Seitdem Galrens Vater vor 20 Jahren auf einer Expedition verschwand, hatte er nichts mehr von ihm gehört. Dies ändert sich schlagartig, als eines Tages ein Fremder in seinem Haus auftaucht und ihm eine Karte übergibt, die ohne Zweifel die Handschrift seines Vaters trägt. So macht er sich schließlich auf, die Route nachzuvollziehen, die dieser vor zwei Jahrzehnten genommen hatte, unwissend, das er dabei längst Teil eines viel größeren Spiels ist, das vor über einem Jahrtausend begann.
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Man hatte ihnen erneut eine Unterkunft im Palast zur Verfügung gestellt. Lediglich Hadrir und Hedan waren wieder auf die Schiffe zurückgekehrt, ersterer wohl in der schwachen Hoffnung, doch noch eine Lösung zu finden. Als sich die Nacht über die fliegende Stadt senkte, saß Galren in seinem Zimmer irgendwo im Westflügel der gewaltigen Anlage und sah aus dem Fenster. Das Meer unter ihm war ruhig und die einzigen Unregelmäßigkeiten
waren die Schiffe, Lichtfunken, die auf den dunklen Wogen dahintrieben. Wasser tropfte noch aus seinen Haaren, während er die neuen Kleider anlegte, die man ihm gebracht hatte. Nach dem Bad fühlte er sich zum ersten Mal seit Wochen wieder wirklich sauber. Das graue Hemd, das ordentlich zusammengefaltet über einer Stuhllehne hing war ihm ein Stück zu groß und fiel ihm bis zu den Knien, doch war das durchaus durchdacht. Auf dem Bett lag neben Atrun noch ein schwerer Kürass, den er morgen beim Empfang unter der Kleidung tragen würde. Der Kaiser und alle anderen Anwesenden würden es wohl ähnlich halten. Niemand wusste, was alles
geschehen konnte. Rasch zog er sich an und kehrte dann, das Schwert in der Hand, zum Fenster zurück. An Schlaf war für ihn nicht zu denken und so haarte er nur dem Tagesanbruch. In der Ferne schien das Dunkel bereits einen grauen Schimmer angenommen zu haben. Die Klinge in der schwarzen Lederscheide erschien ihm schwerer geworden zu sein. Und das er sie morgen im Zweifelsfall gegen seinen Vater führen musste… Kannst du das Galren? Wenn es zum äußersten kommst, kannst du diesen Mann wirklich töten? Er wusste es nicht. Egal wie sehr er sich in Erinnerung rief, was alles auf dem
Spiel stand. Galren legte das Schwert auf einem Tisch neben den Fenstern ab. Man hatte ihnen Wein und Brot und mehrere Schalen Obst gebracht. Er hatte den Geschmack von Früchten in den Wochen auf See beinahe vergessen, trotzdem konnte er sich nicht dazu überwinden auch nur einen Bissen zu nehmen. Galren stand auf und zog sich einen Stuhl vom Tisch heran. Es gab nichts, das er noch tun konnte, sagte er sich. Alles würde sich Morgen entscheiden und in den wenigen Stunden, die ihm noch blieben würde sich nichts an der Situation ändern. Irgendwann musste er dann tatsächlich
eingeschlafen sein, denn als er das nächste Mal aufsah, dämmerte es draußen bereits. Irgendjemand schlug von außen gegen die Tür des Zimmers. Vermutlich einer der Diener des Kaisers um ihm Bescheid zu geben, damit er sich vorbereitete. Die Aufgehende Sonne hielt sich noch hinter den Nebel verborgen und die Wellen unter der Stadt schimmerten in einem grau-blauen Ton. Was die Schiffe anging, so konnte Galren lediglich einige Schemen ausmachen, dunkle Punkte inmitten von grau. Mit einem seufzen stand er auf und schlurfte zur Tür. Nein, er fühlte sich ganz und gar nicht für den heutigen Tag
bereit. Aber ihm blieb auch keine Wahl, dachte er, während er die Hand nach der Türklinge ausstreckte und sie aufzog. Auf dem Flur jedoch erwartete ihn keiner der Männer des Kaisers. Stattdessen war es Lias, der als erstes ins trübe Licht trat, das durch die Fenster des Palastes fiel. Hinter ihm folgten Armell, Hedan, Naria und schließlich auch Elin. ,, Was macht ihr den alle hier ?“ Galren beeilte sich, seine fünf Begleiter einzulassen und trat aus der Tür. ,, Was wohl ?“ , fragte Lias grinsend. ,, Was immer heute geschehen mag, wir hängen, da alle gemeinsam drinnen.“ ,, Bis zum Ende.“ , bestätigte Armell.
Nach wie vor schien die Fürstin nicht sie selbst zu sein, doch in diesem einen Moment schien wieder etwas von ihrer alten Entschlossenheit durch. ,, Auch wenn ich bezweifle das es für irgendeinen von uns schwerer wird als für dich.“ Elin hatte sich derweil auf die Tischkanne gesetzt und schnappte sich ein paar Trauben aus den unangetasteten Obstschalen. ,, Außerdem,“ , bemerkte Hedan. ,, Mein Quartier ist um einiges weniger Luxuriös als eures.“ Mit diesen Worten goss sich der alte Kapitän ungefragt einen Becher Wein ein, bevor er sich wieder den
Anwesenden zuwendete. ,, Der Kaiser wird und schon erwarten… und ehrlich gesagt ich fühl mich zwar dadurch nicht besser, aber ich will da nicht nüchtern auftauchen…“ Galren schüttelte grinsend den Kopf. Es machte die Sache nicht einfacher, nur weil sie alle hier waren. Aber über die letzten Monate hatte er diese Leute alle zu respektieren gelernt, selbst Hedan, mit seiner Ruppigen Art. Und das Band, das ihn schon immer mit Lias verbunden hatte war nur deutlicher geworden. Er hatte die stärke gesehen, die die Kleinste von ihnen, Elin, aufbringen konnte. Narias Wissen und Gespür, das kaum zu ihrem Alter zu passen schien. Armell,
die sie auch nach allem nicht im Stich lassen würde. Und Merl, auch wenn er nicht mehr bei ihnen war, der junge Zauberer, der über sich selbst hinaus gewachsen war. Galren wollte heute keinen von ihnen missen. Mit ruhigen Bewegungen legte er Schwert und Kürass an, überprüfte ob die Klinge richtig saß und die Rüstung ihn nicht behindern würde. ,, Dann bringen wir das zu Ende.“ , sagte er leise. Der Empfang fand nicht im Thronsaal statt, sondern in einer der größeren Hallen des Palastes, die sogar noch mehr Platz boten als der Saal um den
Bernsteinthron. Normalerweise hätten wohl tausende von Menschen in der gewaltigen Kammer aus poliertem Marmor und Granit Platz gehabt, heute jedoch waren es nur einige hundert. Der Größte Teil davon bestand aus etwa fünfzig Gardisten der kaiserlichen Garde, die sich zu einem Spalier zwischen der Tür und der Rückwand an der der Kaiser wartete aufgestellt hatten. Der Rest setzte sich aus dem Anwesenden Adel, Dienern, Galren und seinen Gefährten und auch einigen Zwergen zusammen, die wohl als Vertreter ihrer jeweiligen Häuser bereits vor ihrem König eingetroffen waren. Licht flutete durch die hohen Fenster am
Kopfende des Raums herein, die einen Blick auf die Bezirke der Stadt und die dahinterliegende Küste erlaubten. Schwere Teppiche aus rotem und grünem Samt waren über den Boden ausgerollt worden und über der Tür, vor denen die Läufer endeten prangte das Wappen des Kaiserhauses. Das Emblem stand etwas aus dem weißen Gestein hervor und war mit Silber überzogen worden. Adler und Löwe sahen mit Augen aus Saphir als stumme Zeugen auf alle Anwesenden herab. Falls König Brunar Silberstein sich durch den bohrenden Blick der Steinkreaturen beunruhigt fühlte, so zeigte er es jedenfalls nicht, als er durch
die Türen trat. Hinter ihm folgten zuerst Hadrir, zusammen mit einer Prozession von etwa zwanzig in schwere Stahlpanzer gehüllten Zwergensoldaten. Jeder einzelne trug einen Umhang in anderer Farbe und ein anderes Emblem auf der Brust. Nur Hadrir nicht, der erneut als einziger eine Rüstung ohne jedes Zierrat trug, sah man von dem grünen Schulterumhang ab. Als letztes schließlich folgte Varan Lahaye. Galren sah seinem Vater entgegen und versuchte dabei, eine ausdruckslose Mine zu zeigen. In ihm jedoch brodelte es. Am liebsten hätte er sich auf den Manngestürzt und ihn zur Rede gestellt, jetzt und hier. Aber wenn
er das tat würden sie nichts gewinnen, ermahnte er sich. Ein weißer Umhang fiel dem selbsternannten Propheten über die Schultern, darunter glitzerte silberner Stoff, der beinahe dem Ton seiner ergrauten Haare entsprach. Und an seiner Hüfte blitze der Schwertgriff der Waffe auf, die er aus der Zwillingsstadt mitgebracht hatte. Aber wo war die Truhe? Schließlich entdeckte Galren sie in den Händen eines der Zwergenleibwächter, der sie auf einem kleinen Kissen vor sich her trug. Die ganze Prozession kam schließlich einige Schritte vom Kaiser entfernt zu einem
halt. ,, König Brunar Silberstein, Herr der Zwerge, ernannt vom Rat der Häuser.“ , kündigte einer seiner Wächter Brunar an. Galren sah, wie Syle ein Stück näher an den Kaiser herantrat, wie um im Notfall sofort dazwischen gehen zu können. Ein halbes Dutzend Blauröcke, die sich um ihn versammelt hatten taten es ihm unauffällig gleich. Kellvian legte derweil wie selbstverständlich einen Ar um Jiys Hüfte. Selbst Janis, der sich sichtlich bemühte unerschrocken zu wirken wich etwas zurück. Galren meinte, die Anspannung in der Luft schmecken zu können. Lias, der direkt hinter ihm stand beugte
sich etwas vor. ,, Du hast ihn auch gesehen, oder ?“ , fragte er ,, Ja…“ Und das achte ihm Sorgen. Varan hatte in keiner Weise angespannt oder aufgeregt gewirkt. Selbst das Aufgebot an Wachen, die seine kleine Garde um mehr als das doppelte Überwog schien seiner Selbstsicherheit keinen Abbruch zu tun. Kellvian trat langsam vor und der Ring aus Gardisten wich etwas zurück, grade genug, damit er freie Sicht hatte. ,, Ich bin Kellvian Belfare, Kaiser dieses Landes. Mir ist die Notlage eures Volkes zu Ohren gekommen, König und ich bin nicht taub dafür. Dennoch gibt es Dinge, die wir besprechen müssen.
Bedingungen, die ich an euch stellen muss , bevor ich darüber nachdenke euch bleiben zu lassen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir eine Lösung finden werden. Euer Volk stammt von hier und noch immer gibt es in unserem Land Bauwerke und Monumente, die von ihm Zeugen. Ich bin sicher am Ende können wir immer voneinander profitieren und ich bin gewillt euch bis alles erklärt ist, Unterschlupf in meinem Heim anzubieten. Die fliegende Stadt bietet vielen Menschen Platz und eure Gesandten werden sicher Quartiere finden, die ihnen zusprechen.“ Galren wurde langsam klar, was Kellvian dort versuchte. Er stellte die Lügen des
Propheten richtig. Und er gab Brunar damit noch eine Chance, die Sache sein zu lassen. Wenn der König die Truhe jetzt einfach vergaß, würde der Kaiser wohl nie wieder ein Wort darüber verlieren. Kaiser und König standen sich nur wenige Schritte entfernt gegenüber. Galren hielt die Luft an. Bitte, dachte er, lass ihn vernünftig sein. Das musste nicht mit Blut enden… ,, Ich… danke euch, Herr. Am Ende… muss ich tun, was für mein Volk das Beste ist.“ , erklärte der König leise. Doch in der einsetzenden Stille waren seine Worte im ganzen Saal hörbar. ,, Das tun wir alle… Das muss so nicht
Enden.“ Der Kaiser flüsterte fast, doch Galren verstand nach wie vor alles. Seine Sinne waren bis aufs äußerste Geschärft, jeder Muskel in seinem Körper angespannt. ,, Ich fürchte doch. Am Ende… kann ich auf euch keine Rücksicht nehmen. Nicht wenn das Schicksal meines Volkes auf dem Spiel steht.“ Mit diesen Worten gab Brunar dem Mann mit der Truhe ein Zeichen. Dieser trat zwischen den Rehen der Soldaten hervor und kniete neben dem Zwergenkönig nieder. ,, Um meinem Vertrauen in euch Ausdruck zu geben habe ich ein Geschenk für euch vorbereiten lassen, Kaiser. Gastfreundschaft wird bei meinem Volk
nicht immer groß geschrieben und wir hatten unsere Probleme. Doch hoffe ich, dass dieser Tag den Auftakt zu einem neuen Zeitalter für uns alle bedeutet.“ Er nahm dem wartenden Soldaten die mit Gold beschlagene Schatulle ab und hielt sie dem Kaiser hin. Kellvian konnte nicht mehr zusehen. Der Moment der Entscheidung war vorbei, der König hatte den falschen Weg gewählt. ,, Öffnet diese Truhe bloß nicht ! „ , rief er. ,, Das ist eine Falle !“ Aufgeregtes Stimmengemurmel brach los, während er sich mit LIAs im Schlepptau einen Weg durch die Menge kämpfte. Die anderen versuchten
ebenfalls zu ihnen zu gelangen, kamen jedoch kaum voran. ,, Ich weiß nicht, was genau darin ist, aber König Brunar hat vor uns alle zu verraten. Der Prophet hat mit ihm zusammen geplant uns alle zu töten um dann die Kontrolle über Canton an sich reißen zu können.“ Galrens Blick wanderte zu seinem Vater, der sich nun ebenfalls durch die Menge nach vorne kämpfte. Aber er wäre nicht annähernd schnell genug. Es war vorbei, das musste auch ihm klar sein. ,, Das… Das ist doch lächerlich!“ , rief der König empört. Hilfesuchend sah er zu Hadrir, der jedoch nur den Kopf schüttelte. ,, Du hast dich entschieden, Vater. Ich
habe das gleiche getan.“ Hadrir trat langsam vom König zurück und ließ ihn damit alleine zwischen seinen Leuten und denen des Kaisers stehen. Nach wie vor hielt er die Truhe in der Hand. ,, Verrat… das… Hadrir, wie kannst du das tun?“ ,, Wie kannst du dich gegen jene Stellen, die uns helfen wollen ?!“ ,, Ich weiß nicht wovon du redest.“ , erklärte Brunar . ,, Das ist nur ein Geschenk.“ ,,Wenn dem so ist, warum öffnet ihr es dann nicht einfach für uns ?“ , fragte Syle, der sich wieder vor den Kaiser gestellt hatte. ,, Beweist uns, das sowohl Galren als auch Hadrir
lügen…“
Mittlerweile standen dem König deutliche Schweißperlen auf der Stirn. ,, Ich wollte nichts hiervon, das müsst ihr mir glauben.“ Seine Hände zitterten am Verschluss der Truhe. ,, Aber wie ihr wünscht…“
In dem Moment, in dem der Deckel aufflog, wusste Galren, das es ein Fehler gewesen war.
EagleWriter ^^ Ich schau nochmal drüber lg E:W |
abschuetze Wahrscheinlich war es egal, wer die Truhe öffnete. Es war nur wichtig, wer sich alles im Raum aufhalten würde. LG von Antje |
EagleWriter So gesehen trifft das den Nagel auf den Kopf lg E:W |