Humor & Satire
Deutschunterricht - Grammatik - 2.Lektion

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"Deutschunterricht - Grammatik - 2.Lektion"
Veröffentlicht am 08. Januar 2016, 8 Seiten
Kategorie Humor & Satire
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Über den Autor:

» Es ist meine feste Überzeugung, dass romantische Liebe eine Illusion ist. Sie ist ein nutzloser Schutzschild gegen den existenziellen Schrecken, der in unserer Einzigartigkeit liegt. Ohne die Liebe bin ich frei, ein sinnvolles Leben zu führen. « (S.H.)
Deutschunterricht - Grammatik - 2.Lektion

Deutschunterricht - Grammatik - 2.Lektion

Mit strengem Blick musterte sie jeden Schüler der Reihe nach. „Heute“, krächzte sie dann und trommelte mit ihren dünnen, spitzen Fingern auf dem Pult herum. „Heute beschäftigen wir uns mit der Steigerung von Adjektiven.“ Ihre scharfen Adleraugen wanderten über die Köpfe der Schüler hinweg und blieben an einer ausgeblichenen, alten Weltkarte hängen, auf der mehrere Farbkleckser und Tintenflecke über die Kontinente verteilt waren. 22 Augenpaare schauten mehr oder weniger interessiert zu der schlanken, mittelalten Person hinauf, die mit perfekt gedrehten Locken und einer schmalen, rotlackierten Brille in ihrem strengen Rock mit der grauen Bluse auf

ihrem Stuhl vor dem Pult saß und nun die Hände zusammenfaltete. „Steigerungsformen von Adjektiven verwenden wir im Deutschen dann, wenn wir etwas vergleichen wollen. Es gibt drei Steigerungsfolgen: Die positive Form“, sie schaute über ihre Brille hinweg zu den Schülern auf der linken Seite, „den Komparativ“, sie schwenkte zur rechten Seite und musterte auch hier die Schüler, „und den Superlativ. Dieser interessiert uns heute aber nicht weiter. Wir werden uns heute ausschließlich auf den Komparativ konzentrieren.“ Sie huschte mit ihrem Blick über die Reihen und widmete sich dann ihren mit Klarlack überzogenen Fingernägeln.

„Wer kann mir ein Beispiel für die Steigerung eines Adjektivs nennen?“, fragte sie, ihrer Hand zugewandt und wischte ihre Nägel vorsichtig an ihrer Bluse ab. Ein Mädchen in der ersten Reihe streckte sofort ihren Arm in die Höhe und rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. „Ja, bitte Mareike“, gab sie das Wort an das Mädchen mit den blonden, geflochtenen Zöpfen und widmete sich wieder ihren Fingernägeln zu. „Schneller, Frau von Hohenhausen“, quietschte das Mädchen zufrieden und ließ den Arm zurück auf die Tischplatte sinken. Frau von Hohenhausen seufzte leise. „Kannst du auch in ganzen Sätzen sprechen, Mareike?“, wandte sie sich

dann mit ihren sanften, aber eiskalten Stimme an das kleine Mädchen, das sie beschämt und mit hochrotem Kopf anschaute. „A.. A.. Aber natürlich, Frau von Hohenhausen. Schneller ist der Komparativ von schnell.“ Frau von Hohenhausen nickte bedächtig mit dem Kopf und Mareike strahlte von einem Ohr zum anderen. „Sehr gut, Mareike“ Ihr Blick wanderte wieder zwischen den Schülern hindurch. „Tom, was ist mit dir? Kannst du uns auch ein Beispiel nennen?“ Sie setzte ein entzücktes Lächeln auf und klimperte mit ihren schwarz getuschten Wimpern hinter ihrer schmalen Brille. Ein schlanker Junge, mit perfekt gescheitelten Haaren, Hemd

und Fliege und einer großen Schlaumeierbrille nickte kurz und präsentierte dann seinen Beitrag. „Der Komparativ des Adjektivs intelligent ist intelligenter“, näselte er und schob mit dem Fingerknöchel seine Brille zurück auf die Nase. „Vorzüglich“, quietschte Frau von Hohenhausen und rückte ihre vollkommene Lockenpracht entzückt in Position. „Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt“, fuhr sie dann mit sanfter, aber deutlicher Stimme fort und musterte einen Fleck auf ihrer linken Schuhspitze, „bildet man den Komparativ eines Adjektivs mit -er am Ende.“ Angewidert zog sie ein seidenes Taschentuch aus ihrer Tasche,

befeuchtete es mit der Zunge und begann den Fleck auf ihrem Schuh wegzupolieren. „Weitere Beiträge?“ Ein Junge in der hinteren Reihe leerte gerade heimlich unter dem Tisch eine Saftflasche und wischte sich verstohlen den Saft aus den Mundwinkeln, als der Blick von Frau von Hohenhausen an ihm hängen blieb. „Nick, kannst du uns den Komparativ von leer bilden?“, bellte sie wütend durch den Raum und blickte ihn scharf an. Nick kaute nervös auf seiner Unterlippe herum und öffnete dann vorsichtig den Mund. „Der Komparativ…“, nuschelte er leise und Frau von Hohenhausen schlug mit der flachen Hand vor sich auf den Tisch.

„Sprich bitte deutlich, Nick! Niemand versteht dich!“ Nick zuckte erschrocken zusammen, räusperte sich dann und führte seinen Beitrag zuende. „Der Komparativ von leer ist Lehrer!“

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RaBEatmen
» Es ist meine feste Überzeugung, dass romantische Liebe eine Illusion ist. Sie ist ein nutzloser
Schutzschild gegen den existenziellen Schrecken, der in unserer Einzigartigkeit liegt.
Ohne die Liebe bin ich frei, ein sinnvolles Leben zu führen. « (S.H.)

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Phantasus Ich wusste ja, dass du dich steigern konntest. Prima! Der Kompartiv heißt doch primaner, oder?
Liebe Grüße
Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
RaBEatmen Ich weiß nicht so genau, ich habe das aus dem Lateinischen genommen... :)
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Das ist dann wohl die einzige richtge Antwort. :))

LG von Antje

Vor langer Zeit - Antworten
RaBEatmen Natürlich, weiß doch jeder! :D
Vor langer Zeit - Antworten
Ameise Kommt morgen Chemie? Ich habe so gelacht, einfach herrlich Deine Geschichten. LG Ameise
Vor langer Zeit - Antworten
RaBEatmen Oh Chemie könnte schwierig werden :D Aber ich könnte mich in Englisch versuchen! :)
Vor langer Zeit - Antworten
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