wieder „Liiisa! Liiiiisa!“ Im Bad, im Keller!

Überall hat er bereits nachgesehen! Nichts! Sie ist nicht zu finden!

Auch bei den Mülleimern … nichts! Er will es sofort beichten. Kein Fettnäpfchen lässt er aus. Aber auch gar keins! Die Schneekugel war ein Geschenk von ihr! Was für ein Schock am Morgen! „Liiisa!“ Eilig rafft er seinen Morgenrock zusammen und hastet auf die Straße. „Liiiisa!“ Wenn er sie nicht gleich findet, packt ihn der Wahnsinn, das weiß er. Was soll er – ohne sie?

„Liiiisa!“ Da! Ein Nachbar! Er rennt auf ihn zu, „haben sie meine Lisa gesehen?“ Warum nur grinst der Mann so mitleidig? Grinst und schüttelt den Kopf. Wendet sich schnell ab. Dann sucht er eben weiter. „Lisa! Liiiisa!“ Um tausend Ecken! „Liiisa!“


Und dann …




Er hat sie nicht gesehen! Rennt er in diese Männergruppe.


„Entschuldigen Sie! Haben sie Lisa, meine Frau, gesehen?“ „Nee Alter, die ist nicht mehr. Das weiß doch jeder!

Und jetzt halt endlich deine Fresse!“ „Liiisa!“ „Halt die Fresse hab ich gesagt!“ Eilig versucht der Alte die Männergruppe auseinanderzuschieben. „Liiiisa!“ Mit voller Wucht trifft ihn die Latte. Das Gefühl in seinem Kopf gleicht dem Sturm in der Schneekugel, die daheim von dem Kaminsims gerollt war und auf den Fliesen

zerschellte. Er geht zu Boden. Springerstiefel zeichnen sein Gesicht.

Sie treten auf den alten Mann ein, als könnte er noch irgendetwas ausrichten. Flächenbrand in der Magengrube.

Blutbefleckte Straße.

Und dann …

Stille.

Unendliche Stille.


„Ich hab doch gesagt, er soll Ruhe geben!“ „Blöder Alter.“ „War vielleicht ein bisschen viel.“ „Der war doch sowieso irre.“ „Ich weiß nicht.“ „Was machen wir denn jetzt?“ „Komm, wir haben die Straße wieder friedlich gemacht.“ „Ja, gut so.“ „Ja.“ „Wohin mit dem Alten?“ „Ach, die werden sich schon kümmern.“ „Gute Nacht, alter Mann“, sagt noch einer, ehe die Gruppe weiterzieht.

0

Hörbuch

Über den Autor

Frettschen
Ich
- eindeutig rot
- freiheitsliebend
- in mir drin schon mal unsicher, beinahe verklemmt
- nach außen der Fels in der Brandung
- die Person, auf die man sich verlassen kann
- auch mal anlehnen, kein Problem
- ein dunkles samtiges Rot also
- richtig viel Farbe - dicke Haufen davon auf der Leinwand
- Struktur
- Kunstschule Zürich
- zahlreiche Ausstellungen in der Region
- flippig - flapsig - bunt in mir drin
- auch mal nachdenklich
- manchmal introvertiert
- stets auf der Suche nach Neuem
- in meinem Bereich versteht sich
- Sternzeichen Löwe
- Querdenker und Rebell
- reiße mir die guten Seiten des Alltags unter die Nägel
- manchmal erwische ich auch die weniger Guten,
doch die schüttele ich hastig ab

ich liebe:
- einsame Orte
- den Wind
- das Geklapper der Taue an den Masten
- ob an Fahnen oder Booten, ist mir egal
- die Ruhe im Wald
- der Schutz eines Baumes - wenn man sich darauf einlässt
- das Eintauchen in die Arbeit an der Staffelei
- wenn`s gelingt
- das sichere und untrügliche Gefühl,
etwas Besonderes entstehen zu lassen
- das Spielen mit unserer Sprache
- gutes Essen
- ein unerwartetes Lächeln
- Musik - alle Richtungen
- am besten schön laut
- Tanzen
- Ausdruck
- Profil
...

Leser-Statistik
25

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
AngiePfeiffer Boh - das ist mal ne Story! Bin beeindruckt, weil ich damit so gar nicht gerechnet habe. Du bist immer für eine Überraschung gut, echt!
LG
Angie
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Du aber auch! Danke für dein Herzelein :D
Schön, dass ich überraschen konnte - - - wenn auch auf diese reichlich unsensible Art!
Ich hasse es, wenn Dummköpfe anderen Menschen so etwas antun!
Aber um ein bisschen den Puls beim Leser hochzutreiben - krame ich gern schonmal in dieser Ecke herum ...
Vor langer Zeit - Antworten
Herbsttag Was für eine Geschichte! So könnte sie sich in gewissen Stadtteilen, verschiedener Großstädte schon zugetragen haben. Heutzutage sind sehr viele Menschen gleich "genervt". Eine schöne Woche Ira
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Ja, solange man nur die Fehler der anderen vor sich sieht, bemerkt man die eigenen Macken nicht ...
Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Eine realitätsbezogene Geschichte, kühl und distanziert erzählt ... und gerade deshalb so eindringlich. Gut gemacht! :-)
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Vielen Dank für deinen Komentar. Ja, Realität kann schlimm sein.
In einem sizilianischen Dorf habe ich die Situation kennengelernt: der alte Mann, der seine Frau rief ...
Aber alle hatten ihn in Ruhe gelassen.
Hinter vorgehaltener Hand versteckten sie ihr unterdrücktes Kichern.
Auch schon eine seltsame Stimmung.
Vor langer Zeit - Antworten
Magnolie Puuuh, damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Raue, harte Gewalt. Wie aus dem Leben gegriffen. Traurig, aber supergut umgesetzt.
Herzlichst
Manu
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Raue , harte Gewalt, wie wir sie hoffentlich niemals kennenlernen werden! Aber ich freu mich trotzdem, dass ich überraschen konnte ...
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Knallhart und eiskalt diese Gewalttätigkeit ...
Leider ganz nah an der Realität, so könnte es tatsächlich gewesen sein!
Sehr schade, dass diese Geschichte nur am Rande stehen darf!

Liebe Grüße
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Ach, am Rand rumstehen ist auch schon mal schön ;)
Dank dir für´s ♥ =)
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
18
0
Senden

140871
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung