Kurzgeschichte
Waschtag 1955 - Aus dem Buch LEBENSSCHERBEN

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"Waschtag 1955 - Aus dem Buch LEBENSSCHERBEN"
Veröffentlicht am 31. Januar 2016, 12 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Heilpraktikerin, Autorin, Mutter, Großmutter, Hunde- und Katzenmama Am liebsten fröhlich, ohne den Ernst außer Acht zu lassen. Mehr findet Ihr auf meiner Homepage: http://nachtfluege.de
Waschtag 1955 - Aus dem Buch LEBENSSCHERBEN

Waschtag 1955 - Aus dem Buch LEBENSSCHERBEN

Waschtag 1955



Flora von Bistram



Aus meinen Buch

LEBENSSCHERBEN

Waschtag




Auskoppelung aus meinem Buch

Lebensscherben

Waschtag 1955

In der riesengroßen Waschküche wurde am Montag nur alle vier Wochen, denn es gab vier Mietparteien- der große Waschkessel angeheizt, in dem die Wäsche am Abend vorher schon eingeweicht worden war. Immer wieder wurde mit dem Riesenholzlöffel die Wäsche umgerührt. Keine Waschmaschine erleichterte die schwere Arbeit. Bei den kleinen Teilen, wie Pullis und Strümpfen mussten die größeren Kinder mit anpacken. Die Lauge brannte sich in die kleinen Hände.

Überall standen die kleineren Zinkwannen, die für Wollsachen und für die Spülvorgänge benutzt wurden. Auf zwei Holzböcken stand ein großer Zuber, in dem das Waschbrett

stand.

In Deutschlands Waschküchen hatte sich in den zwanziger Jahren die sogenannte klassische Methode eingebürgert. Nach dieser Methode wurden für eine Wäsche dreierlei Waschmittel nacheinander benutzt: ein Bleichsoda zum Einweichen, ein selbsttätiges Waschpulver (auf Seifenbasis bei uns gab es auch noch die Kernseife, die auch zur Körperpflege genommen wurde, die Gallseife für hartnäckige Flecken) und ein Spülmittel, das bei uns in Form von Essig für die Wollsachen genommen wurde.

Das deutsche Familienunternehmen Henkel, das diese klassische Methode in Deutschland zur Allgemein-Regel erhoben hatte, brachte nun zu Beginn dieses Jahres sein modernes

synthetisches Schnellwaschmittel "Wipp" heraus. Etwa zur gleichen Zeit lud auch das deutsche Zweigunternehmen des Unilever-Konzerns, die Sunlicht Gesellschaft AG in Norddeutschland, ihr synthetisches Pulver "Sunil" in ihre Verkaufskanonen. Nach einigen Vorversuchen mit anderen Erzeugnissen rollte damit die Offensive der synthetischen Waschmittel in großem Stil in Westdeutschland an.

So kam Wipp in unsere Familie.

Auf einem Waschbrett wurden die einzelnen Teile gerubbelt und geschrubbelt, auch die Haut nahm da ihren Schaden. Nach mehreren Spülvorgngen wurden die Teile ausgewrungen. Für Bettwäsche waren immer zwei Personen nötig, da es für einen fast

unmöglich war, alleine zu wringen.

Schlimm waren die Waschtage im Winter.

Bei schönem Wetter kam die Wäsche nach draußen auf die Leinen und wurde gegen Abend bretthart, steif gefroren wieder abgenommen und in die Wohnung zum Nachtrocknen gebracht. Ansonsten nahm der große Trockenboden die großen Mengen der Bettwäsche, Handtücher, Schlüpfer, Leibchen, Hemden, Pullover und Strümpfe der großen Familie auf.

Welch atemberaubende Anschaffung war dann die erste Waschmaschine! Die abends eingeweichte, jetzt kochend heiße Wäsche wurde mit einem großen Holzlöffel in kleineren Mengen in diese weiß leuchtende Maschine gehoben. Auf Schalterklick begann

eine große Schraube sich im Innern zu drehen, die dadurch die Wäsche um und um wälzte. Am hinteren Rand der Maschine war eine Wringe … zwei Walzen, die sich gegeneinander drehten, wenn man die Kurbel bediente. Ein Wäschestück wurde mit der hölzernen Wäschezange zwischen die Walzen geschoben, und mit viel Kraft wurde dann das Wasser aus ihm herausgepresst, herausgewalzt.

Noch immer anstrengend, aber doch eine Erleichterung gegenüber Waschbrett und dem Auswringen mit der Hand. Wie fertig war man immer nach diesen Arbeiten.

Weißwäsche kam dann in die Stärkelauge.

Im Sommer kam die Wäsche auf die Leinen im Garten. Oben gespaltene Bohnenstangen

wurden drunter geschoben und in die Erde gerammt, damit die Wäsche nicht auf der Erde schleifte.

Vielfach wurde die Weißwäsche auf der Wiese ausgebreitet und immer wieder mit Wasser begossen. Bleichen hieß das.

Schon früh lernten alle, besonders aber ich, wie Wäsche gefaltet, gereckt oder gebügelt wurde.

Die großen Teile wurden eingesprengt, zusammengelegt und dann in einem hoch vollen Wäschekorb mühsam zur Heißmangel geschleppt, wo dampfende Walzen aus den krusseligen, kaum aufeinander passenden Wäschestücken wunderbare, glänzend glatte Laken, Bezüge und Tischdecken zauberten.

Noch heute fühle ich, welch herrliches Gefühl

es war, wenn die Betten neu mit der frisch gestärkten und gemangelten Wäsche bezogen war. Wundervoll, allerdings im Winter nicht so toll, doch da kam dann eine Wolldecke ins Bett, bevor die Flanellwäsche in die Haushalte einzog.




floravonbistram 1998

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Gast Ich erinnere mich gut daran, dass bei uns, auch nach Anschaffung einer Waschmaschine, noch die Arbeitskleidung der Männer über Nacht in einem Kessel eingeweicht wurde und dann gestampft.
Im Sommer fuhr meine Mutter die Wäsche oft zu einem etwas außerhalb gelegenen Garten, im Winter musste auch schon mal in der Küche getrocknet werden. Ein Haken am schweren Küchenbuffet, einer in der Wand. Bis das Schrankoberteil mal nach vorne kippte und das ganze Porzellan meiner Mutter zerbrach. Ihr war aber wichtiger, dass sie mich gerade noch auf die Seite ziehen konnte.
Danke für deine interessante Geschichte Flora.

Vor langer Zeit - Antworten
KaraList Diesen präzise beschriebenen Waschtag kenne ich auch. Für meine Mutter war diese monatliche Prozedur immer Schwerstarbeit. Die Waschküche war im obersten Stockwerk - das bedeutete, Wäsche hochtragen, nasse Wäsche hinunter tragen, damit sie auf dem Hof aufgehangen werden konnte. ... und dazwischen - Wäsche kochen, schrubben, spülen und nochmals spülen. :-)
Du hast Erinnerungen mit Deiner Geschichte geweckt. Sehr gern gelesen!
LG
Kara
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Danke Dir. :-)
Bei uns war die Waschküche im Keller. Im Sommer war man gleich im Garten, doch im Winter mussten alle Körbe auf den Dachboden geschleppt werden. Also egal, wo sie war, Schlepperei war es so oder so. Nur die Häuser, die den Trockenraum neben der Waschküche hatten, waren gut dran
Vor langer Zeit - Antworten
FLEURdelaCOEUR 
Wir hatten Glück, meine Oma hatte aus der Vorkriegszeit eine Waschmaschine mit aufgesetzter Wringmaschine sowie eine Rolle (= Kaltmangel) bis in die Fünfziger hinüber gerettet. Dennoch musste die Wäsche vorher eingeweicht und gekocht werden. Alles andere - so wie bei dir. Ich musste auch mit meiner Tante immer die Wäsche in Form ziehen und legen.
Bei uns in der DDR hieß das revolutionierende Waschpulver der 60er WOK, Waschen ohne Kochen. Wir haben aber trotzdem noch die Windeln und Wäsche aus Leinen oder Baumwolle damit gekocht, jedoch erübrigte sich meist das Schrubben auf dem Waschbrett. Der 20l-Wäschetopf stand in meiner ersten eigenen (Einraum-)Wohnung auf dem Gasherd in der Küche. Wenn er etwas abgekühlt war, schleppte mein Mann ihn ins Bad, wo ich dann die Wäsche in der Wanne spülte und er mir die größeren Stücke auswrang. Die Bettwäsche wurde in die Wäscherei gegeben, manchmal auch Tischtücher. Wir hätten sie auch gar nicht auf dem Balkon oder im Bad trocknen können.
Für eine Waschmaschine war kein Platz, aber wenigstens bekam ich eine Schleuder, die vieles erleichterte.
Als unser Sohn ein Jahr wurde, bekamen wir eine größere Wohnung und schafften uns eine halbautomatische Waschmaschine an, also ohne Schleuder. Das war ein wahres Glück!

Es ist gut, dass du an das schwerere frühere Leben erinnerst, viele kennen es nicht mehr ... Aber es war auch intensiver, weil man mehr miteinander geredet hat und nicht nur unentwegt auf dem Smartphone herumgewischt wurde ...

Lieben Gruß
fleur
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Als ich heiratete hatte ich auch keine Waschmaschine. Genau so wie Du beschreibst ging es bei mir auch zu. Fuhren wir zu den Eltern, nahm ich immer mal eine Maschinenfüllung mit Kochwäsche mit, ab in deren Maschine und nach einem asuführlichen Kaffeeklatsch nahmen wir die frische Wäsche mit.
Doch dann-nach einem halben Jahr - bekam ich eine gebrauchte Maschine und von da an war alles leichter.
Vor langer Zeit - Antworten
baesta Genau so wurde es auch bei uns gemacht. Es war wirklich eine schwere Arbeit und wenn die Wäsche trocken war, kam der große Wäschekorb auf den Handwagen und dann gings ab Richtung Mangel, bei uns allerdings eine Kaltmangel, wo ein tonnenschweres Mittelstück immer über die auf Rollen augewickelte glitt, Da musste mann höllisch aufpassen, denn wenn was verrutscht war, gab es unschöne Knitter.
LG Bärbel
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Wir schleppten den Korb und die angefeuchtete Wäsche war irre schwer. Ich war ja noch Kind. Dann die Heißmangel, feuchte heiße Luft...puh, hatte ich Kreislaufbeschwerden (meine Mutter natürlich auch)
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Ich kenne das auch aus meiner Kindheit obwohl ich 20 Jahre später geboren Bin. Ja und die Waschmaschine war Luxus in Höchstform und dann erst die schleuder. Danke fürs erinnerungen wecken lG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
flovonbistram Danke auch. :-)
LG Flo
Vor langer Zeit - Antworten
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