Innerer Monolog zum Thema Depression
Ich war einmal ein viel beachteter und sehr geachteter Mensch. Als Geschäftsmann legte ich Wert darauf, seriös zu erscheinen, und trug stets graue Anzüge, um dies äußerlich sichtbar zu machen. Dazu wählt ich die passenden Krawatten, die in einem dezenten Grau schimmerten. Man nannte mich den Grauen, und das war mir recht so.
Ich hatte, solange die Geschäfte liefen, mehrere Freunde Geschäftsfreunde würde ich rückschauend sagen - und hatte immer ein Glamourgirl an meiner
Seite, das meine Bedeutung unterstrich. So lebte ich mit mir selbst und anderen, wenn sie meine Geschäfte nicht störten, zufrieden dahin, bis ich mich eines Tages verspekulierte. Der große materielle Verlust war der erste Schritt ins Unglück, und dieser zog andere nach sich, so sehr ich mich auch bemühte.
Es war nicht zu verhindern, dass mein geschäftliches Versagen öffentlich bekannt wurde, und mit den Geschäftspartnern zogen sich auch meine Freunde und Freundinnen zurück. Es wurde still um mich.
Um meine Existenz musste ich mich
nicht sorgen; denn ich hatte für diesen Fall eine gute Versicherung abgeschlossen. Aber diese Stille warf mich aus der Bahn. Ich war sie nicht gewohnt.
Wenn ich damals gewusst hätte, was mich erwartete, hätte ich mir gewünscht, dass es bei ihr bliebe. So aber befiel mich nach einigen Wochen trostloser Einsamkeit die Depression. Es begann damit, dass ich mich über nichts mehr freuen konnte und heute fühle ich mich wie gelähmt.
Ein dichter grauer Nebel, durch den kein Sonnenstrahl dringt, schnürt mich ein.
Früher erkannte ich die Nuancen aller Farben, und es war mir eine Freude, mich mit unterschiedlichen Grautönen zu kleiden. Heute empfinde ich alle Farben so, als läge ein grauer Belag auf ihnen. Ich versuche sie mir wieder in Erinnerung zu rufen, aber sie verschwinden als Stereotypen in dem Nebel, weil ich sie nicht mit lebendigem Empfinden füllen kann.
So wie mit den Farben ergeht es mir mit den Klängen der Musik, die ich einmal so geliebt habe. Sie perlen an der stumpfen Haut ab, die meine innere Leere umhüllt, und bringen nichts zum Schwingen. Die Poren meiner Seele haben sich zusammengezogen und stoßen
sie ab.
Mein schlimmstes Versagen ist aber, dass eine diffuse Angst mich unfähig zur Kommunikation macht. Logisch betrachtet weiß ich, dass ich, um aus dem Nebeltal herauszukommen, meine Defizite preisgeben müsste. Ich habe auch schon versucht, sie Menschen, die mir zuverlässig erschienen, wenigstens partiell mitzuteilen. Wenn ich das getan hatte und emotionale Nähe spürte, befiel mich diese Angst, dass ich mich ausliefere und ich blockte ab, weil ich nur gelernt habe, souverän zu erscheinen und keine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich kann mit Gefühlen nicht umgehen,
mit meinen eigenen nicht und erst recht nicht mit denen anderer.
Ich vereinsame immer mehr, betäubt von meiner Angst, und lebe so dahin.
© Ekkehart Mittelberg, Januar 2016