Humor & Satire
Zum Dichten berufen

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"Zum Dichten berufen"
Veröffentlicht am 22. Januar 2016, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Zum Dichten berufen

Zum Dichten berufen

Zum Dichten berufen

Seine erste Dichtung geschah zwischen Trotzphase und Pubertät. Aus gequälter Seele quoll ihm:

Mein Vater ist doof, meine Mutter ist dumm,

ich bringe die beiden irgendwann um;

dann wandre ich aus nach Amerika

mit meiner Freundin Veronika. 

Selbige riet ihm, Dichter zu werden. Er wollte Autoschlosser werden. Als solcher bekomme er schmutzige Hände und Hemden, sagte sie. Als Dichter bleibe er rein. Er wurde ein solcher. Nebenberuflich. Hauptberuflich Autoschlosser. Er dichtete Motorzylinder und Gedichte, von denen

eines gefiel. Und zwar dem Redakteur der Heimatzeitung. In der war es veröffentlicht und lautete:

Es schafft der Mann von früh bis spät,

auch dann, wenn er zu Bette geht;

wenn er am Morgen schlaff erwacht,

weiß er, er hat ein Kind gemacht.  

Manche wünschten eine Fortsetzung des Gedichts. Vor allem Mütter. Sie hofften auf ein gesundes und sittliches Wachstum des Säuglings. So setzte der Poet fort:

Im Kinde schlummern Kräfte,

es sind des Vaters Säfte,

die er als Mann in Damen 

ergießen lässt als Samen.

 Die Verzückung der Leser nahm zu. Vor

allem werdende Männer und Frauen verlangten nach weiterem. Lüsterne Greise nicht minder. Die Heimatzeitung gab gedruckt wieder:        

In einer schlägt er nieder

und wölbt ihr Brust und Mieder,

und blüht der weißer Flieder,

kommt sie mit Nachwuchs nieder.

Die Leser zeigten sich beeindruckt. Am Wohnhaus des Autoschlossers wurde eine Gedenktafel angebracht. Ihr Wortlaut würdigte sein Verdienst um die Bereicherung der deutschen Literatur schon zu seinen Lebzeiten. Nach seinem Tode werde die Stadt berühmt sein und von  Literaturenthusiasten beiderlei Geschlechts durchschritten. Die

Gedenktafel wies in Goldschrift sein Geburtsdatum aus. Der Zeitpunkt seines Hinscheidens war frei gelassen. Man versprach ihm, diesen umgehend einzutragen, sobald er sich Gott empfohlen habe. Sein literarischer Nachlass werde in guten Händen und im Haupttresor der Sparkasse liegen. Vielleicht ließe sich in späterer Zeit aus diesem Gewinn machen. Der würde zur Pflege seines Grabes verausgabt. Das schönste aller Gräber werde ihm zuteil. Auch im Tode solle er sich wohl fühlen.

Unterschiedlich wohl fühlte er sich zu Lebzeiten. Nach drei gescheiterten Ehen und dem damit verbundenen Verlust dreier Schwiegermütter erreichte er

gesund das Rentenalter. Er hinterließ drei Kinder, in jeder Ehe eins. Durchweg Mädchen. Mit seinem Dahinsein würde auch der Familienname dahin sein. Die Gedenktafel bewahrte ihn. Die sie geschaffen und befestigt hatten, waren inzwischen verblichen. Deshalb trug er sich mit dem Gedanken, sein voraussichtliches Sterbejahr selbst einzutragen. Der Herrgott band ihm aber die Hände und schenkte ihm reichlich Altersfreude. Vor allem die, nicht in einem Altersheim vegetieren zu müssen. Der grassierenden Furcht vor Alzheimer begegnete er mit der Schaffung weiterer poetischer Einfälle. Die wollte aber niemand mehr lesen. Die Leselust der

nachgewachsenen Generation beschränkte sich auf die Lektüre verstümmelter Facebook-Mitteilungen. Seine lyrischen Ergüsse dort vorzustellen ersah er als Werfen von Perlen vor die Säue.  Unterschiedlich wohl fühlte er sich zu Lebzeiten. Nach drei gescheiterten Ehen und dem damit verbundenen Verlust dreier Schwiegermütter erreichte er gesund das Rentenalter. Er hinterließ drei Kinder, in jeder Ehe eins. Durchweg Mädchen. Mit seinem Dahinsein würde auch der Familienname dahin sein. Die Gedenktafel bewahrte ihn. Die sie geschaffen und befestigt hatten, waren inzwischen verblichen. Deshalb trug er

sich mit dem Gedanken, sein voraussichtliches Sterbejahr selbst einzutragen. Der Herrgott band ihm aber die Hände und schenkte ihm reichlich Altersfreude. Vor allem die, nicht in einem Altersheim vegetieren zu müssen. Der grassierenden Furcht vor Alzheimer begegnete er mit der Schaffung weiterer poetischer Einfälle. Die wollte aber niemand mehr lesen. Die Leselust der nachgewachsenen Generation beschränkte sich auf die Lektüre verstümmelter Facebook-Mitteilungen. Seine lyrischen Ergüsse dort vorzustellen ersah er als Werfen von Perlen vor die Säue. 

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Gast Also mein Schwein würde es nicht anrühren
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Doch du hast es angerührt.
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