Humor & Satire
Deutschunterricht - Das Grauen eines jeden Schülers

0
"Grammatik - 4.Lektion = Leg dich niemals mit deinem Lehrer an!"
Veröffentlicht am 12. Januar 2016, 14 Seiten
Kategorie Humor & Satire
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

» Es ist meine feste Überzeugung, dass romantische Liebe eine Illusion ist. Sie ist ein nutzloser Schutzschild gegen den existenziellen Schrecken, der in unserer Einzigartigkeit liegt. Ohne die Liebe bin ich frei, ein sinnvolles Leben zu führen. « (S.H.)
Grammatik - 4.Lektion = Leg dich niemals mit deinem Lehrer an!

Deutschunterricht - Das Grauen eines jeden Schülers

Als die Schüler aus der Pause zurück in den Klassenraum kamen, erwartete sie nicht der sonst so gemütliche Klassenraum, der vollgestellt mit Gerümpel, alten Weltkarten, Holzkisten, Bücherregalen, bunten Bildern und Postern war, sondern ein aufgeräumter, blitzblanker Raum, mit ordentlich aufgestellten Stühlen, einer geputzten Tafel und einem gefegten Boden. Die Papierkügelchen, die während der Mathestunde durch den ganzen Raum geflogen waren, waren verschwunden und auch die unzähligen Rechnungen und Zeichnungen an der Tafel waren nicht mehr zu sehen. Verwundert blickten sich die Schüler um und huschten dann leise

tuschelnd und murmelnd auf ihre Plätze. Am Lehrerpult saß ein sehr stattlicher Mann mit einer wirklich sehr gewaltigen Körperfülle und krakelte eifrig einiges in ein kleines Notizbuch. Dabei schaute er unentwegt auf die Uhr und schielte über seine Brille hinweg ständig zur Tür um zu vermerken, wer hereinkam. Als alle Schüler auf ihren Plätzen saßen und gespannt auf ihre neue Lehrperson starrten, klappte dieser plötzlich mit Schwung das kleine Notizbüchlein zu und schlug es auf den Tisch. Erschrocken zuckten einige Schüler zusammen. „Es ist 11.32 Uhr! Die Stunde hat vor zwei Minuten begonnen und ihr seid jetzt erst da! Und eure Sachen liegen auch noch

nicht auf den Tischen!“, giftete er direkt drauf los und blickte die Schüler aus seinen kleinen Schweinsäuglein, die hinter seinem runden Gesicht fast verschwanden, verärgert an. Immer noch leise flüsternd begannen die Schüler ihre Sachen auf den Tisch zu legen und raunten dem Sitznachbarn ihr Entsetzen über den ersten Eindruck des Lehrers zu. „Franzen. Deutsch und Pädagogik. Geboren 1962. Studium in Erfurt. Noch Fragen?“ Mit harten Sätzen bombardierte er seine Schüler und trommelte dabei mit den Fingerspitzen auf dem Pult herum. „Ich habe aus dem Klassenbuch erfahren“, er hob ein Heft in die Höhe und ließ es auf den Tisch knallen, „dass

ihr dieses Jahr so gut wie gar nichts gelernt habt. Das ändert sich jetzt!“ Sein Blick schweifte über die Schüler hinweg, die sich vielsagende Blicke zuwarfen und schon auf das Schlimmste vorbereiteten. „Ich will, dass ihr am Ende des Schuljahrs den Lehrplan fertig habt. Deshalb: Kein langes Rumquatschen und stundenlanges Ausführen. Sondern: Arbeiten. Montags: Test über die letzten Stunden. Freitags: Wiederholung des wöchentlichen Inhalts. Ab jetzt ist Schluss mit dem Rumgeplärre, wir sind nicht mehr im Kindergarten.“ Seine karge Wortwahl ließ ihn wie einen Soldaten klingen, auch wenn seine Figur der eines wohlgemästeten Schweins

entsprach. Die Schüler warfen sich entsetzte Blicke zu und fingen an, heftig über die neuen Regeln zu diskutieren und sich zu beschweren. „RUHE!“ Er knallte die flache Hand auf den Tisch und funkelte in den Raum. „In diesem Raum gibt es nur eine Person, die redet. Und das bin ICH! Wenn ich will, dass einer von euch was sagt, dann nehme ich euch dran!“ Er bellte diese Worte in den Raum wie eine Morddrohung. Einige Schüler wurden ganz klein und verschwanden fast unter der Tischkante, andere schauten sich einfach nur genervt an und wieder andere warfen sich wütende Blicke zu. So hatte sie noch nie jemand behandelt! „Laut Lehrplan müsstet ihr eigentlich

schon bei den Befehlsformen sein. Wer kann mir sagen, was Befehlsformen sind?“, fuhr er plötzlich wieder kalt und gelassen, seelenruhig fort und klopfte dabei sachte auf sein Notizbuch. „Du da! Ja du, mit dem gelben Pulli! Was sind Befehlsformen?“ Der angesprochene Junge schaute sich, vollkommen perplex und überrascht, erstaunt um und stotterte dann etwas von „Kriegsanweisungen“ und „König und Kaiser“. Herr Franzen ließ ihn gar nicht erst ausreden, notierte sich nur etwas in seinem Büchlein und unterbrach ihn dann einfach. „Ja ja, das ist einfach nur Mist was du da sagst.“ Er schaute sich im Raum um und sein Blick blieb an einem schwarzhaarigen Mädchen

hängen, das eifrig etwas auf ein Blatt schrieb. „Du da hinten!“, ein Junge neben ihr rammte ihr seinen Ellenbogen in die Seite und sie blickte verärgert auf. Als sie merkte, dass Herr Franzen sie auffordernd anschaute, wurde sie hochrot und ließ ihren Stift schnell fallen. „Befehlsformen!“, donnerte Herr Franzen und wartete ungeduldig auf eine Antwort. „Äh… ja…“, stotterte das Mädchen herum und setzte sich dann aufrecht hin. „Befehlsformen“, sie räusperte sich und schaute sich unsicher um. „Befehlsformen, im Deutschen auch Imperativ genannt, verwenden wir für Aufforderungen und Befehle, bei denen wir eine oder mehrere Personen

ansprechen.“ Herr Franzen nickte, notierte wieder etwas in seinem Büchlein und hob dann den Arm um auf einen anderen Schüler zu zeigen. „Du da hinten!“ Ein Junge in der letzten Reihe zeigte mit dem Daumen auf sich und setzte sich aufrecht hin. „Ja du. Bei welchen Personen verwenden wir den Imperativ?“ Er schlug sich mit der flachen Hand aufs Handgelenk und schaute den Jungen, der nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte, fordernd an. „Ja bitte ich höre!“ Der Junge schaute sich hilfesuchend zu allen Seiten um und nuschelte dann „Bei du, ihr, wir und Sie?“ „Bitte was, ich habe kein Wort verstanden! Könntest du

vielleicht was lauter reden?“, plärrte Herr Franzen zurück und reckte ein Ohr zu den Schülern, um das Gesprochene besser verstehen zu können. „Bei Du, Ihr, Wir und Sie!“, wiederholte der Junge lauter und wartete nervös auf eine Reaktion seitens des Lehrers. Der machte einen Kringel in sein Buch und nickte dem Schüler zu. „Beispiele?“, fragte er dann laut in den Raum und schaute sich nach einem Schüler um, der sich meldete. Als ein Mädchen zögernd den Arm hob, deutete er mit der Hand auf sie. „Bleib stehen...“, quietschte sie aufgeregt in den Raum und reckte sich ein Stück in die Höhe. Herr Franzen nickte wieder nur und konterte dann. „Befehlsformen

sollten nicht ausgesprochen wie Wünsche, sondern wie Befehle! BLEIB STEHEN!“ brüllte er dann unerwartet in den Raum und alle Schüler fuhren erschrocken in die Höhe. „Der nächste!“, fuhr Herr Franzen unbeirrt vor und nahm einen Jungen in der letzten Reihe dran, der schon Schadenfroh grinste. „SCHNAUZE!“, brüllte er zufrieden in den Raum und wartete stolz auf ein Lob vom Lehrer. Doch statt der erhofften Reaktion zückte Herr Franzen nur seinen Stift, knallte ein paar Zeichen in sein Buch, sodass die Seiten unter dem Druck seines Stiftes fast zerrissen, und blickte dann auf. Die Funken, die aus seinen kalten, funkelnden Augen

sprühten, konnte man förmlich sehen und man bildete sich ein, ein leichter, verbrannter Geruch läge in der Luft. „DAS IST JA UNERHÖRT!“, brüllte Herr Franzen in den Raum und ballte die Fäuste. „SO ETWAS IST MIR NOCH NIE UNTERGEKOMMEN!“ Er sprang wütend auf und lief, sofern man es unter seinem Gewicht laufen nennen konnte, einmal um den Tisch herum. „EINE SOLCHE UNVERSCHÄMTHEIT IST MIR NOCH NIE UNTERGEKOMMEN!! FÜR WEN HÄLST DU DICH EIGENTLICH?“, donnerte er dem Jungen entgegen, der völlig entgeistert auf seinem Stuhl saß und seinen Lehrer wie das zehnte Weltwunder anstarrte. „Ich…

Also…“, murmelte er und fummelte nervös am Reißverschluss seiner Sweatshirt Jacke herum. „Ich hoffe doch sehr stark, dass das einfach nur ein schlechtgemeinter Scherz war!“, brüllte Herr Franzen weiter und drohte mit dem Zeigefinger. Der Junge nickte verstört und schluckte dann schwer. „Also?“, donnerte Herr Franzen weiter. „Wie heißt die korrekte Befehlsform von schweigen!?“, bombardierte er den inzwischen völlig eingeschüchterten Jungen und wartete, den Zeigefinger noch immer drohend vor der Brust, auf eine Antwort. Der Junge schluckte noch einmal schwer und präsentierte dann seine Antwort:

„PSSSSSSSST!“

0

Hörbuch

Über den Autor

RaBEatmen
» Es ist meine feste Überzeugung, dass romantische Liebe eine Illusion ist. Sie ist ein nutzloser
Schutzschild gegen den existenziellen Schrecken, der in unserer Einzigartigkeit liegt.
Ohne die Liebe bin ich frei, ein sinnvolles Leben zu führen. « (S.H.)

Leser-Statistik
19

Leser
Quelle
Veröffentlicht am

Kommentare
Kommentar schreiben

Senden
Ameise Armer Kerl. Wie immer ein Genuss LG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Weiter entfernt konnten die "Befehlsformen" des Schweigens nicht sein.
Gern gelesen. Du hast mein Lachen sicher.

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Lieber Rabe,
ich habe am Ende nicht nur geschmunzelt, ich habe schallend gelacht.
Weiter so!
Amüsierte Grüße
Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
Zeige mehr Kommentare
10
3
0
Senden

139824
Impressum / Nutzungsbedingungen / Datenschutzerklärung