heiße Bohnen inklusive
Der Flug war lang. Verdammt lang. Es war mein erster Flug überhaupt. Ich dachte nicht, dass 11 Stunden so lange sein könnten. Aber, ein Cowboy jammert nicht. O.K. Ich war noch keiner, jedenfalls nicht offiziell. Nicht, bevor ich auf der Farm war. Dort würde ich dann ein waschechter Cowboy sein. Zwar nur für 14 Tage, aber immerhin.
Nun stand ich hier. Ankunftshalle Airport Phoenix Arizona. Ich kaute lässig meinen Kaugummi, setzte meinen Stetson auf und wartete auf John. Der
Mann, der mich zur Farm bringen sollte.
Es war schon immer mein größter Traum, einmal im Land der Cowboys und Indianer zu sein. Schon als ich zum ersten mal Winnetou las. Ich war damals vielleicht 9 Jahre alt. Den alten Schmöcker von damals hatte ich tatsächlich auf dem Speicher ausgegraben und mit auf den Flug genommen, als Reiselektüre. Es ist faszinierend. Das Buch ist zwar nicht direkt für Kinder geschrieben, spricht aber sowohl Kinder wie Erwachsene an. Karl May war ein Genie. Ich bewundere den Mann.
Dann sah ich John. Er sah anders aus, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Blue Jeans,
kurzärmliges kariertes Holzfällerhemd und eine Baseballkappe. Kein Cowboyhut. Ich war fast enttäuscht.
Ich erkannte ihn nur an seinem Ausweis, der an seiner Hemdtasche baumelte.`John Carter – blue rich farm`.
„Du musst der Junge aus good old Germany sein!“ ,rief er, während er mir seine Hand zur Begrüßung entgegen streckte. „Yeah, der bin ich“, antwortete ich, betont cool, und schüttelte seine Hand. „Ein echtes Greenhorn!“ , lachte John. „Na dann komm mal mit, dann wollen wir aus dir mal einen echten Cowboy machen.“ Er bemerkte meinen skeptischen Blick auf seine Baseballkappe. „Oh, die hier“, sagte er
und tippte mit seinem Finger an das Schild der Kappe. „Ich hab auch einen echten Stetsonhut, wenn du das meinst. Aber mal ehrlich, laufen in Germany auch alle immer in Lederhosen rum?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich kam mir richtig blöd vor. Ich dachte an die Preußen, die in Bayern immer auf bayerisch und sich damit zum Gespött machten. Genauso musste ich jetzt auf John wirken. Ich wollte den Hut schon abnehmen, als mich John davon abhielt. „Nein“, sagte er, „lass ihn auf, du siehst gut damit aus.“ Ich war erleichtert, dass mein erster Eindruck doch nicht der eines Blödmanns war. „Und irgendwann wirst du wissen, wieso ein Mann stolz darauf sein kann,
einen Stetson zu tragen“, fügte er hinzu, als wäre er schon immer mein bester Kumpel gewesen.
Wir verließen den Airport und gingen zu seinem Pickuptruck. Ein echter amerikanischer Traum von einem Auto. Nachtschwarz mit verchromten Stoßstangen und einem Airbrush mit wilden Pferden.
Ich war in Amerika, ich liebte dieses Land.
Die Fahrt dauerte 4 Stunden über endlose Higways. Endlich waren wir da. Es war so, wie man sich eine echte amerikanische Farm vorstellt. Wohngebäude, Nebengebäude für die Gäste, Scheune, Stallungen und sogar ein
Windrad auf einem hölzernem Turm.
Noch bevor mir John meine Unterkunft zeigte, gingen wir in den Stall. Er deutete auf eine der Pferdeboxen. „Sie wird in den nächsten Tagen deine Partnerin sein. Sie heißt Stella.“
Vorsichtig näherte ich mich ihr. Sie war hell braun mit einem kleinen weißen Fleck auf der Nase. Daher wahrscheinlich der Name.
Ich tätschelte ihre Nase. „Ein schönes Pferd“, sagte ich. Ein leises Wiehern war ihre Antwort. Und fast bildete ich mir ein, sie hätte mir mit ihren großen braunen Augen zu gezwinkert.
Nach dem Abendessen fiel ich dann ins Bett und war sofort weg. Die Strapazen
des Fluges und die lange Anfahrt waren dann doch zu viel.
Ich träumte davon, dass ich auf Stella mit Winetou an meiner Seite durch die Prärie ritt. Sogar die Erkennungsmelodie des Filmes konnte ich hören.
Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück sofort in den Stall. Wir wurden darin unterrichtet, was alles zur richtigen Pferdepflege dazugehört.
Wie man ein Pferd sattelt und zäumt.
Ich war auch ganz stolz darauf, dass ich den Sattel aufs Pferd bekam. John ging mit prüfendem Blick um das Pferd herum und meinte dann: „Wenn du da aufsteigst, fliegst du gleich auf der anderen Seite wieder ab.“ Ich sah ihn
etwas verwirrt an, war ich doch sicher, alles richtig gemacht zu haben. John griff unter den Gürtel des Sattels um mir zu demonstrieren, dass er viel zu locker angezogen war.
„Naja,... “, stotterte ich, „ich wollte ihr nicht wehtun.“ John lachte. „Zieh ruhig fest an, das tut ihr nicht weh.“
Dann ging es endlich los. „Also“, rief John, „Die linke Hand an den Knauf des Sattels, den linken Fuß in den Steigbügel und dann mit Schwung rauf aufs Pferd.“
Bei mir klappte es gleich auf Anhieb, während sich die anderen noch abmühten.
John gratulierte mir still mit einem Daumen hoch und einem
Augenzwinkern.
Endlich waren alle auf den Pferden und mit einer Handbewegung gab John das Zeichen, dass wir ihm folgen sollten. Ich ritt gleich neben ihm. „Wie Winnetou und old Shatterhand,“ sagte ich.
John sah mich verwirrt an. „Winne... wer?“, fragte er. „Nun“, versuchte ich zu erklären, „Winnetou, der Häuptling der Apachen.“
John schüttelte den Kopf. „Tut mir leid“, sagte er, „ich kenne keine Apachen.“
Damit war das Thema erledigt. Es hatte mich aber doch etwas enttäuscht, dass man im Land der Cowboys und Indianer Winetou nicht kennt, hatte das aber dann auch ziemlich schnell
vergessen.
Ich musste lernen, dass das Leben eines Cowboys nichts mit diesen Technicolorbreitwandfilmen im Kino zu tun hatte. So ein Leben auf einer Farm war ein echter Knochenjob.
Wir lernten auf unserem Ausritt noch einiges über dieses Leben und diesen Job. Da blieb nicht viel Zeit für Cowboyromantik.
Als wir dann Abends zurückkehrten auf die Farm, erwartete uns bereits ein echt amerikanisches Barbequ mit Lagerfeuer und allem was dazugehörte.
Nachdem wir die Pferde in den Stall gebracht, abgesattelt und versorgt hatten, begann der gemütliche Teil des Abends.
Und als dann der goldleuchtende Feuerball der Sonne den Horizont der endlosen Prärie berührte und diese in ein orangerotes Farbennmeer verwandelte und John auf seiner Gitarre von der Freiheit träumte, während wir ihm andächtig lauschten, wusste ich, es gibt sie doch, die Cowboyromantk.
Ich stocherte in der Büchse mit den heißen Bohnen herum, die wir über dem Lagerfeuer erwärmt hatten und mir wurde bewusst, was John damit gemeint hatte, als er sagte: „Irgendwann wirst du wissen, wieso ein Mann stolz darauf sein kann diesen Hut zu
tragen.“