Jack
Ich klopfte an die Scheibe und wenige Sekunden später wurde sie herunter gelassen.
Ich wusste, wen ich hier vor mir hatte. Und aus diesem Grund spürte ich, wie meine Nervosität zu nahm. Ich neigte meinen Kopf leicht zur Seite.
„Sie sind heute allein unterwegs wie ich sehe!“ sagte ich und erntete dafür ein kleines Lächeln von Faith Hollister. Genüsslich zog sie an ihrer Zigarette und pustete den Rauch sogleich wieder aus. Ihr Blick war nach vorn auf die Straße
gerichtet.
„Warum denn heute so förmlich, Jack?“
Ich mochte meinen Job und ich mochte Faith. Dass sie meine Tante war, störte mich eher weniger. Auch wenn sie mich manchmal ein wenig anders behandelte als die Anderen. Aber das war nicht schlimm, denn keiner meiner Kollegen beschwerte sich darüber. Das lag vielleicht daran, dass Fatih vor zwei Jahren zum Chief of Police ernannt wurde. Und das bedeutete wiederum, das sie über alles Bescheid wusste. Ihr entging einfach nichts. Überall hatte sie ihre Spitzel.
„Gibt es einen Grund für diesen kleinen Überfall?“ wollte ich wissen.
„Allerdings. Wir müssen Hailey von hier weg bringen.“
Ich stutzte.
„Du weißt also schon, was in dem Haus vorgefallen ist?“
Sie nickte.
„Und du weißt noch mehr!“ stellte ich fest.
„Sie ist in Gefahr. Und ich möchte, dass sie mich begleitet. Ich kann dir im Moment nicht mehr sagen.“
Das passte einfach nicht. Die Antworten, die mir meine Tante gab, verwirrten mich. Sie wirkte anders als sonst. Außerdem war sie allein unterwegs. Sie verließ das Haus nie ohne Jim, ihren
persönlichen Begleitschutz.
Zum ersten Mal schaute sie mir direkt in die Augen und dann sah ich es. Ihre Augenbraue war leicht aufgeplatzt.
Ich schaltete sofort. Die hinteren Scheiben des Wagen waren so abgedunkelt, dass man keinen Blick hinein werfen konnte. Also konnte ich auch nicht sehen, ob sich jemand auf der Rücksitzbank befand. Ich stand einen halben Meter neben dem Auto und ich vermied es, noch näher heran zu treten. Ich musste mir etwas einfallen lassen, wie ich Faith aus dem Wagen bekam.
„Hol Hailey doch einfach her und ich nehme sie mit ins Krankenhaus. Da wolltest du doch sowieso hin, oder?“
Faith schnippte ihre Zigarette aus dem Fenster.
„In Ordnung. Aber ich werde mitfahren!“ sagte ich und Faiths Augen wurden größer.
„Das ist nicht nötig, wirklich. Ich übernehme das einfach für dich und melde mich bei dir. Dann kannst du dich wieder anderen Aufgaben widmen.“
Was hatte sie vor?
„Gib mir ein paar Minuten. Ich werde sie holen.
Hast du vielleicht eine Zigarette für mich?“ fragte ich sie.
Faith griff nach rechts und reichte mir ihre Zigarettenschachtel. Ich zog eine Zigarette heraus und gab sie ihr zurück.
„Bin gleich zurück.“
Langsam ging ich zu meinem Auto zurück. Ich öffnete die Fahrertür und stieg ein.
Hailey sah mich ängstlich an.
„Wer ist das?“ wollte sie wissen.
„Eine von den Guten!“ lächelte ich ihr zu.
„Fahren wir jetzt ins Krankenhaus?“
„Wir müssen uns noch kurz gedulden, Hailey.“
„Stimmt etwas nicht?“
Das konnte ich nicht sagen. Ich hoffte einfach nur, dass Faith es irgendwie schaffte, ihren Gast loszuwerden.
„Wir werden gleich in dem Wagen da
vorn mitfahren!“ sagte ich stattdessen.
Hailey atmete tief durch.
„Es wird alles gut. Das verspreche ich dir.“
Wir zuckten beide zusammen, als wir den Schuss hörten. Ich ein wenig mehr als Hailey.
Ich war schon auf dem Weg nach draußen, als ich mich noch einmal zu Hailey drehte.
„Du bleibst hier sitzen. Bis ich dich hole!“
Sie sah mich nur an und zeigte keinerlei Reaktion.
„Hast du mich verstanden?“ sagte ich ein wenig lauter.
Jetzt hatte ich ihre volle
Aufmerksamkeit und sie nickte mir zu.
Ich rannte zu Faiths Auto, die nun ausgestiegen war. Sie warf mir meine Waffe zu, die ich ihr mit der Zigarettenschachtel vor wenigen Minuten gereicht hatte. Ich wusste, dass sie damit umgehen konnte. Und ich behielt Recht. Sie schaffte es, ihren Angreifer mit einem Schuss außer Gefecht zu setzen.
„Lebt er noch?“ wollte ich wissen.
„Was denkst du denn? Natürlich. Ich möchte gern wissen, wer mich netterweise so zugerichtet hat. Danke, dass du so schnell reagiert hast. Das mit der Zigarette war nicht schlecht! Und jetzt komm, lass uns nachsehen, wer uns so verärgern
wollte.“
Ich schaute mich um. Keine Menschenseele war unterwegs. Kein Wunder. Diese Straße gehörte eher zu den weniger Befahrenen.
„Wo hast du ihn erwischt?“ fragte ich.
„An der Schulter.“
Langsam öffnete ich die Tür. Ein junger Mann, vielleicht Mitte zwanzig landete vor meinen Füßen und krümmte sich vor Schmerz.
Ich beugte mich nach unten und packte ihn am Hemdkragen.
„Wer bist du, verdammt?“
„Leck mich, scheiß Bulle!“ sagte er.
„Das ist nicht nett.“ Meine Geduld hielt sich in Grenzen. Zumal mir dieser Tag
heute besonders zusetzte.
Ich drückte meinen Daumen genau in die Stelle, wo Faith den Mann getroffen hatte. Er schrie auf und beschimpfte mich noch mehr.
„Rede endlich! Wie kann man nur so bescheuert sein? Weißt du eigentlich, in wessen Auto du da gestiegen bist?“
„Ich hatte meine Anweisungen!“ antwortete er.
„Wer?“ mischte sich nun Faith ein.
„Glauben Sie wirklich, dass ich Ihnen das sage? Das wäre Selbstmord.“
Mir platzte der Kragen. Blitzschnell zog ich meine Waffe aus der Halterung und hielt sie diesem Mistkerl unters Kinn.
„Wir können das auch gleich zu Ende
bringen!“
Faith legte eine Hand auf meinen Arm.
„Jack, lass das. Er wird nicht reden. Ich habe eine bessere Idee.“