"Die wandelbare Tür"
Vor ungefähr drei Jahrhunderten, genau weiß ich es nicht mehr, gab es eine trutzige Burg, hoch oben auf einem Felsen. Zur damaligen Zeit war eine Burg nichts seltenes, es gab derer viele. Heutzutage sieht man oft nur noch Ruinen von Burgen und Schlössern.
Die Burg von der ich Euch erzählen möchte, gehörte einem selbstsüchtigen und grausamen Burgherren. Sein Name war Eduard von Wichlingen und Er führte auf Seiner Burg ein gar strenges Regiment! All Seine Bediensteten fürchteten Ihn und blieben Ihm lieber fern. Er war bekannt für Seine
Wutausbrüche und liebte es Mensch und Tier zu quälen!
So ritt Er Seine Pferde zu Schanden, trat Seine Hunde und ließ jeden auspeitschen der nicht all sein Tagwerk zu Seiner Zufriedenheit verrichtete.
Eduard heiratete erst in späten Jahren eine wunderschöne, gutherzige Edeldame mit Namen Emma. Sie war noch sehr jung und glaubte immerzu an das Gute in den Menschen. Auch Eduard war sie in Liebe zugetan und sie tat alles um Ihm zu gefallen.
Sie ertrug geduldig Eduards Spott und Seine Missachtung ihr gegenüber. Missachtung, weil Emma Ihm nicht den
ersehnten Sohn schenken konnte.
Er brauchte einen Erben dem Er all Seine Zuwendung geben wollte, denn im Grunde seines Herzens war Eduard ein einsamer Mann. Niemand bemerkte das, nur Emma und Er tat ihr leid, weil Er so gar keine Liebe empfinden konnte.
So gingen viele Jahre ins Land und die Burg wurde zu einem Ort des Schreckens. Abweisend und düster thronte sie hoch oben auf dem Felsen. Kein fröhliches Kinderlachen schallte von den steinernen Wänden wider. Auch Emma wurde immer trauriger, bis eines Tages endlich nach all den Jahren, Emma ein Kind unter dem Herzen trug.
Das konnte ihr Gemahl zuerst nicht glauben und kümmerte sich nicht darum. Er sagte: Du willst mich nur verhöhnen und wenn es wahr wäre, ist dieses Kind sicherlich von einem Stallburschen.
Emma sagte nichts dazu, sie war glücklich und freute sich auf das Baby. Wenn es nur ein Junge würde! Sie betete jeden Tag und jede Nacht, damit es ein Sohn würde.
Doch das Schicksal meinte es nicht so gut mit ihr, sie bekam eine Tochter und nannte sie Miranda.
Eduard lehnte die Kleine ab und gab Emma die Schuld daran, dass es kein Knabe war.
Miranda wuchs zu einer Schönheit heran- mit blondem Haar das die Farbe von Honig hatte und dunkelblauen Augen, tief wie das Meer!
Miranda war nicht nur ein schönes Kind, sie war auch sehr lieb und einfühlsam. Sie hatte stets einen offenen Blick für alle Nöte und Sorgen der Menschen. Und sie liebte die Tiere über alles.
Darum war sie auch sehr oft im Pferdestall und half den Stallburschen beim Füttern und striegeln. Sie war sich auch nicht zu schade, den Stall auszumisten.
Ihr Vater sah dieses gar nicht gerne und
hatte das Mädchen schon oft verprügelt!
Obwohl Eduard sich sonst nicht um seine Tochter kümmerte- wenn Er sie nur in der Nähe der Stallungen sah wurde Er sehr zornig!
Trotz der vielen Prügel zog es Miranda immer wieder dort hin. Einen der Stallburschen mochte sie besonders gern- Heinrich hieß Er und war siebzehn Jahre. Gerade zwei Jahre älter als Miranda. Er hatte schwarze Locken und große braune Augen und so ein fröhliches Lachen, dass Er Miranda immer wieder damit aufheitern konnte. Die zwei verstanden sich sehr gut.
Als das Mädchen sechzehn Jahre wurde
geschah etwas furchtbares, ihre geliebte Mutter bekam eine schlimme Krankheit, die sie ans Bett fesselte. Emma wurde immer schwächer- von Tag zu Tag. Ihre Lebenskraft erlosch langsam wie eine Kerze im Wind!
Alle Bediensteten der Burg ging das nah und sie nahmen ihren ganzen Mut zusammen und sprachen mit ihrem Herren. Er möge doch einen Doktor kommen lassen um der Herrin zu helfen.
Sie zogen sich Eduards Zorn zu, Er ließ sie alle auspeitschen und verbot ihnen, Seiner Frau zu helfen.
Miranda saß Tag und Nacht am Bett ihrer Mutter und weinte bittere Tränen!
Eines Tages als Emma sich ein klein wenig besser fühlte, erzählte sie ihrer Tochter von der Wandelbaren Tür.
Sie sagte: Mein geliebtes Kind ich muss bald sterben, aber ich habe keine Angst und Du darfst Dich auch nicht fürchten! Hier auf der Burg oben auf der Galerie gibt es eine Tür, die etwas ganz besonderes kann. Sie ist nur sichtbar für Menschen reinen Herzens- nur sie können diese Tür sehen und hindurch gehen! Dein Vater hat sie nie entdeckt und ich habe immer geglaubt, ganz tief in Seinem Herzen wäre Er ein guter Mensch. Leider habe ich mich getäuscht!
Sie sank entkräftet in die Kissen zurück
und Miranda gab ihr zu trinken, so dass sie weiter reden konnte.
Miranda, flüsterte Emma: Du musst wissen diese Tür tut etwas Geheimnisvolles. Sie sieht immer anders aus. Mal ist sie groß und breit wie ein Scheunentor und mal klein und ganz schmal wie eine Ofentür. Du musst diese Tür finden und hindurch gehen. Hinter ihr findest Du all die Antworten auf Deine Fragen!
Emma sank wieder zurück und schloss die Augen. Sie starb- wie sie gelebt hatte still und friedlich!
Die wandelbare Tür.
Miranda war wie versteinert sie konnte nicht einmal weinen. Sie saß drei Tage und drei Nächte am Bett ihrer toten Mutter!
Die Bediensteten machten sich große Sorgen um sie und holten ihren Vater. Eduard schaute angewidert auf seine Frau und sagte: Sie muss hier weg. Packt Euch und werft sie ins Meer!