Part 3
Der Unterricht war die Hölle. Das Mädchen saß an ihrem Platz, ganz hinten am Fenster, und sah hinaus. Sie sah jedoch nicht das, was dort draußen geschah, sondern ihre eigene Welt. Dazu hörte sie Musik über Kopfhörer. Die Lehrer bemerkten das nie. Außer dieses Mal. Die Lehrerin hatte das Mädchen aufgefordert, die gestellte Frage zu beantworten, was sie jedoch durch die Kopfhörer nicht hörte. Deshalb zog die Lehrerin ihr die Kopfhörer aus den Ohren und schrie: „Das ist genug, wir werden deine Eltern benachrichtigen!“
Nach dem Unterricht musste das
Mädchen zum Schulleiter. Beziehungsweise sie musste lediglich vor der Glasscheibe zu seinem Büro warten. Ihre Eltern saßen hinter dem Glas und diskutierten mit dem Direktor. Irgendwann öffnete sich die Tür, doch das Mädchen machte keine Anstalten aufzustehen. „Komm, wir gehen!“, forderte ihre Mutter harsch. Doch sie bewegte sich noch immer nicht. Warum auch? Ob sie sich hier stritten oder zuhause, wo wäre da der Unterschied. „Bist du taub? Wir gehen“, wiederholte die Mutter ihren Befehl, sichtlich ungeduldig. Das Mädchen stand auf, doch blieb sie ihrer Mutter gegenüber stehen und sah ihr in die Augen. „Nein“,
war das einzige was sie sagen konnte, bevor ihre Wange so sehr brannte, dass in ihr die Tränen aufstiegen. Sie hatte gar nicht realisieren können, dass ihre eigene Mutter sie geohrfeigt hatte. Wie konnte sie nur? Die Tränen wurden von purem Hass verdrängt. Sie sog die Luft scharf ein, dann drehte sie sich um und rannte den Flur entlang. Ihre Mutter schrie ihren Namen, doch er drang nicht zu ihr durch. Sie hasste diesen Namen. Es war nicht ihrer.
Sie rannte und rannte, durch die Flure der Schule, über den Schulhof und durch namenlose Straßen. Dabei rempelte sie immer wieder Menschen an. Diese waren empört und verlangten Entschuldigungen.
Doch das Mädchen war in einer Art unsichtbarer Schutzkugel. Nichts und niemand konnte ihr jetzt etwas antun. Nichts und niemand, außer ihre eigenen Gefühle und Gedanken. Diesen tosten in ihr wie ein Sturm. Tränen rannen über ihre Wangen und brannten sich in ihr Gedächtnis. Sie rannte und rannte, immer weiter, bis sie vor den Toren eines Parks erschöpft zu Boden sank. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr.
Doch dann, erst leise und immer lauter werden, drang ein Gitarrenspiel in ihren Kopf. Er beruhigte die Gedanken und schlichtete die
Emotionen.
Inside of me there rises a storm
From anger and frustration
My world´s collapsing
The floor underneath me
Breaks drown
And I´m falling inside
An ocan of darkness
It´s hard to breath
It hurts so badly!
Just let me be
Who I am
Why can´t you understand?
I´m not like you want me to be
You hurt me so much,
But I can´t do anything to stop you
So I´m broken inside
Sie hob den Kopf. Wer war das? War es nicht vielleicht auch egal? Der Song schenkte ihr neue Kraft, sodass sie aufstand und dem Gitarrenspiel in den Park folgte. Unter einer alten Eiche saß Chaos und spielte auf seiner Gitarre. Das Mädchen blieb einige Meter vor ihm stehen. Ohne es zu wissen hatte er sie gerettet. Doch sie konnte ihm nicht danken, noch nicht. Sie stand einfach nur da, unfehig sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Chaos ließ den letzten Akkord ausklingen und sah auf. Als er
sie erkannte, und auch ihre Situation, stellte er die Gitarre zur Seite und rannte auf sie zu. „Raity! Was ist passiert?“, fragte er und schloss sie in die Arme. Das Mädchen konnte seine Gefühle nicht länger unterdrücken. Sie begann zu weinen und konnte nicht mehr aufhören. Chaos stand einfach nur da, hielt sie fest und legte den Kopf auf ihren. Er wusste, dass Worte nicht stark genug waren.
