insane in the brain
Franks Kopf kochte förmlich. Trotz der eher kühlen Raumtemperatur in seiner Zelle bildeten sich auf seiner Stirn unzählige kleine Schweißtröpfchen. Einzelne davon verbanden sich zu größeren Tropfen und rannen langsam über die Schläfen oder zwischen Nasenbein und Augen herab. Das Salz brannte in den Augen aber Frank nahm diesen Schmerz körperlich nicht wahr. Für Außenstehende starrte er unentwegt an die Decke. Tatsächlich jedoch fiel kein Licht in seine schwarzen Pupillen, womit sich auf
seiner Netzhaut auch keine Bilder abzeichneten, die wiederum vom Gehirn in aktive Wahrnehmung umgesetzt werde könnte. Alles, was Frank gerade erlebte, fand ausschließlich tief in seinem Kopf statt. Es begann immer auf dieselbe Weise. Frank betrachtete sich selber aus einer fremden Perspektive. Er sah sich auf seinem Bett liegen. Nur er auf seinem Bett. Außenherum war immer alles schwarz. Dann begannen die Ereignisse. In dieser Nacht fielen Millionen Tennisbälle auf ihn herab. Allerdings waren sie nicht luftig und flauschig, wie man Tennisbälle kennt. Sie prallten nicht von seinem Körper und
vom Bett ab. Die Bälle waren massiv und extrem schwer. Sie mussten aus Blei oder Beton sein. Wie ein Vorhang begann der Bälleregen bei den Füßen. Die ersten Bälle schlugen in die Matratze ein. Sie hüpften nur ganz leicht, soviel wie die Matratze es den schweren Kugeln ermöglichen konnte. Der erste Ball streifte Franks linken Fuß und knickte dabei den großen Zeh in Richtung Fußsohle ab. Statt direkt nach oben zeigte er nun in einem unnatürlichen Winkel waagerecht zum Ende des Bettes. Wie ein Blitz durchzog Frank ein Strahl des Schmerzes von der Zehenspitze bis hoch in sein Gehirn.
Dieser Blitz schlich förmlich ermüdend langsam durch die Nervenbahnen. Im Gehirn angekommen entzündete dieser Blitz ein Feuerwerk an Schmerzen. Frank hatte gar keine Zeit sich darauf zu konzentrieren, denn der Vorhang aus Bleibällen bewegte sich Millimeterweise über seinen Körper voran. Die Schienbeine knackten und schmatzten bei jedem Treffer. Manche Bälle blieben direkt dort liegen, wo sie eingeschlagen sind. Frank war nicht im Stande sich zu bewegen. Er war dem Regen hilflos ausgesetzt. Die Bälle rückten weiter voran. Die Kniescheiben wurden zermalmt und nahmen den Beinen die
gewohnte Spannung, sodass die Knie kein Dreieck in Richtung Decke bildeten, sondern nach unten durchhingen.
Die Oberschenkel boten ein wenig mehr Wiederstand durch die natürliche Muskelmasse über den Knochen, jedoch konnte auch die Schicht an Fasern den Knochen am Ende nicht schützen. Die schwersten und stabilsten Knochen im menschlichen Körper barsten und splitterten unter dem unbarmherzigen Dauerbeschuss der Tennisbälle. Der Hüftknochen bot eine wunderbare Spielwiese für die Bälle. So viel
Material, welches zermalmt werden konnte. Seine Genitalien wurden unter zwei aufeinanderprallende Kugeln bis zur Unkenntlichkeit zerdrückt.
Die Schmerzwellen fuhren durch seine Nervenbahnen wie ein Autoscooter auf einer Achterbahnanlage ohne Stop. Jeder Bereich seines Körpers wurde durch puren Schmerz durchflutet. In Franks Gesicht waren die einzigen Zeugen davon die kleinen Schweißperlen. Er zuckte nicht ein einziges Mal. Auch nicht während die Bälle seine Bauchhöhle ausfüllten, jede einzelne Rippe mindestens an zwei
unterschiedlichen Stellen brachen. Der Vorhang überdeckte Frank beinahe vollständig. Er ließ exakt zwei Stellen aus. Sein Herz und seine Augen.
Auf den Überwachungskameras in seiner Zelle war davon nichts zu sehen. Für die Wachmänner an den Bildschirmen lag er auf seinem Bett wie in jeder Nacht und starrte die Decke an. Die Auflösung der Kameras war nicht einmal hoch genug, um die schweißnasse Stirn erkennen zu lassen. Die LCD Screens zeigten einzig einen alten, verbrauchten Mann, der unter Insomnie, also Schlafstörung litt.
So fingen die Kameras auch nicht ein, wie die Bälle alle wieder verschwanden und dem Körper die Möglichkeit boten sich mit dem Blut aus den geplatzten Gefäßen zu füllen. Die Haut spannte während sie sich dunkelblau verfärbte. Wie bei einem Hochschwangeren Bauch bildeten rissen die einzelnen Hautschichten an verschiedenen Stellen und zeichneten über den gesamten Körper ein Muster wir bei einem Zebra bis die dünne Haut an den Schienbeinen schlussendlich riss und platzte. Frank erwartete nun in Alptraum zu verbluten. Aus der Wunde schoss aber nicht wie zu erwarten rotes, flüssiges Blut heraus und
ließ die aufgeblähte Haut wieder einsinken. Stattdessen quoll eine schwarze klebrige Masse daraus hervor und überzog Franks Körper Zentimeter für Zentimeter bis er bis auf zwei Stellen völlig wie mit Pech verklebt aussah. Die Masse brannte auf seiner Haut, sie ätzte sich in die geschundene und Wunde Haut. Sein Herz und seine Augen blieben auch hiervon ausgenommen. Die schwarze Masse härtete von einem Moment auf den nächsten aus und kleidete Frank nun wie in gebrannten Lehm ein. Er hatte hier bei etwas von den Terrakotta-Kriegern aus China. Dann wurde die Kruste von
einem feinen Netz aus Linien überzogen durch welche gleißend grelles Licht schoss und die Kruste zum Zerbersten brachte. Aus dem Licht schlugen Flammen und Franks Körper brannte lichterloh. Das Pensum an Schmerzen war nicht zu beschreiben und Frank konnte es zwar nicht spüren, aber er wusste, es gab zwei Stellen seines Körpers, die unversehrt geblieben sind.
Die unvorstellbaren Peinigungen dauerten über Stunden durch die ganze Nacht. Nacht für Nacht. Es war immer derselbe Vorgang. Erst wurde sein Körper zermalmt. Durch die ein oder
andere perfide Art und Weise. Danach wurde er in verschiedenen Formen verhüllt, nur um anschließend zu verbrennen. Durchbrochen wurde dieser gesamte Zyklus immer auf dieselbe Weise. Um fünf Minuten vor fünf Uhr morgens, so als ob ein Schalter umgelegt wird, ertönt ein rhythmisches Pochen in Franks Kopf. Mit jedem Schlag repariert sich sein Körper wieder wie von Geisterhand. Um exakt fünf Uhr ist sein Zustand wieder hergestellt und Frank schließt die Augen. Was bleibt, wenn man ganz genau hinhört ist das Schlagen seines Herzens.