sprung in die tiefe
Ich laufe auf die Brücke, zum Geländer. Ich halte mich fest, während ich erst das eine Bein, dann das andere Bein auf die andere Seite des Geländers setzte. Meine Gedanke schwirren wie ein Schwarm verrückt gewordener Bienen durch meinen Kopf. Wird mich irgendjemand vermissen? Nein, ihnen wird es nicht einmal auffallen, dass ich fehle. Niemand wird jemals an mich denken, weil ich für sie nie existiert habe. Mein Blick senkt sich nach unten. In die Tiefe, wo das wellenschlagende Wasser auf mich wartet. Ich höre das Klatschen, der Wellen, gegen die Betonwände, lauter werden. Einen Moment lang klammere ich mich am Geländer
fest, dann lass ich los. Es fühlt sich an, als würde ich fliegen. Ich höre das laute Rauschen des Windes in meinen Ohren. Mir kommt der Sturz nach unten unendlich lang vor. Ich habe Angst, doch anderseits freue ich mich auf ein Leben nach dem Tod. Ein besseres Leben als jetzt. Wie im Traum zieht mein ganzes Leben an mir vorbei. Wie ich klein war, wie ich älter wurde und meine Eltern mich wegstießen. Wie meine Mitschüler mich ausgrenzen und wie ich allein und traurig, Tag für Tag, irgendwo vor mich hinstarre, wo ich niemanden störe. Auf einmal merke ich unter mir einen harten Untergrund. Endlich! Der Aufprall auf die klatschenden Wellen des Wassers. Jetzt wird alles gut! Mein letzter Gedanke verschwindet
in der Dunkelheit und der Tiefe des Wassers.