Seine Haut fühlte sich kalt an, als er so vor ihr saß. Kalt und das obwohl er schwitzte. Der beißend scharfe Geruch drang durch die Luft direkt in die Nase der Frau, die hinter ihm stand, während er mit gekrümmten Rücken auf einem für ihn viel zu kleinen Hocker saß.
Sie selbst schien aber auch nur wenig in die kleine Hütte zu passen in der sie sich gerade befanden. Das Holz aus der das Häuschen bestand war alt, schon mehrmals geflickt worden an den Wänden, die Tür hing leicht schief und bestand selbst nur aus dünnen Holzplatten, die aneinander genagelt
wurden so gut es nun einmal mit einer ungelehrten Hand ging.
In einem Teller standen drei dicke Kerzen in abstufender Größe, die mit kleinen Flammen vor sich hin flackerten und auch nur gut dafür waren, die unmittelbare Nähe zu erhellen.
Aber es musste jetzt reichen. Die Frau, mindestens dreimal so breit wie der Mann selbst, hatte ihre Ärmel der einstmals weißen Bluse hoch gekrempelt. Ihre Haare waren unter einem locker sitzenden vergilbten Tuch versteckt. Nur die ein oder andere Strähne hatte sich freigekämpft und hing ihr ins Gesicht. Sie schnaufte, als sie das Tuch von der Schulter des Mannes nahm und es wieder
in die Schüssel mit Wasser neben sich auf dem Tisch klatschen ließ. Das Wasser spritzte hoch und landete teils wieder in der Schüssel, teils auf dem massiven, aber grob verarbeiteten Holztisch. Das Wasser in ihr war dunkel und obwohl es neben den Kerzen stand, erschien es einem als würde man in die Dunkelheit selbst fassen. Blut hatte dieses so dunkel gefärbt, wie die Nacht.
Der Mann stöhnte auf und zog den Kopf ein, als die Frau, die er damals als seine Frau auserwählt hatte, ihm wieder schmerzvoll die Hände an die Schulter legte. Sie waren grob und ein bisschen dick, wie kleine Würste. Sie war gut genährt und eine starke Frau. Das waren
Eigenschaften, die er damals sehr geschätzt hatte an ihr und auch heute, obwohl sie ihm so sehr weh tat, immer noch gefielen.
Sie grunzte ihm entgegen, er solle sich nicht so anstellen und darauf hin versuchte er den Mund zu halten. Brennende Sterne jagten ihm durch die Schulter in den Kopf und er fing sie an vor sich zu sehen, so dass er die Augen stark zusammen kneifen musste, um sich nicht von ihnen irritieren zu lassen. Schmatzend griff sie mit ihren dicken Fingern in die klaffende Wunde auf seinem Rücken und führte sie zwischen die zwei auseinander getriebenen Hautlappen ein. Das Blut lief ihm warm
über den Rücken und jagte ihm einen Schauer nach dem anderen durch den Körper. Vielleicht wäre es gar nicht so dumm gewesen seine Lederrüstung zu tragen. Schließlich war der Winter auch schon am Aufbrechen und das ein oder andere Haar mehr auf der Brust half dann auch nicht mehr weiter. Er würde schon bald die Pelze aus dem Lager nehmen müssen, um sich warm anzuziehen.
Der Mann schnaufte schwer und brach mit dem Oberkörper wieder nach vorne aus, so dass die Frau mit ihm gehen musste. Während sie mit der einen Hand in seiner Wunde fingerte, hielt die andere ihn an der Schulter fest.
"Wenn du doch bloß auf mich gehört hättest, du alter Narr!", schimpfte sie und nahm wieder die Hände von ihm, griff nach dem Tuch und drückte es so gut es ging aus, bevor sie es ihm wieder auf die Schulter legte. Sie ließ ihm nicht einmal Zeit aufzuatmen, sondern fing an die Wunde wieder abzuwischen, damit das Blut nicht im Weg war und man sehen konnte was sie machte.
Sich ihr zu widersetzen, würde ihm nur noch mehr Schmerzen bereiten, weswegen er nur grunzte und ein schiefes Grinsen auflegte, solange seine Augen vor Schmerz tränten und verschwommen auf den kleinen Ofen vor
ihm blickten. Auch wenn der Hagel an Schmerzen unausstehlich war, so konnte er ihr nur danken, dass sie sich noch immer um diesen Dummkopf, den er sich selbst nannte, kümmerte.
Qualvolle Stunden vergingen, bis endlich etwas auf den Tisch fiel und sich die kräftige Frau zurück lehnte.
"Nie wieder schicke ich dich auf die Jagd...Dümmer kann man doch nicht sein. Halbnackt und dann auch noch betrunken...", keifte sie weiter und schlug ihm sogar, als wäre sie skrupellos und hätte gar kein Mitleid mit ihrem leidenden Mann, auf den Hinterkopf.
"Ein Dummbeutel muss man sein wie du...Hat wohl ein Ochse in den Kopf geschissen, bevor man dich in die Welt entließ..."
Doch sobald sie sich über seine Fehler ausgelassen hatte, kümmerte sie sich wieder um die Wunde, säuberte sie und schmierte eine Salbe darauf, die ihm wieder die Feuerwalze über die Schulter jagte. Dann legte sie mit sanfter Hand und Präzision den Verband an, bevor sie sich von ihm abwandte und an den Ofen ging, um diesen anzufeuern.
Der Mann saß derweil schwer schnaufend da, doch statt wütend zu sein, obwohl die Vorwürfe schmerzten, lächelte er sie
an und sein Gesicht erhellte sich mit dem brennenden Feuer das sie machte.
"Ich liebe dich doch.", gab er ihr in einem zärtlich brummenden Ton zu verstehen, als würde dies alles besser machen, und hoffte sie würde sich neben ihn setzen. Doch sie ging fort, nahm die Pfeilspitze die im Rücken des Mannes noch gesteckt hatte und die Schüssel, als auch das Tuch mit sich. Eine Weile lang saß er alleine da und blickte in die rötlich gelben Flammen, die leise vor sich hin knisterten. Bis er eine warme Decke auf seinen Schultern spürte und wie sich seine Frau einen Hocker schnappte und sich neben ihn setzte.
"Du raubst mir das letzte kleine bisschen
Verstand, alter Narr...", entgegnete sie ihm und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
Sie warfen sich gerne Beleidigungen und schlimme Vorwürfe an den Kopf, doch verstand jeder von den beiden, dass sie es taten, weil es ihnen in diesem Moment nicht gut ging. Beide verstanden, dass sie sich Sorgen gemacht hatte und nun wütend war, dass er so unvorsichtig war und dann auch noch verletzt wurde. Beide verstanden, dass er nur betrunken war, weil man ihnen das letzte bisschen Korn als Steuerzahlung genommen hatte und dann aus Verzweiflung jagen gehen wollte, weil sie sonst für den Winter nichts mehr zu essen haben würden. Und
so saßen sie da und auch wenn sie nichts hatten, so hatten sie sich und wenn die Welt um sie herum einbrach, so verstanden sie wenigstens, die Welt des anderen zu erhalten...