Kurzgeschichte
Fröhliche Weihnachten

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"Fröhliche Weihnachten"
Veröffentlicht am 14. Januar 2016, 6 Seiten
Kategorie Kurzgeschichte
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Über den Autor:

Lebe meine Träume, pflege meine Laster, denke positiv. Bin wie ich bin und manchmal anders
Fröhliche Weihnachten

Fröhliche Weihnachten

"Nur einen kleinen Moment ausruhen“ , seufzt Frieda Holsteiner und stellt ihre schweren Einkaufstüten mit den Weihnachtsgeschenken vorsichtig auf die Bank am Brunnen. Um sie herum nur eilende Menschen und hektisches Treiben. Sie schüttelt verständnislos den Kopf und blickt auf den Weihnachtsbaum vor dem Kaufhaus am Alexanderplatz. Sie denkt an die Zeit zurück, als sie noch mit ihrem Mann und den Kindern in einer Kleinstadt wohnte und die ganze Familie gemeinsam feierte. Heute lebt sie in einem Seniorenheim in Berlin, nicht weit entfernt von der Wohnung ihres ältesten Sohnes. Erschreckt blickt sie auf, als ein kleiner Junge plötzlich vor ihr steht. "Kannst du auch so

schöne Schiffe kniffen wie mein Opa“, fragt er Frieda und hält ihr eine Zeitung hin. „Mal sehen, es ist lange her, das ich es probiert habe“, antwortet sie und beginnt die einzelnen Bogen mehrfach zu kniffen. „Ob die aber auch mit Passagieren schwimmen“ ruft neugierig der Junge, greift in die Hosentasche, holt eine Schnecken mit Haus hervor, setzt sie in das größte Schiffchen und stößt es ab. „Wo hast du die denn her?“, ruft Frieda entsetzt. „Von meinem Opa, der züchtet sie für seine Laufenten, damit die im Winter nicht ihren Appetit verlieren. Im Sommer verleiht er sie zum Schnecken vertilgen an die Nachbarn, damit ihr Salat und die Erdbeeren nicht abgefressen werden", sagt Fabian stolz und läßt eine weitere

Schneck langsam am Brunnenrand entlangkriechen. „Wie heißt du denn und wo wohnst du ?“, fragt ihn Frieda und muss schmunzeln. „Ich bin der Fabian, wohne mit meiner Mama in Klein Machwitz und besuche jetzt, zu Weihnachten, meinen Papa hier in Berlin. Der arbeitet bei der Regierung. Mein Opa sagt, er passt dort auf, damit jeder auch das macht, was er soll.“ „Papa, Papa, die Frau hier kann genauso schöne Schiffchen kniffen wie Opa“, ruft Fabian dem Mann zu, der schon seit einiger Zeit am Brunnen ununterbrochen an seinem Smartphon hantiert. Der blickt kurz auf, kommt auf beide zu, nimmt Fabian an die Hand und geht, immer

noch telefonierend, mit ihm über die Straße. Oben, über ihren Köpfen, donnert auf der Eisenbahnbrücke, die S-Bahn an den weihnachtlich geschmückten Häusern Berlins vorbei.


Frieda schaut den beiden noch ein Weilchen nach. Fabian hüpft fröhlich hin und her. Als sein Papa das Smartphon endlich einsteckt, zieht er eine Schnecke aus der Hosentasche und legt sie ihm auf die Hand. Angewidert wirft er sie im hohen Bogen auf die vielbefahrene Straße.


"Fröhliche Weihnachten lieber Fabian", murmelt

Frieda Holsteiner leise, nimmt ihre Einkaufstüten und geht langsam nach Hause.



Text: Martina Wiemers

Buchcover: kostenloses Bild von nw.de

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Kornblume
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EllaWolke Zack - mitgenommen und stehengelassen!
Nicht "dumm" bleibt man zurück - nein
Du schenkst Einblicke die zu Weitblicken werden dürfen
DANKE dafür
Liebe Grüße Ella
Vor langer Zeit - Antworten
MerleSchreiber Irgendwie stehe ich auf deine komprimierten Geschichten, liebe Kornblume. Du schreibst auch hier wieder kein Wort zu viel, verwendest kurze, klare Sätze. Jedoch schaffst du es auch hier wieder hervorragend, (wie schon bei der 1. Challenge mit der Begegnung im Zug) den Leser emotional einzufangen und mitzunehmen, um ihn dann zum Ende hin die Botschaft deiner Story selbst erkennen und fühlen zu lassen. Wirklich gut!
Liebe Grüße, Merle
Vor langer Zeit - Antworten
Tintenklecks Eine Geschichte mit großem Symbolgehalt. Da haben wir einerseit Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, die durch die Schiffe, die Passagiere, also die Schnecken und ihren erwendungsszweck und die Aufgaben der handelnden Personen skizziert werden. Schön auch, dass eben der Jüngste sich im Jetzt und in Gedanken in der Zukunft aufhält, während der Vater nur in einem kleinen "Jetztausschnitt" verbunden ist mit seinem Smartphone, aber nicht wirklich in der Welt zu Hause ist. So wird wohl auch das Ergebnis seiner Arbeit aussehen. Spannend die Großmutter, der du die Fähigkeit geschenkt hast, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit ihrem Tun zu vereinen so das symbolisiert, was man Phantasie nennt.
Das Thema könnte man auch traurig kitschig gestalten. Doch du hast einen sehr lakonischen Sprachstil gewählt, der fast ins Journalistische geht. Dadurch lenkst du die Aufmerksamkeit auf die Facetten der Geschichte, die sehr vielfältig sind. Ein kleiner Edelstein, fast perfekt geschliffen. Es wäre schön, wenn Du beim Teaser "Challenge" statt "Callenge" schriebest und auf S. 5 oben die "Schnecken" in die Einzahl setzen würdest.
mit einer Verbeugung vom Tintenklecks
Vor langer Zeit - Antworten
Kornblume So einen tollen Kommentar habe ich ja noch nie erhalten. "Danke lieber Klecks, auch für das Fehlerfinden", sagt die Kornblume
Vor langer Zeit - Antworten
Brianna_W Eine sehr schön geschriebene Geschichte, in der leider viel Wahrheit steckt. Hoffentlich sieht Fabian seinen Vater nicht allzu sehr als Vorbild. ;-)

Den Vater, der nichts mitbekommt, hätte man zum Schluss hin wirklich noch etwas ausschmücken können (siehe Anregung von Antje), aber ansonsten hab ich nichts zu meckern. :-)

LG brianna
Vor langer Zeit - Antworten
Dilettant Schiffe falten und Schwalben, das sind Kindheitserinnerungen.
Danke

D.
Vor langer Zeit - Antworten
Frettschen Nachdenkliche Zeilen über unser Hier und Jetzt. Wir leben in einer Welt, in der die Werte kräftig durcheinander geschüttelt wurden. Da wird manches Mal eine Nachricht am Handy wichtiger, als ein Kind. Die Ruhe bleibt völlig auf der Strecke und alle schreien nur "Burn Out"! Man sollte sich wirklich mal einfach an den Rand setzen und zum Zuschauer werden. Schnell sieht man die Lücken in unserem modernen Leben. Man muss es nur tun!
Gut, dass du diese Geschichte verfasst hast - so werden wenigstens wir Leser kurz innehalten und zu uns kommen - sofern dein Text verstanden wurde.
Vor langer Zeit - Antworten
Lessa Bin ich froh, dass mein Handy tatsächlich noch kein Smartphone ist. Diesem Vater hätte ich die Leviten gelesen.

Schöne Geschichte! Die Probleme mit der Formatierung treten auch bei mir auf.
Vor langer Zeit - Antworten
Memory 
Sehr gut gelungen. Abgesehen davon, dass du alle drei Fotos hervorragend verwortet hast, ist deine Geschichte sehr nachdenkenswert.
Ich frage mich auch oft, wie das noch weitergehen wird. Es wird immer schlimmer mit der Handy-Manie. Und da der Sohn eh nur zu Besuch bei seinem Vater ist, sollte der doch jede Minute nutzen.
Traurige Wahrheit ...
Zu Meckern habe ich auch nichts.
Liebe Grüße
Sabine
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Ja, das kenne ich nur zu gut. Habe ich oft genug gesehen und jedesmal ärgere ich mich. Ob die kleine Schnecke auch soviel Glück hat wie Opa Schnecke? Lg Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
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