Kapitel 14 Das Fest
Galren konnte sich nicht erinnern je so viel Essen und überbordenden Prunk gesehen zu haben. Die langen Tische ächzten unter dem Gewicht der Platten, die mit Köstlichkeiten überladen waren. Wild, Geflügel, halbe geröstete Schweine, die noch vom Feuer vor sich hin brutzelten. Dazu kamen Körbe, so groß, dass ein einzelner Mann sie wohl kaum heben konnte, die gefüllt waren mit Äpfeln, Trauben und weiterem Obst aus allen Winkeln des Reichs. Kristallkaraffen voll Wein glänzten im Licht der Kerzen und Kristalle, Roter
aus den Weinbergen von Risara, Weißwein aus den Herzlanden Met und Bier das wohl aus Hasparen oder sogar Silberstedt herangeschafft worden war. Hinzu kamen weitere Platten mit Brot und gebackenen Obst und von irgendwie hatte man sogar Eis in die fliegende Stadt gebracht, das nun langsam zwischen Weinflaschen und Obst schmolz.
Allein vom Duft, der die gesamte Halle füllte, konnte man Hunger bekommen. Musik und leises Stimmengewirr umgaben ihn, als Galren von seinem Platz aufsah.
Es mussten wohl an die drei wenn nicht vierhundert Menschen und Zwerge
anwesend sein. Jede einzelne Adelsfamilie, die einen Vertreter in der Stadt hatte, hatte ihn heute Abend hierher geschickt wie es schien und auch von den Häusern der Zwerge, die er noch kannte, schien jeweils mindestens ein Vertreter Anwesend zu sein. In den meisten Fällen auch mehr. Und auch wenn sie ihre Waffen beim Eintreten in den Palast zurücklassen musste, wurde ein jeder von zwei oder mehr in Stahl gewandeten Männern begleitet. Vielleicht hatte ihr toter König sie lange genug zusammenschweißen können um sie unbeschadet über das Meer zu führen, aber Galren wusste nur zu gut, wie zerworfen die einzelnen Familien
untereinander waren. Der Kaiser war weise, heute Abend keine Waffen zuzulassen, auch wenn Galren sich ohne das Schwert ein wenig nackt vorkam. Ohnehin fühlte er sich fehl am Platz in seiner einfachen Kleidung und inmitten der Musik und der Gespräche, die sich um alles und nichts drehten. Ein Lord aus den Herzlanden , der dem Wein zu stark zugesprochen hatte, redete lautstark auf einen weiteren Mann ein, der das Widderwappen Erindals zur Schau trug.
,, Ich sags euch, wie ihr euch da hinter euern Mauern versteckt, könnte man meinen, ihr erwartet das euch eine Armee heimsucht. Wovor habt ihr denn
so viel Angst, hm? Vor ein paar Händlern aus dem Süden ?“
,, Ihr redet besser von Dingen, die euch etwas angehen.“ , erwiderte sein gegenüber scharf . ,, Mein Herr weis was er tut was man von eurem nicht grade behaupten kann. Wie lange hat Cynric jetzt Zeit gehabt einen neuen Stadthalter für Vara zu finden?“
Galren wendete sich ab und sah die Tafel entlang. Mittlerweile mussten fast alle Gäste anwesend sein, dachte er, der einzige jedoch, der sich bisher noch nicht hatte sehen lassen, war der Kaiser selbst. Er sah einen Moment auf und sein Blick traf sich mit dem von Elin.
Wenn es jemanden gab, den er sich
eigentlich nie in einem Kleid hätte vorstellen können, dann war das wohl sie. Heute Abend jedoch trug sie eines, gefertigt aus schlichtem, grünem Stoff, der ihr bis zu den Knöcheln fiel. Ihre Haare waren zu kleinen Locken gewickelt worden und auch sonst erinnerte kaum etwas an ihr an den Wildfang, den Galren eigentlich kannte. Sah man von dem leichten Funkeln in ihren grün-gelben Augen ab, das nie wirklich zu verschwinden schien.
Er glaubte noch immer, den Kuss spüren zu können, den sie ihm am Morgen gegeben hatte. Gerne wäre er zu ihr herübergegangen, doch solange der Kaiser nicht eintraf um das fest offiziell
zu eröffnen, wurde von ihnen erwartet, sitzen zu bleiben, wo sie waren und auch das Essen blieb unangerührt. Trotzdem konnte er sich nicht davon abhalten, immer wieder kurz zu Elin hinüber zu schielen und mehr als einmal kreuzten sich ihre Blicke dabei kurz.
In den letzten Stunden hatte Galren keine Gelegenheit gehabt mir ich zu sprechen. Hadrir war bereits einer der ersten in der Halle gewesen und hatte ihn sofort zu sich gerufen, als er den Raum betrat.
,,Galren…“ Der Zwerg trug wie so oft seine schlichte Rüstung ohne jegliche Wappen oder Verzierungen. Der grüne Schulterumhang, der ihm über den
linken Arm fiel wies ebenfalls keinerlei Runen oder irgendeinen Hinweis darauf auf, zu welchem Haus er gehörte. Hadrir Silberstein war für einen Zwerg zwar groß zu nennen, ging Galren jedoch trotzdem grade bis zur Brust. Was von seinem Gesicht nicht unter dunkelbraunen Haare oder einem langen Bart verschwand, wirkte heute jedoch angespannt und ernst. Auch wenn er für seine Art ein junger Mann war, war er wohl leicht dreimal so alt wie Galren und seine braunen Augen blickten müde und sorgenvoll, wie die eines viel älteren Menschen.
,, Hadrir… schön euch wiederzusehen…“ , begrüßte Galren ihn, als er sich neben
ihm niederließ. Der Mann war einer der wenigen gewesen, der sie die ganze Zeit über unterstützt hatte und tatsächlich war er froh, ihn wiederzusehen. Das ganze konnte auch für ihn nicht leicht sein, überlegte Galren. Brunar Silberstein war sein Vater gewesen und auch wenn der Mann letztlich manipuliert worden war… Es war der König gewesen, der die Zwerge in die Situation gebracht hatte, in der sie jetzt waren. Verloren in einem fremden Land, dessen Herrscher sie zu ermorden versucht hatten. Jemand anderes als Kellvian wäre niemals so gnädig gewesen darüber hinwegzusehen und wie das für die Zwerge selbst aussah… ,, Wie ist es
euch ergangen ?“
Hadrir zuckte mit den Schultern. ,, Was glaubt ihr ? Ich versuche mich aus dem allen raus zu halten und gleichzeitig die Stimme der Vernunft zu sein. Wer immer die kommende Königswahl gewinnt, wird darüber entschieden, was aus meinem Volk wird, Galren. Und es gibt genug die nach dem Tod meines… des Königs aufgebracht sind. Selbst der Prophet hat nach wie vor seine Anhänger und wenn tatsächlich eines der Häuser einen König stellen könnte, die eurem Vater dienten, ´will ich mir die Folgen gar nicht vorstellen. Aber im Augenblick habe ich vor allem Kasran im Verdacht.“ Er nickte in Richtung des Thanen, der
ein Stück weiter den Tisch hinab saß, in seinem typischen roten Mantel und sich scheinbar entspannt mit einigen weiteren Zwergen unterhielt. Nicht weit von ihm saß auch Quinn, der schweigsame Großmagier des Ordens, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen, als würde er schlafen.
Armell hatte sich, jetzt wo die Halle langsam voll wurde, ebenfalls einen Platz in der Nähe Kasrans Gesucht. Die junge Adelige begrüßte den Thanen reserviert und misstrauisch. Weder sie noch Galren hatten vergessen, was der Mann getan hatte und ob er etwas mit Merls Tod zu tun hatte war nach wie vor unklar. Vermutlich war es für ihn auch
besser, wenn das so blieb. Sollte Galren je erfahren, das Algim noch auf Anweisung Kasrans gehandelt hatte würde sich Hadrir plötzlich keine Sorgen mehr wegen des Zwergs machen müssen. Und was Armell tun würde… Obarst war wohl noch glimpflich davon gekommen.
,, Er hat bereits begonnen Unterstützer zu sammeln.“ , fuhr Hadrir derweil fort ,, Und leider hat er auch gute Chancen genug zu finden.“
,, Warum ? Ich meine… wir sind weit weg von eurer Heimat. Jedes Haus hat genau gleich viele Männer zur Verfügung. Man könnte meinen das alte Gefüge würde hier nicht mehr viel
zählen.“
Hadrir seufzte. ,, Ihr kennt uns nach wie vor schlecht, fürchte ich. Kasrans Familie führt sich direkt auf den Herrn des Feuers zurück. Und ob das nun stimmt oder nicht, für einige wird alleine das ausreichen um ihn zu unterstützen. Vorausgesetzt, er will wirklich den Thron. Die Unsterblichen haben einen hohen Stellenwert bei meinem Volk und keiner wird so hoch geschätzt wie der, der uns einst über das Meer führte. Es gibt niemanden der im Augenblick einen größeren Anspruch hätte, als Kasran. Und unterschätzt nicht, wie viele Häuser ihm ohnehin bereits Loyalität
schulden.“
Galren konnte nicht sagen, das ihm die Aussicht, Kasran als neuen König der Zwerge zu sehen gefiel. Es war vielleicht besser, als die Alternative, das ein ehemaliger Anhänger seines Vaters es auf den Thron schaffte, aber nichts desto trotz beunruhigend. Der Thane der Mardar mochte Vernünftiger als der Großteil seines Volkes sein, aber er war auch verschlagen genug um ihn besser keinen Schritt weit über den Weg zu trauen wenn man seinen Kopf auf den Schultern behalten wollte.
,, Und was ist mit euch ?“ , fragte Galren schließlich.
,, Was soll sein ?“ Hadrir sah ihn nur
mit einem Schulterzucken an und stocherte mit einem Besteckmesser auf der Tischdecke herum.
,, Ihr sagt niemand hätte einen größeren Anspruch auf den Thron als Kasran. Aber ihr seid Brunars Sohn.
,, Ich habe euch schon erklärt, wie wenig das bedeutet.“
,, Politisch ja, aber ich bezweifle, dass es hier um Politik geht, wenn euer Volk bereit ist, einen Mann zu seinem König zu machen weil er angeblich von einem Gott abstammt.“
,,Nein.“ Hadrir lachte und zum ersten Mal wich der erste Ton aus seiner Stimme. ,, Aber das könnt ihr vergessen, Galren. Ich habe gesehen was dieser
Titel aus meinem Vater gemacht hat. Vorher sehe ich lieber Kasran auf dem Thron, glaubt mir. Da helfe ich ihm eher noch bei. Und…“ Hadrir verstummte als sein Blick zur Tür der Halle wanderte. Die großen Flügeltüren, die eben noch geschlossen waren, schwangen mit leisem Knarren auf. Als ihr Gastgeber schließlich eintrat, war es totenstill in der Halle geworden. Selbst die Instrumente der Musiker waren verstummt.
Galren konnte nicht umhin festzustellen, wie müde der Kaiser wirkte. Trotzdem lächelte er freundlich.
Kellvian Belfare trug nach wie vor das gleiche weiße, mit Gold durchwirkte,
Hemd wie am Morgen. Ein blauer Schulterumhang auf den in Gold und Silber das Wappen des Kaiserreichs prangte viel über seine rechte Schulter, darunter zeichnete sich ein leeres Waffengeschirr ab. Auch der Kaiser beugte sich scheinbar seinen eigenen Regeln. Heute würde niemand in diesem Saal Waffen tragen.
Mit langsamen Schritten trat Kellvian ans Kopfende der langen Tafel, wo ein Diener bereits einen Stuhl für ihn zurückzog. Statt sich jedoch direkt zu setzen blieb er stehen, wo er war. Und auch die übrigen Anwesenden erhoben sich einer nach dem anderen. Kurz hallte das Geräusch von Scharrenden
Stuhlbeinen und Kleidern durch den Raum. Galren selbst zögerte einen Moment entschied dann jedoch, es einfach den anderen gleich zu tun. Fast wünschte er jetzt, er hätte sich doch zumindest etwas über die Gebräuche bei Hof informiert.
Der Kaiser hielt mittlerweile feierlich einen vollen Weinkelch in die Höhe und die meisten Adeligen und anwesenden Zwerge taten es ihm gleich. Galren, der nur einen leeren Krug vor sich stehen hatte zögerte erneut kurz, tat es ihnen dann aber erneut gleich. Hadrir warf ihm einen Amüsierten Blick zu, als er bemerkte, dass der Becher leer war, während der des Zwergs noch bis zum
Rand mit Bier gefüllt war.
,, Ihr wisst das, könnte der Kaiser das sehen, das durchaus als Beleidigung auffassen könnte ?“ , flüsterte der Zwerg ihm zu. ,, Ich habe mich ein wenig informiert was eure Gebräuche angeht…“
,, Na wie gut, dass er mich nicht sehen kann.“ , erwiderte Galren ebenso leise. Und vermutlich wäre Kellvian auch der letzte, den es kümmern würde was sich in den Krügen seiner Untergebenen befand.
Als Kellvian schließlich zu sprechen begann, war es erneut vollkommen still in der Halle geworden.
,, Dieser Abend, soll einer des guten Willens werden. Ich habe euch alle hier
zusammengerufen damit wir gemeinsam das Geschehene vergessen können. Und auch, damit dies einen Neuanfang für uns darstellen möge. In diesem Sinne heiße ich euch alle hier in Frieden willkommen. Lasst diesen Abend die Schatten vertreiben, die so unglücklich zwischen unseren Völkern aufgezogen sind. Seit also meine Gäste. Esst und trinkt wie es euch beliebt und wenn der Tag kommt, will ich kein Wort darüber hören, dass meine Gastfreundschaft zu wünschen übrig ließe.“
Seine letzten Worte gingen bereits in ausgelassenen Rufen und Lachen unter, vor allem von Seiten der Zwerge. Der menschliche Adel hingegen stand einen
Moment noch stocksteif da, bevor einige von ihnen sich ebenfalls mit Verhaltenem Lächeln über das Festmahl hermachten.
,, Euer Kaiser scheint wirklich zu verstehen, wie er mit meinem Volk umgehen muss.“ Hadrir leerte den Bierkrug den er eben noch in der Hand gehalten hatte, noch ehe er sich wieder setzte.
Galren nickte lediglich abwesend.
Schon bald war die ganze Halle erfüllt von Gesprächen und fröhlichem Gelächter. Die eher gedrückte Stimmung, die eben noch geherrscht hatte schien vergessen und vor allem die Zwerge nahmen die Einladung des
Kaisers mehr als wörtlich. Die Musiker taten ihr bestes, den allgemeinen Trouble noch halbwegs zu übertönen, doch je später die Stunde wurde, desto vergeblicher wurden ihre Mühen.
Kellvian war mal hier mal dort und hatte sich offenbar vorgenommen, mit jedem eine Weile zu sprechen. Trotz der Erschöpfung schien es ihm nicht an einem offenen Ohr zu mangeln, während er den Fürsten und den Zwergen zuhörte, ab und an eine Bemerkung fallen ließ und ohne das es unhöflich gewirkt hätte zum nächsten weiterging.
Viel später jedoch, als Tische, Stühle und Bänke zur Seite geschafft wurden um Platz zum Tanzen zu schaffen, schien
die Müdigkeit endgültig die Überhand zu gewinnen. Kellvian hielt sich nur noch am Rand der Veranstaltung unter den Zuschauern und wich bis zur Rückwand des Saals zurück.
Die jüngeren Adeligen und auch einige der Zwerge jedoch machten sich daran zu der erneut erklingenden Musik zu Tanzen und es dauerte nicht lange, bis sich die ersten Paare bilden. Der Mann jedoch, der schließlich als letztes auf die freigewordene Fläche hinaustrat, versetzte nicht nur Galren in erstaunen.
,,Wer hätte gedacht, dass der Mann noch tanzen kann ?“ , fragte Hadrir verwundert.
Kasran Mardar führte eine ältere
Zwergin am Arm, die wohl trotzdem noch einige Jahrhunderte Jünger sein dürfte als er selbst. Breit grinsend nickte er einen Moment in ihre Richtung, bevor er sich ganz seiner Tanzpartnerin zuwendete. Einige Leute in der Menge fingen tatsächlich verhalten an zu klatschen, während der alte Thane sein gegenüber geschickt über die Tanzfläche führte und sich tatsächlich kurz verbeugte, bevor er wieder unter die Zuschauer trat.