Die nächsten Tage
Als sich am nächsten Tag in meinem Behandlungsplan eine Pause ergab, zog ich mich also wieder warm an. Es war kein weiterer Schnee gefallen, aber rund um das Krankenhaus, welches hoch über dem Dorf vor der bewaldeten Bergkuppe gebaut worden war, hing der Nebel tief. Ich ging vorsichtigen Schrittes den brüchigen Weg am Waldrand entlang und rief immer wieder den Namen, welchen ich dieser weißen Samtpfote gegeben hatte:
„Schneeflöckchen! Schneeflöckchen! Ich bin wieder da…… wo bist du?“
Und tatsächlich, als ich den überalterten
Sitzbänken unweit des Schuppens näher kam, bewegte sich sanft wiegend das weiße Wollknäul in meine Richtung. Oh, was war meine Freude groß! Und ich fühlte mich auch irgendwie stolz ob der Tatsache, dass dieses freilaufende Kätzchen auf meine Stimme gehört hatte. Ich setzte mich intuitiv auf eine der Bänke und wartete einfach ab, ob sie näher kommen, und was sie tun würde. Als sie mit einem Sprung auf der Bank angekommen war und mich offenkundig beschnupperte, konnte ich meine Zuneigung nicht unterdrücken und sprach ihr leise wispernd Mut zu, noch näher zu kommen. Ich wollte sie ja nicht wieder erschrecken.
Sie schien sehr unruhig zu sein, denn sie tippelte permanent die Bank auf und ab, sprang herunter, umkreiste meine Beine,
spielte am Schnürsenkel meiner Stiefel und sprang dann wieder auf die Bank um diese auf und ab zu laufen. Lächelnd beobachtete ich ihre Bewegungen und dachte so bei mir; „Die süße Schneeflocke ist ja genauso unruhig wie ich es seit Monaten bin!?! Ob sie auch solche Schmerzen hat? Aber eigentlich sieht sie nicht so schmerzverzerrt aus! Vielleicht hat sie ja auch einfach Hunger?!“ Beantworten konnte sie meine Fragen ja nicht, dafür aber konnte ich ihr zerzaustes Fell sehen und meinte, die eine oder andere Zecke im Fell zu entdecken. „Hm,“ überlegte ich, „wo sie wohl her kommt? Was ihr wohl passiert ist?“ Doch auch diese unausgesprochenen Fragen wurden mir natürlich nicht beantwortet. Zwischendurch
versuchte ich immer wieder, meine Hand nach ihr auszustrecken, doch jedes Mal schien sie sehr erschrocken. Nach einer langen Weile erschien ein schwarzweißer Kater auf dem vor uns liegendem Rasenstück, und schwupps war das Schneeflöckchen von der Bank herunter gesprungen und in seine Richtung gelaufen. Offensichtlich teilten sie das hiesige Revier und liefen kurz darauf gemeinsam unter den Bäumen davon.
Während der nächsten Tage empfand ich alle Behandlungsmethoden, sowie auch die Gespräche mit dem Chefarzt der Schmerztherapie, als sehr hilfreich und erleichternd. Trotz der noch vorhandenen
Schmerzen und der in mir wohnenden Ängste, erlebte ich eine wohltuende Besserung meines körperlichen und emotionalen Zustandes. Ganz besonders aber freute ich mich, wenn Zeit für Spaziergänge und Zeit für Schneeflöckchen war. Inzwischen wussten schon fast alle Mitpatienten, dass ich hinter dem Gebäude eine weiße Katzenfreundin gefunden hatte. Manche hatten uns wohl auch schon durch die Zimmerfenster entdeckt. Und häufig wurden wir auch Thema der Pausengespräche.
Am vierten Tag nach unserer ersten Begegnung kam die süße Schneeflocke leichten Ganges auf mich zu und umkreiste
schnurrend meine Beine, noch bevor ich mich auf die Bank gesetzt hatte. Ich saß noch nicht richtig, da sprang sie schon auf die Bank – und – oh Wunder, sie setzte ihre Pfötchen auf meinen Schoß und stand dann eine Weile lang aufrecht auf meinen Oberschenkeln. Ich freute mich riesig, streichelt sie vorsichtig, und sie ließ es sich gefallen. In mir wuchs nicht nur die Freude über diese neue Nähe zum weißen Kätzchen, nein auch ein wenig Stolz machte sich in mir breit, dass ich die Geduld aufgebracht hatte, jeden Tag ein bisschen Zeit mit ihr zu verbringen, und jetzt dafür belohnt zu werden.
Und dann geschah etwas, dass mich tief berührte und mir ein ganz neues Gefühl vermittelte: das flauschige Wollknäul auf vier
Pfoten legte sich doch tatsächlich längs auf meinen Schoß. Sie agierte noch ein bisschen umständlich, und stand mehrmals wieder auf, aber irgendwann blieb sie ruhig auf meinen Oberschenkeln liegen. Welche Freude! Und während ich sie vorsichtig streichelte, sprach ich mit ihr. Stellte ihr alle meine Fragen, die mich so beschäftigten, wo sie herkommen würde, warum sie denn hier sei, wie es ihr denn gehen würde und ob sie sich wohl fühlen würde. Bei so vielen Fragen konnte ich natürlich keine eindeutigen Antworten bekommen, aber es war mir so, als wenn sie mir ein inneres Bild über den Tod ihres Frauchens übermitteln würde. „Hm“, dachte ich, „könnte ja sein. Auf jeden Fall hättest du mal eine Zecken- und Flöhe-Kur nötig!!“ und
überlegte, wen man wohl wegen des Futterplatzes für freilebende Katzen ansprechen könnte? Ich nahm mir vor, dieser Frage an der Empfangspforte des Krankenhauses nachzugehen. Doch bevor ich mich auf den Rückweg machte, genoss ich eine lange Weile die Nähe des schnurrenden Tieres und freute mich darüber, dass sie eine so lange Zeit ruhig auf mir liegenblieb.
Nun hatte ich zu meinem ursprünglichen Vorsatz, während der Schmerztherapie so viel wie irgend möglich für meine Genesung und Schmerzlinderung zu tun, eine zusätzliche neue Aufgabe, die mich herausforderte: Erkundungen über den
Futterplatz einzuholen und in Erfahrung zu bringen, wer für diese Katzen Ansprechpartner ist. Noch am selben Spätnachmittag sprach ich die Mitarbeiterin in der Empfangspforte an, wer denn für die freilebenden Katzen hinter dem Krankenhausgebäude zuständig ist. Die Antwort war für mich enttäuschend und frustrierend: „Da darf ich Ihnen keine Auskunft zu geben! Sie dürfen die Katzen nicht belästigen! Der Tierschutzbund möchte das nicht!!“ Wumms – es traf mich wie ein Schlag in den Nacken. So sensibel wie ich derzeit auf alles reagierte, zuckte ich also nur die Achseln und ging still davon. Ich war traurig und entmutigt, außerdem auch sehr verunsichert. Während ich also zur Station
der Schmerztherapie ging, um auf mein Zimmer zu gehen, gingen mir viele Gedanken durch den Kopf: „Vielleicht sollte ich mich nur um meine eigene Gesundheit kümmern und nicht ablenken lassen? Aber ich hatte mich doch so sehr über das Kätzchen gefreut! Und sie konnte doch auch Hilfe und Zuwendung gebrauchen?! Irgendwie fühlte ich mich doch sehr mit ihr verbunden, auf eine ganz andere Art als mit unserer Tabby, welche so intensiv mit meinem Mann kuschelte.“
Meine Zimmernachbarin konnte mich nicht trösten. Auch die anderen Mitpatienten hatten keine Ideen, was ich anstellen könnte, um einen Ansprechpartner für den Futterplatz
zu finden. Doch das abendliche Gespräch mit meinem Mann machte mir Mut. Ich hatte ihm schon in vergangenen Telefonaten von meiner Entdeckung erzählt und ihm gesagt, dass ich ihm Schneeflöckchen unbedingt zeigen müsste, wenn er mich besuchen kommt. Nun, an diesem Abend machte er mir Mut, mich innerhalb des Krankenhauses durchzufragen, wer für die freilebenden Katzen zuständig sei. Eine andere Idee von ihm war, mal den Tierschutzbund anzurufen und zu befragen. Mein Mann machte mir deutlich und sprach sehr eindringlich mit mir, dass es gut für mich ist, wenn ich mich für etwas einsetzen würde, insbesondere dann, wenn es mir doch so am Herzen liegen würde. Ich war ihm so dankbar, dass er mich
seelisch unterstützte und mich aufforderte, Einsatz zu zeigen. Denn gewöhnlicher Weise war er es, der nicht an Samtpfötchen vorbei gehen konnte. Mit dem Entschluss, am kommenden Tag erneut dem Ziel nachzugehen, etwas in Erfahrung zu bringen, vergaß ich zwischenzeitlich meine Schmerzen und schlief ich glücklich im Krankenhausbett ein.
Am kommenden Tag setzte ich alles daran, einen Ansprechpartner für die freilebenden Katzen und die Futterstation hinter dem Krankenhaus, in Erfahrung zu bekommen. Keiner der angesprochenen Mitarbeiter, von der Patientenaufnahme bis hin zur Verwaltung, konnte oder wollte mir Auskunft
geben. Im laufe des Vormittages wurde ich immer frustrierter. Als ich dann nachmittags mit dem Schneeflöckchen, welche immer sofort zur Stelle war, wenn ich sie rief, auf der alten Bank und streichelte sie, während sie wie inzwischen gewohnt, auf meinem Schoß lag. Ich kraulte sie hinter den Ohren und erzählte ihr, dass ich versucht hatte, herauszufinden, wer hier für diese Futterstelle zuständig war. Ich erzählte ihr natürlich auch, dass ich sie gerne mit zu mir nach Hause nehmen und mich um sie kümmern würde. Außerdem berichtete ich ihr, was sie bei uns Zuhause erwarten würde: ein großes buntes Atelier, viel Platz, einen ganz lieben Katzenpapa und Tabby, unsere getigerte Hauskatze. Mir liefen ein paar
Tränen über das Gesicht, weil ich einfach nicht wusste, was ich noch tun konnte, um ihr zu helfen. In Gedanken war ich schon so weit, dass ich bereitwillig annahm, dass es einfach nicht sein sollte. Vielleicht war Schneeflöckchen ja hier unter den anderen freilaufenden Katzen glücklich?!
Plötzlich sah ich eine Frau auf uns zukommen. Offensichtlich war sie ohne Jacke aus dem hinteren Seiteneingang heraus gekommen und lief schnellen Schrittes auf uns zu. Schon von weitem rief sie: „Ohh, Sie haben sich ja mit dem weißen Kätzchen angefreundet. Die ist ja ganz zutraulich mit Ihnen! Dass ist ja schön!“ Ich staunte darüber, wie freudig und aufgeregt sie uns
das entgegen rief. Als sie bei uns angekommen war, redete sie weiter: „Sie sollten sie mit nach Hause nehmen! Sie haben ja schon eine richtige Beziehung zueinander. Was für ein Wunder?!“ Ich berichtete der mir bis dahin unbekannten Frau von meinen Schwierigkeiten, eine Ansprechperson ausfindig zu machen und erzählte ihr auch, was man mir an der Empfangspforte gesagt hatte. Da erwiderte sie: „Was für ein Quatsch! Ich arbeite hier in der Krankenhausküche, und ich habe Zuhause auch ein Kätzchen von hier aufgenommen! Ich kenne den Mann, der hier für die Futterstation zuständig ist. Er kommt jede Woche zweimal die Katzen füttern und ist vom Tierschutzverein. Wenn sie wollen,
dann rufe ich ihn heute Abend mal an, und spreche mit ihm!“ „Ohhh, dass wäre ja ganz toll. Da würde ich mich natürlich sehr freuen! Würden sie das für uns tun?? Ich habe nämlich morgen meinen letzten Tag hier im der Schmerztherapie und würde das so gerne klären, bevor ich entlassen werde.“ Die freundliche Frau aus der Krankenhausküche versicherte, den Anruf am gleichen Abend noch zu tätigen und mir morgen dann im Laufe des Tages Bescheid zu geben. Dann brachte sie für meine weiße haarige Freundin noch Wurst heraus, welche Schneeflöckchen mit offensichtlichem Vergnügen genoss. Und während ich ihr beim Fressen zuschaute, hüpfte mein Herz vor Freude ob der unerwarteten positiven
Wendung. Es fühlte sich für mich wie ein Wunder an, dass diese Frau uns gesehen hatte und in ihrer Begeisterung auf uns zugekommen war, damit ich erfahre, dass sie den Menschen vom Tierschutzbund persönlich kennt und anrufen wird. Freudestrahlend und erfüllt von Optimismus rief ich sofort meinen Mann an und erzählte ihm von den Neuigkeiten, und dass wir nun ganz bestimmt bald Familienzuwachs bekommen würden.
Abschied
Am letzten Tag der Schmerztherapie fand nach dem Frühstück wie gewohnt die Gruppengymnastik, dann Einzelgymnastik und Massage statt. Ich freute mich sehr, den verschiedenen, mich behandelnden Mitarbeitern das Feedback geben zu können, dass es mir sehr viel besser als zum Zeitpunkt der Aufnahme ging, und das ich viel für mich gelernt hatte. Auch das Abschlussgespräch mit dem Chefarzt verlief sehr positiv, denn ich war mehr als nur dankbar für die Hilfen, welche ich hier erhalten hatte. Und die Aussicht auf ambulante Weiterführung der Schmerztherapie bei dem von mir sehr
geschätzten Chefarzt gab mir Zuversicht und Sicherheit, dass ich auch weiterhin Hilfen zur Heilung meiner chronischen Schmerzen bekommen würde. Es wurde vereinbart, dass ich diesen letzten Tag wie an allen vorherigen Tagen das komplette Behandlungsprogramm nutzen kann und am folgenden Tag nach dem Frühstück nach Hause gehen würde, nicht ohne einen Arztbericht und Termine für die ambulante Therapie. So fragte ich am Nachmittag vor der Krankenhausküche nach der freundlichen Mitarbeiterin, welche am Tage zuvor so begeistert von meinem Zusammentreffen mit Schneeflöckchen war. Glücklicher Weise konnte sie sich ein bisschen Zeit nehmen und berichtete mir, dass sie am Abend zuvor den betreffenden
Mann vom Tierschutzbund nicht hatte erreichen können. Sie schlug mir aber vor, es dann jetzt noch einmal zu versuchen und ging zurück in die Küche, um ihr Handy zu holen, in welcher sie die Telefonnummer dieses Menschen abgespeichert hatte.
Und tatsächlich, sie erreichte diesen Mann und sprach eine Zeitlang mit ihm über das Kätzchen, welches sie vor einigen Jahren von der Futterstation mit nach Hause genommen hatte. Ganz offensichtlich hatte er dies vermittelt und sich nun nach dem Befinden ihrer Katze erkundigt. Dann berichtete sie ihm in kurzen Worten von der weißen Katze hinter dem Haus und dass ich hier stände und sie gerne mit nach Hause nehmen wollte.
Kurz darauf reichte sie mir den Hörer herüber und mich erwartete eine ärgerliche männliche Stimme eines offensichtlich älteren Herrn: „Hallo! Sie können nicht einfach eine Katze vom Futterplatz für die freilebenden Katzen mit nach Hause nehmen! Dass sind wild lebende Katzen! Und ich kenne sie alle!“ Huch – der Schreck saß mir in den Knochen. Da ich die Worte der freundlichen Küchenmitarbeiterin mitbekommen hatte, konnte ich mir denken, dass dieser Mann die Sachlage etwas falsch verstand. Denn ich wollte die Katze ja nicht einfach mit nach Hause nehmen, sondern mich nach ihr erkundigen und anbieten, ihr ein neues Zuhause zu schenken. Dies versuchte ich dem Mann in der Leitung möglichst
diplomatisch und freundlich mitzuteilen. Gleichzeitig spürte ich aber auch das Schwinden meiner positiven Energie und der inneren Hoffnung auf ein Zusammenleben mit Schneeflöckchen. Als ich einfach geduldig nochmal erklärte, um welche Katze es ging und was mein Anliegen des Anrufes war, schwand auf der anderen Seite der Leitung der Ärger aus der Stimme und er wurde redselig. Zunächst berichtete er mir von seiner jahrelangen Arbeit hier für die Katzen am Krankenhaus, dann erzählte er mir, dass er die weiße Katze schön öfters gesehen hatte, aber sehr stark vermuten würde, dass sie in der Nachbarschaft wohnt und nur zum Fressen ans Krankenhaus kommt. Dem musste ich dann freundlich wiedersprechen,
denn die gesamten zwei Wochen war sie stets hinter dem Gebäude zu sehen gewesen und jedes Mal, wenn ich gekommen war, war sie zur Stelle. Der Mann sprach seine Verwunderung darüber aus, dass die weiße Mietze tatsächlich zu mir und auf meinen Schoß gekommen sei. Denn er selbst hatte die Erfahrung gemacht, dass sie nicht näher kam und stets abwartete, bis er gegangen war, um dann zu fressen. Er äußerte seinen Gedanken, dass es natürlich sein kann, dass diese Katze eher Vertrauen zu Frauen als zu Männern findet.
Dann beschloss er unser Telefonat mir den Worten: „Lange Rede, kurzer Sinn. Sie können die Katze nicht haben! Denn ich gehe
stark davon aus, dass sie in der Nachbarschaft ein Zuhause hat. Denn sie ich sehe sie auch erst seit dem Herbst letzten Jahres und denke, sie kommt nur zum fressen! Das Einzige, was ich ihnen anbieten kann, ist, heraus zu finden, wer die Besitzer sind. Denn ich kann ja nicht alle Katzen aus der Nachbarschaft mit durch füttern!“ All meinen Mut zusammennehmend antwortete ich ihm: „Bitte entschuldigen Sie, dass ich sie wegen der weißen Katze gestört habe, aber sollten Sie bei Ihren Recherchen vielleicht doch feststellen, dass sie kein Zuhause hat, dann würde ich sie gerne aufnehmen! Darf ich Ihnen für diesen eventuellen Fall meine Telefonnummer durchgeben?!“ Ein ganz tiefer Seufzer durchfuhr mich, denn das war
nun das Einzige, was ich jetzt noch tun konnte! Und, er ließ sich darauf ein und notierte meinen Namen und meine Telefonnummern. Puh, als wir dann das Gespräch beendet hatten, schaute mich die freundliche Küchenmitarbeiterin mit großen Augen an. Als ich ihr kurz seine Worte wiederholt hatte, starrte sie mich fassungslos an und konnte es nicht glauben. Aus ihrem Gesicht konnte ich lesen, dass sie die Welt nicht mehr verstand, und als sie die erste Träne über mein Gesicht rollen sah, umarmte sie mich spontan und sagte: „Seien Sie mal nicht so traurig! Ich bin mir ganz sicher, dass sie die weiße Katze noch bekommen! Ganz sicher doch! Ich glaube, sie gehört einfach zu ihnen!“ So gut mir ihre Umarmung und ihre
Worte auch taten, ich war richtiggehend geplättet und verabschiedete mich bei ihr mit einem wirklich von Herzen kommenden „Ich danke Ihnen für Ihre Bemühungen!“ Dann trottete ich langsam den Gang entlang zum Aufzug, entschied mich aber, die Treppen zu nehmen und Stufe für Stufe in die zweite Etage zu meinem Zimmer zu gehen. Mit jeder Stufe rollten die Tränen immer stärker und ich war froh, dass meine Zimmernachbarin gerade nicht da war. So konnte ich meiner Traurigkeit, welche ich später damit tröstete, dass es dann wohl eben nicht sein soll, nachgeben.
Am Abend packte ich vorbereitend meinen Koffer und schrieb dann noch eine Weile in
mein Notizbuch, um die Eindrücke und Gefühle des Tages zu Papier zu bringen. Während des allabendlichen Telefonats mit meinem Mann berichtete ich ihm von dem ausführlichen, aber doch frustrierenden Gespräch mit dem Mann vom Tierschutzbund. Mein Mann verstand meine Trauer, erwiderte aber auch seinen weisen Satz: „Wer weiß, wofür es gut ist?!“ Tja, dass konnte man nicht wissen. Ich wusste ja nur, dass nichts ohne Grund geschieht. Und so war ich mir auch felsenfest sicher, dass ich das Schneeflöckchen auch nicht ohne Grund getroffen und mich mit ihm angefreundet hatte!! „“Oh je, wie soll ich mich nur morgen früh von meiner süßen Schneeflocke verabschieden?!“, fragte ich meinen Mann.
Und siehe da, er hatte eine ganz praktische Idee: „Ach, meine Liebe! Du hebst einfach von der Wurst heute Abend ein paar Scheiben für deine Mietze auf und gibst ihr sie, bevor du gehst. Sie wird es dann leichter nehmen! Außerdem weißt du doch, Katzen sind nicht nachtragend!“ Wir vereinbarten, dass mein Mann, wenn er mich abholen würde, mit zur Bank kommt, um mich beim Abschied von Schneeflöckchen zu unterstützen.
Und so kam es, dass ich am letzten Tag des Januars vor zwei Jahren mit Tränen in den Augen an dieser alten verrotteten Bank vor dem Schuppen, welches als Futterhäuschen für freilaufende Katzen diente, stand und dem
weißen kuscheligen Wollknäul Stückchen von Mortadellawurst vor die Pfoten warf und ihr schluchzend sagte: „Es tut mir leid Süße, ich muss dich leider hier lassen! Aber ich werde dich öfter mal besuchen kommen! Pass du gut auf dich auf Süße!“ Und während sie mit dem Schlecken der Wurststückchen beschäftigt war, zog mein Mann mich vorsichtig immer weiter Richtung Krankenhausgebäude, bis wir am tiefer gelegten Parkplatz am Auto ankamen und langsam davon fuhren .......
..... nicht wissend, dass die freundliche Mitarbeiterin der Krankenhausküche für eine ferne Zukunft Recht behalten sollte.