"Haste ma ...?"
"... Nen Euro? ..., Ja ..., Hier haste!“ - und reiche dem schwarzen Hünen mit den Kometenaugen und den Vollmondzähnen schnell eine Münze hin.
"Nee ...", lacht der, "... Wasser! Will mir'n Tee kochen."
Na klar, Wasser. Was sonst will ein Riese wie der, mit nem Topf in der Hand, nachts um Drei schon haben wollen. Mit nem Euro hätte ich ja dienen können, aber mit Wasser ...?
Kannst dem blitzenden Lächeln aber auch nicht entrinnen, musst irgendwie helfen!
Jedenfalls kommt mir so ein Gefühl hoch, jetzt helfen zu müssen. Kann gar nicht anders!
"Wasser ..., Wasser ..., um diese Zeit?", frage ich, während mir das Herz, das längst in die Hose gerutscht ist, die Knie erbeben lässt, und schiele dabei auf den Topf in der kräftigen Hand.
"Die ham das abgestellt und ich hab jetzt irgendwie das Bedürfnis, Tee trinken zu müssen.", lachen mich die glitzernden Flecke durch die Dunkelheit an.
Ich überlege. Wenn nicht aus dem Hahn, vielleicht aus der Flasche?
"Meine Freundin hat ne Flasche stilles Wasser im Haus, das ginge doch auch?"
"Klar doch!", versichert mir der schlenkernde Topf mit dem freundlichen Gesicht dahinter, "kannst sie auch gleich mitbringen. Dann trinken wir drei einen. Wohne gleich hier - brauchst nur zu klopfen."
Der Topf verschwindet in der Tür und ich suche das Weite. Allerdings nicht als Flucht, sondern um nun wirklich etwas zu tun. Hab's versprochen!
Und die Aussicht auf einen nächtlichen Tee mit einem Unbekannten versöhnt mein Gewissen, nachts in der Gegend einher zu schleichen.
Fahre also mit der U-Bahn drei Stationen quer, dreie links und eine rechts, schnappe die Freundin, die rein zufällig mit der Flasche Wasser unterm Arm vor der Haustür steht und wartet (Schlüssel vergessen) und fahre mit ihr zusammen eine Station links, dreie rechts und dreie quer.
Unterwegs meiner Freundin die Umstände und die Aussicht auf Tee begreiflich machen. Sie freut sich, ich freue mich, und so freuen wir uns voller Freude auf das nächtliche Spektakel.
Dann sind wir da und klopfen.
Der Hüne öffnet und lächelt so breit, dass die Türöffnung davon völlig ausgefüllt wird.
"Ich wusste, dass du kommst!", begrüßt er mich. Meiner Freundin drückt er einen Handschmatzer auf, sodass ihr fast die Wasserflasche aus den Fingern rutscht.
Dann stehen wir im Rund mit noch anderen 10 Personen im Raum und schauen zu, wie der Schwarze schwarzen Tee zubereitet. Beim Teetrinken höre ich die anderen Gäste darüber diskutieren, wie man Mädchen mit Tee bezirzen könnte.
Das Thema schlägt auf den Magen.
Überlege, ob ich simulieren soll, oder warten, bis echte Magenschmerzen kommen. Währen der Überlegung sehe ich mich umkippen. Mit dem Kopf auf den harten Steinboden aufknallen. Nicht zu hart, aber hörbar für die Ohren. Sehe den Schwarzen nach dem Telefon greifen. Er sagt was von bevorstehendem Magendurchbruch.
Dann sehe ich Sterne und drei Kinos. Das Linke und das Rechte schließen. Sie werden von dem Mittigen einverleibt.
Sehe eine Narbe nach der Operation. Die komischerweise dort sitzt, wo garantiert NICHT der Magen liegt.
Wenn auf die Narbe gedrückt und etwas gewartet wird, explodieren die Sinne und man sieht eine Leinwand, auf der ein zitterndes und bebendes Gesicht in Ekstase unter Wasser klebt, während das es umgebende Nass in Wellen, über und drumherum, wie kochendes Wasser umherwallt.
Alle stehen im Rund und schauen sich wie verzückt den "Film" an. Trinken dabei Tee und schweigen. Auch ich stehe dabei und schaue mit. Und bin froh, nicht in diesen wässrigen Wogen schwimmen zu müssen.
"Hee ...!", stupst mich jemand an.
Ich schrecke auf. Schaue in abgrundtief leuchtende Augen, die mir ein unbegreifliches Grinsen abringen.
"Tee?"
Ich nicke. Genau das brauche ich jetzt.
Eine schöne heiße Tasse Tee.