Oh du fröhliche
Von der benachbarten Kirche läutete die Glocke den 1. Weihnachtsfeiertag ein.
Helga dreht sich seufzend noch einmal in ihrem Bett um und schlug die Augen auf. Ein Blick auf die Uhr sagt ihr, dass es schon 10.00 war.
Blinzelnd schaute sie zum Fenster. Alles grau in grau. Also wieder mal keine weiße Weihnachten. War ja zu erwarten. In letzter Zeit hatte man ja schon an Frühling gedacht. Auf dem Balkon blühten immer noch die Sommerblumen.
Sollte sie noch weiter schlafen? Gestern war es spät geworden. Sie hatte lange
fern gesehen und Vorbereitungen für das Essen am 2. Feiertag vorbereitet. Sie hatte ihren Neffen Oliver mit seiner Familie eingeladen. Rouladen mit Rotkohl wünschten diese sich.
Aber heute hatte sie sich vorgenommen den ganzen Tag nur im Pyjama zu verbringen. Sie liebte es, mal einen Tag vor sich hin zu dösen mit Frühstück und einem Buch im Bett. Zwischendurch ein wenig fernsehen und , wenn sie die Müdigkeit überkam, etwas zu schlafen.
Ja, das war ein Tag ganz nach ihrem Geschmack. Nur mal eben die Zähne putzen und den Schlaf aus dem Gesicht waschen.
Bald brodelte die Kaffeemaschine vor
sich hin und der Toast duftete mit der selbstgemachten Erdbeermarmelade, die ihr ihre Freundin Brigitte beim letzten Canasta spielen mitgebracht hatte. Jetzt noch rasch ein Ei kochen. Das gehörte schließlich zu einem anständigen Frühstück dazu. Sie nahm ein Tablett aus dem Schrank und schichtete Teller, Eierbecher und Kaffeetasse drauf.
Im Radio sang gerade ein Chor „Leise rieselt der Schnee“ und sie summte leise vor sich hin. Aber wo rieselt er denn? dachte sie amüsiert.
Vorsichtig balancierte sie das Tablett auf den Tisch, der neben dem Bett stand und kroch wieder unter die Decke.
Sie genoss die Wärme des Bettes und
bedauerte insgeheim die Leute, die heute für die Familie in der Küche stehen mussten und den ganzen Tag nur im Stress verbrachten. Sie kannte das aus ihrer Kindheit her. Sie waren früher 5 Kinder zu Hause und die Mutter war die ganzen Feiertage nur in Hektik, um den Ansprüchen der Familie zu genügen.
War das eben die Klingel, die so disharmonisch die Musik aus dem Radio übertönte. Nein, das konnte ja nicht sein. Helga hatte extra für heute keine Verabredung getroffen, weil ja heute ihr Gammeltag ( wie sie ihn nannte) war.
Und wieder läutete es , diesmal etwas langanhaltender. Das konnte doch nur die
Nachbarin sein, die sich mal wieder ein paar Eier borgen wollte.
Helga schlich zur Tür und lugte vorsichtig durch den Türspalt.
Sie wollte nicht glauben, wer da draußen stand. Ihr Neffe Oliver mit der ganzen Familie seiner Frau Anke und den Kinder Liv und Len.
Aber sie wäre nicht Helga, wenn sie dieser Situation nicht Herr (Frau) werden würde. „Was für eine Überraschung“ rief sie „wart ihr gerade in der Nähe?“
Sie guckte Oliver an, dessen Augen abschätzend über ihren Pyjama wanderten Täuschte sie sich, oder guckte er sie strafend an. Sie ärgerte
sich mal wieder über sein Chefgehabe. Es war ja schließlich ihre Wohnung und ihre Sache, wie sie sich hier kleidete. . Er lief zu Hause sicher auch nicht im Anzug mit Krawatte herum.
Ein kurzer Blick in den Flurspiegel zeigte ihr, dass sie nicht gerade sehr einladend aussah mit ihrem ausgewaschenen Pyjama (Dunkelblaues Oberteil und die Hose pink kariert).Ihre Haare standen wirr nach allen Seiten. Anke dagegen, seine Frau guckte sie amüsiert an. Na .die hatte wenigstens Humor. Und Len der 9 jährige Sprössling von ihnen rief sogar: „Du siehst aber komisch aus Tante Helga.“
Oliver holte jetzt einen
Riesenblumenstrauß hinter dem Rücken hervor und sagte:“Fröhliche Weihnachten Helga“.
„Na, den hättet ihr mir ja auch noch morgen geben können“ Irritiert schaute er sie an. „Wieso morgen?“ fragte er, „du hattest uns doch heute eingeladen. Morgen sind wir bei Schwiegereltern“.
Nun geriet Helga doch etwas in Panik. Anke versuchte die Situation zu retten und guckte ihren Mann an. „ Dann gehen wir eben wieder, ich werde zu Hause schon etwas zu essen finden.“
„Aber das ist doch egal“ Helga versuchte zu retten, was noch zu retten war.
„Ich habe ja schon alles fertig, wenn ihr
mir helft, ist in einer halben Stunde das Essen auf dem Tisch.“ Sie drückte Anke einen Beutel Kartoffeln in die Hand und ein Messer. „Du kannst schon mal Kartoffeln schälen, Len und Liv können den Tisch decken und du Oliver setzt dich dort gemütlich in die Ecke und erholst dich erst einmal von dem Schreck. Ich dagegen gehe jetzt ins Bad und mache mich fein.“ Sie setzte den Topf mit den Rouladen und den Rotkohl auf den Herd. Das konnte sich schon einmal erwärmen. Die Soße konnte sie dann später machen. Für Len und Liv war das eine nette Abwechslung und sie waren schnell eifrig dabei. Helga ging ins Bad und holte erst einmal tief Luft.
Ja, so würde es gehen. Schnell sprang sie unter die Dusche, fönte ihr Haar in Form und warf sich ein nettes Kleid über. Als sie aus dem Bad kam, hatte sich ihr Neffe zum Glück wieder beruhigt und er grinste.
„Ich habe in meinem Handy im Terminkalender nach geguckt. Du hattest recht. Ich hatte den Termin falsch eingetragen, war also mein Schuld. Entschuldige!“
Und aus dem Radio klang es leise - Oh du fröhliche -