Vorbemerkung
Seit Helmut Kohl wissen wir, dass es jeden treffen kann. Jeder hat praktisch ein Anrecht auf einen sogenannten Black out, nicht nur der damalige Kanzler.
Mir scheint es auch einmal passiert zu sein.
Da ist man einfach neben der Spur.
(wegen neuer Abonnenten wieder eingestellt 28.12.2022)
Viel Spass!
Copyright: G.v.Tetzeli
Cover: Monika Heisig
www.welpenweste.de
Black out
Ich war allein gelassen. Nur kurz war die Freude, dass ich nicht unter dem Kommando meiner besseren Hälfte stand, denn plötzlich kam Langeweile auf. Selbst unser Hund Tobi konnte mich nicht aufheitern.
Nur den einen Tag wollte sie wegbleiben, Tante Klara besuchen. Ich hatte eigentlich nur die Aufgabe mit dem Hund Tobi Gassi zu gehen und ihn zu füttern.
Mein Essen war bereits angerichtet. Nur noch das Vorbereitete in die Mikrowelle geschmissen und fertig. Ich darf nämlich ansonsten die Küche nicht betreten.
Der Fernseher bot nur Ramsch als Programm an. Ein Computerspiel als Zeitvertreib kam
auch nicht in Frage, weil ich mich immer so ärgere, wenn ich verliere und das tue ich fast immer.
Ich sah mich um. Da fiel mir ein, dass der Handlauf an unserem Balkon an einer kleinen Stelle abgeblättert war und mich meine bessere Hälfte gebeten hatte, dies irgendwann mit einem Pinselstrich Lackfarbe auszubessern.
Also ab in den Baumarkt. Der Angestellte war behilflich.
„Mit dieser Lackfarbe blättert nichts mehr ab und außerdem ist sie schnell trocknend.“
Wir laberten fachmännisch.
Schließlich entschieden wir uns für ein passendes, sattes Grün. Der doppelt so große
Familien-Eimer war deutlich günstiger, wenn man sich das Verhältnis ausrechnete.
Wieder zurück, begab ich mich auf den Balkon. Den frisch gekauften Pinsel eingetaucht und los ging es. Nur ein Pinselstrich und das war‘s.
Die Farbe deckte wirklich wunderschön. Perfekt!
Doch halt!
Das Grün war um eine kleine Nuance dunkler, als der Rest des Handlaufs. Das ist nicht so wirklich prickelnd.
Macht nichts, dachte ich, dann wird eben der ganze Handlauf gestrichen. Er ist sowieso nicht mehr so glänzend, schon ein wenig abgenutzt und dreckig. Da spare ich mir nebenbei das Putzen.
Ich gab mir die größte Mühe und nach einer halben Stunde war ich fertig und stolz auf mich. Super!
Ein kleiner Farbklecks war auf den Boden gefallen und ich versuchte mit Benzin den Schandfleck weg zu waschen. Ich rubbelte und wischte. Es wurde aber leider immer schlimmer. Durch das drehende Reiben war der Fleck nun größer, dafür aber schön hellgrün. Was soll’s, dachte ich mir, dann streiche ich eben auch noch den Balkon Boden. Die grüne Oase in der Großstadt, das erfreut doch das Herz.
Nachdem ich den Balkon leer geräumt hatte, begann ich. Ich bin natürlich so organisiert,
dass ich am Schluss noch durch die Balkontür in das Wohnzimmer kam, ohne durch die Farbe laufen zu müssen.
Schon nach fünf Stunden war das Werk vollbracht und es sah wirklich aus, wie wenn ich in Borneos Dschlungel stehen würde. Natürlich erst, wenn die Farbe trocken war. Ich war stolz und wischte mir über das Schweiß nasse Gesicht.
Tobi, die Hundeseele, jaulte schon seit einiger Zeit so merkwürdig, also ging ich mit ihm Gassi.
Die Leute schauten alle fassungslos. Die brauchen sich gar nicht so wichtig machen. Alle Nase lang sieht man Menschen mit roten, gefärbten Haaren, mit Irokesen-Schnitt,
Piercing und ähnlichen Verunstaltungen. Da ist doch ein grüner Hund nichts Besonderes!
Zu Hause prüfte ich den Balkon. Die Farbe war trocken. So stellte ich die grünen Blumentöpfe wieder heraus und goss mir ein kühles Bier in das grüne Glas ein. Ich rollte die grüne Markise aus und fand, dass der grüne Tisch sehr gut zu den Gartenstühlen passte. Die grüne Dekoschale mit grünem Obst gefiel mir ebenfalls.
Da klingelte es.
Es war bestimmt meine bessere Hälfte. Sie klingelt immer so lieb, um sich anzukündigen.
Als ich durch die Urwald-Diele hastete, rückte ich mir die grüne Krawatte zurecht.
Wie würde sie sich über den neuen Kleider-
schrank und die Garderobe im Flur freuen, von der Toilette, dem Waschbecken und der Badewanne ganz zu schweigen!
Die grüne Pfanne auf dem Ceranfeld in der Küche freute meine Holde bestimmt. Dieser farbliche Gegensatz!
Und im Ofen kann man von außen wesentlich schlechter das Bratgut beobachten, wenn die Röhre schwarz oder grau wäre.
Außerdem hatte ich gut eingeteilt. Der Eimer Farbe war fast leer.
Als ich öffnete, um sie zu begrüßen, merkte ich, dass die Farbe an der Klinke noch nicht ganz trocken war. Verschämt schmierte ich sie mir an der grünen Hose ab.
Mit ihren neuen, grünen Pumps würde ich sie
erst ganz zum Schluss überraschen.
Hallo liebes Schnucki, willkommen in Deinem neuen Heim!