Romane & Erzählungen
Das scharlachrote Kleid. Ein Spiel mit Stereotypen

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"Das scharlachrote Kleid. Ein Spiel mit Stereotypen"
Veröffentlicht am 07. Januar 2016, 8 Seiten
Kategorie Romane & Erzählungen
© Umschlag Bildmaterial: Foto von Adina Voicu (Pixabay)
http://www.mystorys.de

Über den Autor:

Literatur war mir in meinem Leben schon während der Schulzeit sehr wichtig. Doch ich habe erst seit ein paar Jahren die Zeit gefunden, selbst zu schreiben. Ich freue mich über Lob, bin aber für alle Verbesserungsvorschläge offen. Ich lese immer wieder in Literaturgeschichten, weil ich meine,dass wir nur so entdecken können, wie wir einen ganz bescheidenen Beitrag dazu leisten können, dass Literatur sich weiter entwickelt.
Das scharlachrote Kleid. Ein Spiel mit Stereotypen

Das scharlachrote Kleid. Ein Spiel mit Stereotypen

Als Kind hatte er Scharlach und die Krankheit schüttelte ihn mächtig durch, bis die roten Pusteln verschwanden und er ein für allemal von ihr geheilt war. Dachte er jedenfalls.
Als junger Mann besuchte er gelangweilt eine Party, von der er nichts Besonderes erwartete.

Der Gastgeber hatte tolle Weiber angekündigt, doch die kannte er zur Genüge: aufgedonnert nach der letzen Mode, Partygeschwätz nach der letzen Mode, Verführungsversuche nach der letzen Mode. Nun ja, er hatte nichts Besseres

vor.
Es war alles so, wie er es erwartet hatte: Die Szene feierte ihre Oberflächlichkeit, durchsichtig mit ein paar auswendig gelernten Sprüchen kaschiert. Die tollen Weiber waren austauschbar wie ihre Redensarten von der Stange, wie ihr geschmacklos zusammengestellter Markenputz.

Er wollte gerade gehen, als er ihr scharlachrotes Kleid aus einem Winkel im Halbschatten des Kerzenlichts leuchten sah. Die Farbe zog ihn magisch an und dann stand er vor ihr und ließ wie ein Automat seine Sprüche los: Natürlich war ihr dunkles Haar

ebenholzschwarz und ihre grünen Augen schimmerten wie Smaragde in der Dunkelheit. „Ihr Kleid, ja, lassen sie mich raten, es ist rubinrot, nein, es ist purpurrot, das trifft es auch nicht, es ist scharlachrot, scharlachrot wie die Sünde. Unwiderstehlich, ach, und ihr Lippenstift passt zu dem Kleid. Unforgetable.“

Es dauerte nicht lange, und er hatte sie hinausschwadroniert in seinen gelben Ferrari, in dem das scharlachrote Kleid in verstörendem Kontrast der Signalfarben brannte. Am liebsten wäre er über sie hergefallen. Doch er schaffte es noch bis in seine pretiöse Villa, wo er

ihr den scharlachroten Fummel vom Leibe riss.

So ging das wochenlang, nur mit dem Unterschied, dass er nicht mehr auf sie einreden musste. Sie kam freiwillig, immer im scharlachroten Kleid, das ihn elektrisierte wie am ersten Abend. Sie sprachen nicht viel und es war ihm recht so. Wozu Zeit verschwenden, wenn die Sinne überdeutlich rauschten?
Sie wurden auch nicht stiller, als sie anfing zu reden, nach der letzen Mode, und immer mehr Scheinchen in ihrem scharlachroten Portemonnaie verschwanden. Zwar fing er wieder an zu denken, aber die illusionslose

Klarheit stellte sich, so wie früher, nicht ein. Er begriff nur eines: Er war ihr hörig und das musste ein Ende haben.

Als sie ermattet eingeschlummert war, verbrannte er das scharlachrote Kleid.
In ihren Augen stand eine Träne, aber sie beklagte sich nicht. Er fuhr sie nach Hause und dachte: Das wars.

Es folgten Tage mit Qualen der Sucht. Immer wieder die Hand am Telefon und im letzten Moment zurückgezogen. Dann kam die Erkenntnis: Lieber hörig sein wie ein Hund als diese Tantalusqualen.

In diesem Moment stand sie vor der Tür

im scharlachroten Kleid.
Er stürzte sich in den wieder gewonnenen Rausch. Aber sie hatte verstanden, verspätete sich bei Verabredungen oder erschien gar nicht, hielt ihn hin. Wenn er in Selbstmitleid versank, einsam um Erlösung winselte, war sie plötzlich da, verschwand abrupt und spannte ihn wieder auf die Folter. Er wusste, dass es ihm nichts half, wenn er das Kleid noch einmal verbrennen würde.

Früher hatte er wenig gelesen. Jetzt überbrückte er die Wartezeiten mit Hardcore-Krimis. Er flog auf Titel wie: „Mach eine Ende, Marc“, „Der perfekte

Mord“, „Befreiung“.

Wie es ausgeht, möchten Sie wissen. Entweder legt er Hand an sich oder an sie. Was meinen Sie, wie er sich entschieden hat? Sie sollten wissen: Er kannte das süße Leben, ohne das scharlachrote Kleid.

©Ekkehart Mittelberg, Januar 2016

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Über den Autor

Phantasus
Literatur war mir in meinem Leben schon während der Schulzeit sehr wichtig. Doch ich habe erst seit ein paar Jahren die Zeit gefunden, selbst zu schreiben.
Ich freue mich über Lob, bin aber für alle Verbesserungsvorschläge offen.
Ich lese immer wieder in Literaturgeschichten, weil ich meine,dass wir nur so entdecken können, wie wir einen ganz bescheidenen Beitrag dazu leisten können, dass Literatur sich weiter entwickelt.

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InkTwin Lieber Ekki, etwas sonderbar vielleicht, aber ich mußte, ebenso zwanghaft wie der Protagonist, an die roten Schuhe denken, die eine unerklärliche Anziehungskraft ausüben und in denen man sich zu Tode tanzt... faszinierende Geschichte von dir, die nach dieser Logik irgendwie nicht gut enden kann... :o)
Lieben Gruß, Alice
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Merci, Alice, eine Zeitlang gabe es am Montagabend (ich glaube im ZDF) immer einen besonderen Film. Da trippelten dann als Symbol für Attraktion einfach ein paar rote High Heels über die Leinwand. Daa sagt alles.
Liebe Grüße
Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Ein gelber Ferrari? Absolutes No-Go. Scharlachrot wäre doch ohnehin seine Farbe. Eigentlich würde mich interessieren, was seine Hörigkeit ihr gegenüber macht , wenn sie mal nicht im Scharlachroten erscheinen würde?

LG von Antje
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Merci, Antje. Einige Ferrari-Fahrer wählen dieses Nogo nach dem Motto: Wir können uns das leisten.
Seine Hörigkeit wird wohl schwinden,wenn sie nicht im Scharlachroten erscheint. Sie ist ein Obsession und die ist ja an keine Vernunft gebunden.
LG
Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
abschuetze Nun ja, er leidet Qualen, wenn sie nicht erscheint. Was aber wenn ... mag, kann er sie dann nicht mehr?
Vor langer Zeit - Antworten
Gabriele Nach der "unbedarften" Einleitung über Scharlach,
habe ich nur noch über den hohen knisternden Spannungsbogen staunen können *lächel* Toll und spannend geschrieben - und - durch das offene Ende bleibt der Leser mit seinen eigenen "Krankheiten" zurück......
Glückwunsch zu dieser brillanten Erzählung!
Mit lieben Grüßen, Gabriele
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Vielen Dank für dieses ermutigende Kompliment, Gabriele.
Liebe Grüße
Ekki
Vor langer Zeit - Antworten
Papiertiger Interessante Geschichte, dieser Fall von exzessiver Farbobsession (gibt es so etwas tatsächlich in der Psychologie?). Sie umzubringen wird das Problem nicht lösen, denn es scheint ja mehr um die Farbe als um die Person zu gehen. Sich selbst umzubringen löst zwar zugegebener Maßen das Problem, aber eben doch auf eine sehr universelle Art und Weise. Vielleicht sollte er einfach sein Schlafzimmer in scharlachrot tapezieren? Oder seinen Ferrari umlackieren lassen? Ein Ferrari in gelb ist sowieso ein Unding.

Wenns ein Ende gibt, lass es mich wissen. Irgendwie leide ich mit dem Kerl...

Helmut
Vor langer Zeit - Antworten
Gast Manchmal reicht es, wenn die Betten ohne knarren benutzbar sind .....
Vor langer Zeit - Antworten
Phantasus Lieber Helmut,
ich finde die Idee witzig, das Schlafzimmer scharlachrot tapezieren zu lassen. Gracias.
Ich weiß noch nicht, ob ich das Ende offen lasse. Wenn nicht, wirst du informiert.
Vor langer Zeit - Antworten
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